- Mi 13. Nov 2019, 11:20
#1538413
Guck-Guck!
Nach Jahren, glaube 2012, mal wieder rein geschaut und natürlich hier mal durchgelesen. Nun muss ich was dazu schreiben und das wird, so fürchte ich, etwas ausführlicher weil ich mittendrin war und alles irgendwie nur oberflächlich betrachtet wird...
Zur Vorgeschichte: 2016 bin ich nach langem zögern und der Geburt meiner Tochter doch den Linken beigetreten. Ich habe mich aufgrund der Entwicklungen, mein Großvater war Antifaschist der ersten Generation und KZ Überlebender, die Zukunft meiner Tochter, einfach verpflichtet gefühlt aktiv zu werden. Weil ich weiß, was für Leute in, um und über der AfD kreisen. Und wenn ich Leute schon 30 Jahre kenne, die schon im Kinderzimmer die Reichskriegsflagge hängen hatten, die Zillertaler Türkenjäger hörten, welche jetzt in der AfD aktiv sind und den Nazi ganz weit von sich abweisen, dann läuft hier derbe etwas schief.
Die Linke Thüringen: Wir Linken hier in Nordthüringen sind vorwiegend sozialliberale Realos, sprich das, was die SPD irgendwann mal war. Bodo ist auch kein typischer Linker. Er ist mehr ein konservativer Sozialdemokrat mit einem linken Herz, Gewerkschafter eben. Die immer mehr Aktiven sind entweder in meinem Alter (39) oder deutlich jünger . Man sieht also schon am Alter, die Generation SED, die ja immer wieder angeführt wird, spielt heute gar keine große Rolle mehr. Wer damit heute noch kommt, verkennt die Realität. Von uns möchte auch keiner einen Sozialismus, in der Form, wo alle am Ende gleich arm sind, geschweige denn einen Kommunismus. Die MLPD mag ich aus guten Gründen auch absolut nicht. Mit der PDS oder gar SED, haben wir nicht mehr wirklich viel zu tun. Stimmen in der Richtung nimmt man immer nur lauter wahr. Das ist aber bei jeder Partei so. Siehe Kühnert.
#ltwth19: Seit diesem Jahr habe ich ein Mandat in der Stadt, sitze auch im Ausschuss für Soziales, Jugend, Kultur, Wohnen und bin auch sonst aktiv. Im Wahlkampf z.B. Kommunal, EU, wie aktuell auch zur Landtagswahl. Ich bin zufällig in die Aufgabe gerutscht den Wahlkreis 11 für unseren Kandidaten zu managen. Das ist bei uns noch Handarbeit. Auch weil wir wenig an Spenden haben. Das was unser Kreisverband in der Kasse hat, nennen andere bereits schon Monatsgehalt. Wir laufen und verteilen wirklich noch komplett selbst, auch Plakate hängen wir oftmals selbst. Da bis du dabei und gibst alles, das Getriebe in meinem Auto habe ich mir dabei schrottreif gefahren, es war keine Zeit für die Werkstatt. Im Ergebnis hat es für die Linke locker gereicht, das Direktmandat hat aber ein Bänker von der AfD, der hier im Ort Wohnt und hier auch kräftig hinten lag. Man muss dazu sagen das die Linke hier im Ort stark ist. Wir stellen den Bürgermeister, einen Ortschaftsbürgermeister, stark besetzte Räte und haben für die Linke auch deutlich die Europawahl gewonnen. Als einzige in ganze Thüringen. Aber rundherum ist das eben leider anders.
Nun, warum zieht die AfD dann trotzdem ein? Weil sie tatsächlich so gefährlich ist wie alle warnen, weil man trickst und wahrscheinlich auch zum äußersten greift. Der Wahlkampf fing ruhig an. Bis auf einen Zwischenfall am Rande der Kirmes, wo ein AfD Stadtrat anfing uns zu beschimpfen und meinte, dass wir doch an die Wand gestellt gehören. Wir haben das nicht verfolgt, weil das erfahrungsgemäß nichts bringt, außer Werbung für die AfD selbst.
Alles lieft weitgehend unauffällig. Bis zum "Familienfest" in Bad Frankenhausen. Alle haben den Mittelfinger zeigenden Bürgermeister von Frankenhausen gesehen. Bis ins "Compact" Magazin hat es die Geschichte geschafft. Ich hatte aber die ganze Zeit die Kamera laufen. Es wurde vom AfD Kandidaten provoziert, der selber den Finger zeigte und von seinem MdB Pohl zurückgehalten werden musste. Das Material habe ich veröffentlicht, die Medien hatten aber leider kaum Interesse.
Es verging eine Woche. Es ist Samstag Morgen kurz vor 9 Uhr und wir stehen wie schon die Woche zuvor mit unserem Infostand auf dem Markt. Ungewöhnlich, denn die AfD, die davor und danach nie mit dabei standen, stehen 30 m entfernt ebenfalls mit einem Stand. Alle dabei, Ortsverband, Landtagskandidat, sogar Kinder hatte man mitgebracht. Einer der AfDler unterhielt sich sogar mit uns. Wenn es friedlich bleibt und der Abstand stimmt, dann geht das durchaus auch. Für Kinder haben wir immer kleine Badeenten, da hat man sich zwei von mitgenommen. Alles ruhig, keine Probleme. Wir bauen ab und ich fahre zum Fest nach Memleben ins Kloster um eine diesmal eine kulturelle Mittagspause zu machen, denn anschließend muss ich ja wieder zu vielen Briefkästen laufen. Wenn du das über Wochen allein machst und auch nicht immer auf nette Leute triffst, tut Abwechslung gut. Ich checke die FB Timeline und da platzt die Bombe. Die Lokalausgabe der Thüringer Allgemeine berichtet, dass heute gegen kurz nach 6 Uhr der LKW ausgebrannt ist, in dem AfD alles für ihre Familienfest transportiert. Natürlich war es ein Brandanschlag, selbstverständlich von uns Linken und die Polizei habe auch schon eine heiße Spur. Auf allen Social Media Kanälen ging es natürlich rund. Hier, wo es keine Brandanschläge gibt und wo es auch keinen Sinn macht, würde es doch einzig der AfD helfen. Ersatz für die Veranstaltung am Abend hatte man übrigens schon.
Der LKW stand uns völlig unbekannt und nur wenige Stunden im Nachbarort, abseits des Dorfes, neben einem Schrottplatz, eingezäunt, durch Koniferen oder was da steht nicht einsehbar. Und laut Freund, der bei der Feuerwehr ist, genau mittig auf dem Gelände abgestellt, alle waren da und tranken beim Eintreffen der Feuerwehr einen Kaffee. Die Polizei bestätigt eine Brandstiftung, ermittelt aber in alle Richtungen. Man habe weder eine heiße Spur, noch gab es bisher auch nur einen einzigen Hinweis.
Man kann es leider nicht beweisen, aber jeder kann sich seinen Teil dazu denken. Der Schaden ist bereits entstanden als man uns beschuldigte, Planen mit dem brennenden LKW und "Mahnmal" drucken ließ, die dann auch auf der Wahlkampfabschlusskundgebung an der Bühne hingen. Es hat die Wahl zu ihren Gunsten gelenkt und niemanden wird mehr interessieren, wie es nun wirklich war. Wie im Fall Magnitz, wo die Einstellung im August, ohne einen Täter ermittelt zu haben, nur noch eine Randnotiz darstellte.
Deswegen darf man mit denen in keinster Weise liebäugeln. Die dürfen hier keine entscheidende Rolle spielen. Ließe sich Mohring auch nur von ihnen wählen, wäre das fatal. Da kann er hinterher in seiner bekannt nervigen Art Reden ohne Ende in sein Mikrofon heulen, es wäre falsch. Die AfD ist auch lange kein Becken für Protestwähler mehr. Junge wählen die hier mit voller Überzeugung. Selbst gestandene Apotheker tun das und keineswegs nur Arbeitslose und Abgehängte. Ich habe mit so vielen Menschen gesprochen, die von der AfD erfolgreich manipuliert wurden. Hier geht es schon lange nicht mehr um wirkliche Inhalte. Mittlerweile sind wir so weit, dass man an deinem Stand, mitten in der Öffentlichkeit, den Holocaust offen leugnet und die Dolchstoßlegende lebt. Und das waren augenscheinlich keine Nazis. Das sind Leute aus der Mitte, die aber Nazithesen vertreten und sich das aber nicht eingestehen wollen. Ich habe mich mehr wie nur einmal geschämt, dass könnt ihr mir glauben.