- Mo 24. Mai 2010, 18:19
#825175
Ich muss das Finale in zwei Teilen bewerten: Charakterentwicklung und Mythologie. Anders gehts eigentlich auch gar nicht, da die zwei Sachen unterschiedlicher nicht ausfallen hätten können. Fangen wir mit dem Guten an.
Charakterentwicklung:
Trotz riesengroßem Kitschfaktor ist dieser Teil sehr gelungen. Ja, ich weiß, dass es komplett überzogen war, aber ich habe sechs Jahre meines Lebens mit diesen Charakteren verbracht, deshalb ist mir ihr Schicksal doch ziemlich Nahe gegangen. Vor allem die Geschichte von Jack hat man zu einem hervorragenden Abschluss gebracht. Vom Mann der an nichts glaubt zum Mann der alles für seinen Glauben an die Insel gibt. Das Ende mit ihm und seinem Vater bzw. dann auch Vincent hat mich zu Tränen gerührt. Das war ein perfekter Abschluss für den Charakter und auch wenn Jack nicht wirklich die beliebteste Figur war, muss man zugeben, dass er einfach das Herz der Serie war. Er hat die größte Veränderung durchgemacht. Er war der erste den wir gesehen haben und er war der letzte den wir gesehen haben.
Auch Hurleys Story hat mir sehr gut gefallen. Er hat sich vom Mitläufer in den ersten Staffeln zum Anführer gemausert und ist jetzt der Beschützer der Insel. Die Art wie er dazu ernannt wurde, war natürlich ziemlich lächerlich, aber es musste halt schnell gehen. Man hatte ja nur drei Staffeln Zeit um das ganze langsam aufzubauen und nicht durch die Story zu eilen :lol: Vor allem die Szene, in der er Ben bittet ihm zu helfen, hat mich sehr berührt. Ja, Ben hat Fehler gemacht. Er ist ein Mörder und eigentlich auch ein ziemliches Aloch, aber ich mag ihn trotzdem. Ich freue mich darüber, dass er in der ALT (ich nenne sie einfach noch immer so) einen friedlichen Abschluss gefunden hat. Man hat ihm in der ORIG ja nie eine faire Chance gegeben, aber jetzt hat er das erste Mal die Möglichkeit mit Alex und Danielle ein normales Leben zu führen.
Über Sawyers Entwicklung habe ich ja schon einmal hier im Thread gesprochen. Ich bin heilfroh, dass man nicht versucht hat ihn mit Kate zusammen zu bringen, sondern sich auf die Beziehung bedacht hat, die schon letzte Season funktioniert hat: Suliet. Da fand ich das Ende auch sehr schön, da er ein bisschen Glück verdient hat. Sawyer habe ich am Anfang der Serie einfach nur gehasst und jede Szene mit ihm war für mich eine Qual, aber zum Ende hin mochte ich ihn immer mehr, was vielleicht auch daran liegt, dass Josh Holloway sich als Schauspieler sehr gut entwickelt hat. Jin und Sun haben auch ein gutes Ende gefunden, auch wenn man sie im Finale sehr vernachlässigt hat. Ich finde es noch immer ziemlich bescheuert, dass man die beiden auf der Insel getötet hat, nur um den Bodycount zu erhöhen. Wenn man die ORIG wenigstens zu Nichte gemacht hätte, wüsste man wenigstens, dass Ji Yeon nicht ohne Eltern aufwachsen wird müssen, aber so ... das stößt einem einfach sauer auf. Egal wie blöd die Situation für Jin war und egal wie oft die Autoren versuchen werden es zu rechtfertigen, ein Vater lässt einfach nicht seine kleine Tochter im Stich, bevor er überhaupt einmal die Chance hatte sie richtig kennen zu lernen.
Kate hat mir im Finale eigentlich am besten gefallen. Sie war 5 Staffeln lang irgendwie immer nur der Spielball von Jack und Sawyer, aber ich fand es zum Ende hin toll wie sehr sie sich um Claire gekümmert hat. Jetzt können die beiden ja eine Lebenspartnerschaft eingehen und als Lesben Aaron und Ji Yeon großziehen :lol: Ich fands übrigens unfreiwillig komisch wie Kate beim Anblick von Claires Vagina angefangen hat sich an die Insel zu erinnern. Vor allem ihr Blick nach dem ersten Flash war zum Schreien komisch. Davon brauche ich unbedingt eine Gif. John Locke bzw. MiB bzw. Flocke bzw. Smokey bzw. Smocke bzw. Wasweißich hat auch das bekommen was er verdient - nämlich den Tod. In der ALT dürfte er noch ein paar Lebensweisheiten mit Jack wechseln; hat eigentlich alles gepasst.
Sayid hurt weiterhin herum und macht jetzt einfach mal mit Shannon herum, nachdem er letztens noch Nadia mochte. Naja, der Charakter wurde sowieso komplett vernichtet nachdem er gestorben und dann wieder zum Leben erwacht ist. Ich verstehe noch immer nicht was da überhaupt vorgefallen sein soll. Da ist er mal kurz böse, dann wieder nicht, dann wieder schon, dann opfert er sich. Ende. Schlauer sind wir trotzdem nicht. Für mich eigentlich die katastrophalste Charakterentwicklung in der ganzen Serie. Richard darf endlich wieder altern und verabschiedet sich für immer von der Insel. Ich bin froh, dass man die Figur nicht einfach so klanglos hat verschwinden lassen wie ich nach letzter Folge befürchtet hatte. Trotzdem ist es schon ziemlich traurig wie wenig Alpert eigentlich wusste, nachdem man ihn drei Staffeln lang als mysteriöses Superwesen hingestellt hat. Dann wäre da noch Desmond, dessen Funktion ich noch immer nicht verstanden habe. Was war jetzt so besonders an ihm? Jack hat das Elektromagnetzeugs genauso überlebt wie er, nur hatte er halt eine Stichwunde im Bauch. Naja, ich mochte Desmond sowieso nie, also ist es mir egal was mit ihm passiert.
Im Großen und Ganzen bin ich, wie bereits gesagt, mit dem Abschluss der Charakterstories sehr zufrieden. Man hätte bestimmt sehr vieles besser machen können, aber ich will mich jetzt nicht über Kleinigkeiten aufregen. Außerdem gibt es bei der Mythologie schon genug auszusetzen.
Mythologie:
Ja, was soll ich dazu sagen? Es war das große Lost-Finale und was für Antworten haben wir bekommen? Eigentlich nur auf Sachen, die auch erst in dieser Season eingeführt wurden, nämlich was die ALT und wer Davids Mutter ist. Stellt euch vor jemand hätte uns während der ersten oder zweiten Season erzählt, dass es bei Lost darum geht ein Licht zu beschützen. Hätte auch nur irgendjemand von uns ernsthaft weitergeguckt? Ich weiß es nicht. Ich habe das Gefühl als ob die Leute einfach jeden Schwachsinn akzeptieren, weil es eben die letzte Staffel war. Ich meine ... der Vorhimmel? Seriously? Das hätte ich vielleicht bei Charmed akzeptiert, aber doch nicht bei Lost. Doch nicht bei einer Serie, wo ich fünf Jahre lang damit verbracht habe bessere Theorien aufzustellen als diese Grütze die uns schlussendlich vorgesetzt wurde. Seht euch nur an wie oft wir darüber diskutiert haben was die ALT sein könnte? Wir haben die versunkene Insel als Grundlage für unsere Theorien herangenommen und am Ende stellt sich heraus, dass das überhaupt keine Bedeutung hat. Ich bin mir sicher, dass jeder einzelne von uns hier eine bessere Erklärung für die ALT hätte schreiben können als dieses hanebüchene Zeug, das uns vorgesetzt wurde.
Das ganze ist doch vollkommen absurd. Wenn die Leute auf der Insel sterben kommen sie in den Vorhimmel wo die anderen Losties bereits auf einen warten, aber keiner hat eine Erinnerung an die Geschehnisse von der Insel, obwohl der Sinn und Zweck des Vorhimmels angeblich der ist sich an die Zeit auf der Insel zu erinnern. Mal abgesehen davon, dass ich nicht verstehe wie die alle gleichzeitig im Vorhimmel sein können, wenn wir davon ausgehen, dass zum Beispiel Miles, Sawyer, Richard, Kate, Claire und Lapidus noch weitere 30 Jahre oder so in der ORIG ein gesundes Leben führen werden. Kann sein, dass ich das zu wissenschaftlich sehe, aber wie ist sowas überhaupt möglich? Sollen wir einfach annehmen, dass Zeit im Vorhimmel (Gott, ich hasse dieses Wort) keine Rolle spielt und Hurley, der vielleicht sogar noch tausende von Jahren in der ORIG weiterlebt, dann im Vorhimmel gleich alt wird wie Boone oder Shannon, die tausende von Jahren vor ihm gestorben sind? Ich verstehe es nicht.
Naja, eigentlich auch egal. Denn der Rest ist auch Blödsinn. Da erscheint plötzlich Christian, der seinem Sohn die ganze Sache erklärt und schon gehts ab in die Kirche, um gen Himmel zu schreiten. Also bitte. Ich weiß echt nicht wie die uns nach 5 Staffeln von großartigen Theorien sowas liefern können. Ich fühle mich ernsthaft von den Autoren verarscht. Ja, es kann sein, dass sie das von Anfang an vorhatten, aber dann hätten sie auch von Anfang an auf so ein Ende hindeuten sollen. Sie haben ja selbst gesagt, dass die Insel kein Vorhimmel ist und dann machen sie einfach die ALT zum Vorhimmel. Wetten die hätten auch die Inselstory auf diese Art abgeschlossen, wenn das nicht bereits die erste Theorie nach dem Piloten gewesen wäre?
Ja, die ALT war einfach nur ein Griff ins Klo. Da hätte ich lieber Flashforwards von den Leuten aus dem Flugzeug gesehen, die zeigen wie ihr Leben sich nach der Insel weiterentwickelt hat. Wäre zwar vielleicht genauso langweilig geworden, aber wenigstens hätte man dann am Ende etwas Handfestes, statt so einen Blödsinn.
Blödsinn war auch die Geschichte rund um Flocke. Das aber auch nur, wenn man genauer darüber nachdenkt. Flocke und Jack treffen aufeinander. Jack sagt ihm, dass er ihn umbringen will. Und was macht Flocke? Er verwandelt sich nicht in ein Rauchmonster und tötet einfach alle die ihm schaden wollen. Nein, er geht einfach mit zum Licht wo er betet und hofft, dass Desmond das Richtige macht. Dann geht das Licht aus und er wird "menschlich". Plötzlich sticht er Jack ab und rennt davon. Regeln gibt es anscheinend keine, wie bei MiB und Jacob. Da verprügelt einfach jeder jeden. Jack und Flocke tauschen ein paar Schläge aus, bis Kate sich dazu entschließt einfach mal auf Flocke zu schießen, obwohl sie gar nicht wissen kann, dass er "menschlich" ist. Und siehe da, sie kann ihn umbringen und wundert sich nicht einmal darüber. Aber sie ist ja special. Genauso wie anscheinend jeder andere Furz auf der Insel. Und wenn man special ist, weiß man Sachen halt einfach.
Und die Mythologie der vorigen fünf Staffeln? Ist anscheinend egal. Was ist überhaupt die Insel? Wie ist sie entstanden? Warum kann sie Leute heilen? Wegen dem Licht? Was ist das Licht? Warum wurde MiB zu Smokey als er in das Licht ging, Jack aber nicht? Was genau ist Smokey überhaupt? Warum kannten die alten Ägypter das Monster bereits, wenn es anscheinend erst nach der Geburt Christi entstanden ist als Jacob seinen Bruder in das Licht geworfen hat? Was war überhaupt das Licht am Ende von der zweiten Staffel? An die ganzen Dharma-Sachen will ich gar nicht erst denken. Im Nachhinein war S2 wohl einfach nur dazu da ein bisschen Geld zu sparen, indem man mehr Szenen im Hatch dreht, statt im Dschungel. Was war denn nun eigentlich die berühmte Sickness? Das gleiche was mit Sayid und Claire passiert ist? Was ist eigentlich mit ihnen passiert? Sie waren gerade mal für fünf Sekunden böse und sobald jemand nett auf sie zuredet, sind sie wieder gut. Wie bedrohlich. Da hätte ich an Danielles Stelle auch Riesenangst gehabt und mein ganzes Team abgeknallt. Wer hat die Statue gebaut? Wer das Rad? Können wir bitte auch so special sein wie MiB damit wir auch einfach so wissen wer es war ohne nachfragen zu müssen? Was sind denn die Regeln zwischen MiB und Jacob? Verstehe ich noch immer nicht. Ja, anscheinend kann jeder irgendwelche Regeln aufstellen, aber befolgen muss sie keiner, es sei denn es passt den Autoren in den Kram, um die Story etwas in die Länge zu ziehen.
Ich könnte noch ewig so weitermachen. Alleine bei den Others könnte man ein dreißigseitiges Essay darüber schreiben, was keinen Sinn macht. Wir wissen eigentlich noch immer nicht wer oder was sie waren und was sie wollten. Aber nach S3 war das ja sowieso egal, da es dann nur noch um andere Leute ging. S2 bis S5 hätte man eigentlich komplett streichen können. Da gabs sowieso nichts Wichtiges zu sehen. Im Nachhinein ist es der Serie zum Verhängnis geworden, dass sie so erfolgreich war. Eine Staffel mit 25 Folgen hätte für die Geschichte vollkommen ausgereicht und die Zuschauer, die erwartet haben gute und schlüssige Antworten zu bekommen, wären jetzt nicht enttäuscht.
Im Nachhinein wünschte ich mir man hätte einfach eine Show über Menschen, die auf einer Insel abstürzen gemacht. S1 hatte nämlich wirklich gute Charakterstories. Man hats mit den mysteriösen Vorkommnissen nicht so übertrieben. Einfach das Monster streichen und schon hätte man eine weitaus logischere Geschichte gehabt. Man hätte sogar Dharma drinlassen können. An denen war ja im Endeffekt nichts Mysteriöses - sie waren einfach nur da und dann wieder nicht.
Ich kann einfach nicht verstehen, dass jemand ernsthaft mit der Mythologie der Serie zufrieden sein kann. Meiner Meinung nach gibt es nach dem Finale nicht einmal eine. Das hat man einfach komplett in den Sand gesetzt und das wird mir auch nicht gut in Erinnerung bleiben. An was ich mich gerne erinnern werde, sind die Charaktere, aber darum ging es in Lost nun einmal nicht hauptsächlich, egal wie oft Darlton das noch sagen. Ich finde es echt traurig, dass ich mich in S6 eigentlich nur noch über die Serie lustig machen konnte. Ich hätte so gerne alles gut gefunden, um Lost in guter Erinnerung behalten zu können, weil die Serie einfach fünf Jahre lang meine absolute Lieblingsserie war. Sie hat die Fernsehlandschaft verändert und den Weg für viele weitere Serials geebnet, aber ich denke auch, dass sie sehr vielen Fans die Freude an zukünftigen Mystery-Serien geraubt hat. Ich zum Beispiel werde mich bestimmt nie wieder so in den Bann ziehen lassen, nur um am Ende wieder so gnadenlos enttäuscht zu werden. Ich habe mich einfach viel zu schnell und viel zu leicht begeistern lassen und jetzt habe ich eigentlich nichts davon, außer etwas worüber ich mich aufregen kann.
Das traurigste an der Sache ist aber, dass man nach dem Ende eigentlich auch gar nicht mehr spekulieren kann. Die Theorien mit denen man im Laufe der Serie im Kopf gespielt hat, machen alle überhaupt keinen Sinn mehr und selbst wenn, dann sind sie sowieso unbrauchbar, weil Lost zum Ende hin schlicht und ergreifend Fantasy war und nicht Mystery/SciFi.
Ich werde Lost vermissen. Keine Frage. Aber ich bin auch froh, dass es endlich vorbei ist und ich mich anderen Sachen zuwenden kann. Es hat mich gefreut eure Theorien und eure Beiträge hier im Thread lesen zu können und ich hoffe, dass man hier auch weiterdiskutieren kann, auch wenn die Serie schon vorbei ist. Danke an Darlton für fünf wundervolle Jahre und ein letztes Jahr, dass die vorigen fünf zunichte gemacht hat :lol: