von Waterboy
#195791

HARTZ-IV-WAHNSINN

Abteilungsleiter soll seinen Job aufgeben
Von Anne Seith

Arbeitsvermittlung bizarr: Ein Mann erhält von den Erfurter Job-Behörden eine Stellenanzeige. Die passt prima auf sein Profil als Lagermeister. Nur: Der Mann hat schon einen guten Job. Trotzdem bestehen die Vermittler darauf, dass er sich bewirbt - wegen seiner Freundin.

Hamburg - Andreas Grimm ist ziemlich stolz auf seinen Job: "Ich habe mich hochgearbeitet", sagt er. Die Firma, für die er arbeitet, erledigt Reparaturdienste und Sicherheitskontrollen für Fujitsu-Siemens-Computer. Angefangen hat der gelernte Facharbeiter für Lagerwirtschaft dort als Zeitarbeiter am Fließband. Vergangenes Jahr im November schaffte er den Sprung in die Stammbelegschaft und ist inzwischen Leiter der Lager-Abteilung. "Ich habe nicht lockergelassen bei meinem jetzigen Chef ", so beschreibt er seinen Werdegang in der Firma. Umso mehr überraschte ihn ein Brief der Jobvermittlungs-Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Erfurt, den er letzte Woche erhielt.


In dem Schreiben wurde er freundlich, aber bestimmt aufgefordert, sich bei einem Schuhgroßhändler als Lagermeister zu bewerben. "Wir freuen uns, Ihnen folgenden Arbeitsplatz vorschlagen zu können", schrieben die Sachbearbeiter höflich vor die Anzeige. Die Ergebnisse seiner Bemühungen möge Grimm bitte schriftlich per E-Mail oder per Post mitteilen.

Grimm glaubte an einen Irrtum. Er hatte die für ihn zuständige Arbeitsagentur über seinen neuen Job informiert: eine unbefristete Festanstellung bei einem Unternehmen in einer zukunftssicheren Branche, noch dazu in einem Umfeld, in dem er sich wohl fühlt. Die Kollegen seien sehr nett und die Arbeit mit den Computern sehr spannend, sagt Grimm. "Ich mache auch im Qualitätsmanagement und im Außendienst mit und habe Unmengen gelernt." Das Lager eines Schuhhändlers interessiere ihn nicht - welchen Grund für einen Wechsel gebe es da?


Es gibt einen, zumindest aus der Sicht der ARGE. Das Jobangebot war keineswegs ein Irrtum, sondern beruht auf einer gesetzlichen Vorgabe, erfuhr Grimm im zuständigen Call-Center. Denn die Lebenspartnerin des 33-Jährigen ist Arbeitslosengeld-II-Empfängerin. Beide zusammen bilden mit Tochter Hannah eine so genannte Bedarfsgemeinschaft.

Also ist Grimm nach dem Sozialgesetzbuch II verpflichtet, "alles dafür zu tun, um die Hilfsbedürftigkeit seiner Partnerin zu beenden" - das teilt eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit SPIEGEL ONLINE mit. Im Klartext: Grimm muss sich auf die vorgeschlagene Stelle bewerben und bei einem endgültigen Angebot zuschlagen, wenn das Gehalt über seinem jetzigen liegt. Sonst wird seiner Freundin das ALG II gekürzt.

Nochmal neue Probezeit: "Ich wäre verrückt"

Trotzdem mutet die Aufforderung zur Bewerbung bei dem Schuhhändler eher wie ein Vorgang aus dem sagenumwobenen Schilda an. Denn Grimm müsste bei der neuen Firma erst einmal wieder eine sechsmonatige Probezeit bestehen. "Was ist, wenn ich dann wieder rausfliege?", hatte er die ARGE-Beraterin gefragt. Doch die habe sich nicht beirren lassen: "'Dann kommen Sie eben zu uns', war die Antwort."

Dabei wird die Freundin ihr ALG II in ein paar Monaten wahrscheinlich ohnehin nicht mehr brauchen. Die Diplom-Pädagogin war früher bei einer Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche angestellt. Der Vertrag sei zwar irgendwann ausgelaufen, aber es bestehe durchaus Hoffnung auf eine neue Stelle dort. "Sie will sich nur jetzt erst einmal um unsere sieben Monate alte Tochter kümmern", sagt Grimm.

"Die Stelle bei dem Schuhhändler sollte man doch lieber jemandem anbieten, der wirklich keinen Job hat", findet Grimm deshalb. "Von den fünf Millionen Arbeitslosen wird es doch bestimmt einen geben, der sich darüber freut." Und fügt hinzu: "Ich wäre verrückt, in der heutigen Zeit einen guten, sicheren Job aufzugeben."
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,439588,00.html


ja ja, die Gesetze sind schon verrückt... man fragt sich wirklich was die Politiker und sonstige Leute nebenbei genommen haben als sie das ganze Hartz IV Gesetz verfasst haben. Ich meine es haut doch hinten und vorne nicht hin und niemanden ist es vorher aufgefallen ?


bleibt die Frage, hat schon mal wer hier vom Forum ähnliche Erfahrungen gemacht ?


Ich persönlich nicht jedoch bei einer sehr guten Freundin von mir ist der 19 Jährige Sohn gerade mit der Lehre fertig geworden und nun halt Arbeitslos. zum Bund und so weiter muss er nicht. Jetzt hat er ewig überhaupt darauf gewartet erst mal einen Termin zu bekommen, am Montag war er da und musste erst mal erfahren das er ab jetzt alle aktivitäten den Arbeitsamt umgehen zu melden hat. Will er in den Urlaub fahren muss er erst eine Bewilligung einholen. Außerdem muss er jeden Monat mind. 9 Bewerbungen abschicken und sich das quitieren lassen, ansonsten wird ihm das Arbeitslosegeld da er unter 25 Jahre ist für bis zu 3 Monate um 100 % gekürzt ! Arbeitslosengeld bekommt er übrigens 138 € , :roll: :? , musste deshalb Hartz IV beantragen um Mietzuschuss zu bekommen. Desweiterin ist er dazu verpflichtet auf jeden Termin des arbeitsamtes zu reagieren, Jobangebote anzunehmen, ansonsten drohen auch dort starke Kürzungen.

Nun hat er zum Glück schon etwas in Aussicht und ist hoffentlich bald aus den Fängen da wieder raus :?
Benutzeravatar
von Godfather
#195979
Mal von dem abstrusen Lagerarbeiter-Beispiel abgesehen

Ist doch völlig in Ordnung wie beispielsweise mit dem 19jährigen verfahren wird...
Soll man dem jetzt nach der anstrengenden Lehre erstmal ein lockeres Leben bezahlen oder was?
Bewerbungen schreiben und die jeweiligen Nachweise erbringen ist doch das Mindeste was man an Eigeninitiative aufbringen kann!


Im Grunde ist Hartz4 nicht verkehrt, nur teilweise nicht ganz zu Ende gedacht worden.
von Quotentreter
#196021
So abstruse ist das Lagerarbeiterbeispiel garnicht mal. Vor allem hier im Osten kommt das ziemlich häufig vor das der arbeitende Partner so einen Wisch geschickt bekommt. Da ich mich mit dem Thema beschäftige und Kontakt mit derzeit betroffenen habe ist mir sowas schon häufiger unter die Augen gekommen.

Als man sich das Gesetzt ausdachte hat man einmal mehr die Realitäten verschlafen. Jobs sind rar, gute Jobs die langfrsitig bleiben sowieso. Während das so unsinnig gehandhabt wird sitzt irgendwo ein arbeitsloser Lagerarbeiter der diesen Job wirklich braucht, ihn aber nicht bekommt weil er als "Beratungskunde" sprich Karteileiche schon als abgeschrieben gilt und durchs Raster fällt.
von Waterboy
#196038
also versteh ich das jetzt richtig.


Wenn ich nen Job habe und meine Freundin jetzt Arbeitslos ist und Hartz 4 bekommt, kann mir das Arbeitsamt ( mit dem ich ja so eigentlich nix zu tun habe ) nen brief schicken und mich auffordern meinen Job zu ändern ? ??

irgendwie seh ich da nicht durch.... :shock:
von Quotentreter
#196049
Wenn du dadurch dazu beitragen kannst das Staatssäckel zu entlasten, sprich deinen Partner mit ernähren kannst kann dir das passieren.

Meinetwegen hast du jetzt einen festen Job bei dem du aber nur wenig verdienst, du findest eine Partnerin die arbeitslos ist oder wird und teilst mit ihr Haus und Hof. Dann bist du automatisch ein Teil der Bedarfsgemeinschaft und bist verpflichtet auch in finanziellen Dingen einzustehen. Da du ja wenig verdienst kannst du sie nicht unterstützen und sie bekommt ihre Unterstützung. Nun wird aber nach allen Möglichkeiten gesucht diese Abhängigkeit zu beseitigen. Findet das Amt nun eine Stelle die besser bezahlt ist und ist der Meinung das könnte klappen dann kommt obige Situation zustande. Fügst du dich nicht kann das als vernachlässigung der Mitwirkungspflicht gewertet werden und deine Partnerin hat den Zonk.

Was denkst du warum sich soviele Bedarfsgemeinschaften splitten. Nicht weil sie bescheissen wollen sondern weil man sich vor soclhen Sippenhaftartigen Praktiken schützen will. Hätte man einige Gesetze zuende gedacht wäre das nicht nötig. Einstand ist Ok aber nicht mit solchen Kamikazeaktionen die ganz schön in die Hose gehen können.
von Waterboy
#196213
ich habs bis heute nicht gewusst, ich hab mich auch noch nie mit Hartz 4 so sehr beschäftigt ( nun bin ich ja gezwungener Maßen Krank, daher hab ich Zeit ).

sehr seltsam finde ich das dem Arbeitsamt mehr daran gelegen ist den gut verdienen Partner nen Job zu beschaffen als der eigentlichen Arbeitslosen ???

ist doch alles kunfux :? :x
von Quotentreter
#196222
Bei der Agentur wird sortiert. Alles was gute Chancen hat und gut vermittelbar ist sind die Marktkunden welche auch mit höchster Priorität bearbeitet werden. Alles andere sind Beratungskunden für die nicht mehr so intensiv gesucht wird weil man sich wenig Hoffnung macht.

Für die Agentur erscheint es halt sinnvoller dem arbeitendem mit mehr Chancen einen besser bezahlten Job zu verschaffen als sich mit der Beratungskundin abzumühen die ohnehin kaum einer oder halt keiner haben möchte. Für die hat man dann so tolle Sachen wie MAE (Ein Euro Job) oder anderen Schnullikram der Beschäftigung vorgaukeln soll aber oft keine ist oder zulasten von echten Arbeitsplätzen geht. Obwohl man in dem Fall schon etwas komisch guckt weil die Frau ja Diplom Pädagogin ist und eigentlich gute Chancen hätte. Gut es gehen auch mitlerweile etwa 12.000 Ingeneure stempeln. Ohne das gewisse Glück nützt halt auch die beste Ausbildung nichts. Und auch in Betreungseinrichtungen nimmt man gerne mal ausgebildete Pädagogen als MAE unter Vertrag.

Und genau weil, wie du eben zugibst, nur wenige sich damit beschäftigen hinterfragt das ganze auch kaum einer. Die Betroffenen haben keine Lobby und wenn mal was bekannt wird dann meist leider nur ein krasser Fall von Missbrauch der dann so ausgeschlachtet wird das alle denken das Leute eben durch die Bank weg nur am bescheissen sind. Die anderen Probleme tauchen selten auf und werden kaum wahrgenommen weils halt keiner wissen will.
Benutzeravatar
von Jonny
#196354
Waterboy hat geschrieben:sehr seltsam finde ich das dem Arbeitsamt mehr daran gelegen ist den gut verdienen Partner nen Job zu beschaffen als der eigentlichen Arbeitslosen ???

ist doch alles kunfux :? :x
Seltsam ist das überhaupt nicht. Lebenspartner verdient mehr, kann die Lebenspartnerin somit mit durch den Alltag bringen = eine Empfängerin weniger.
Und nebenbei wird ein neuer Platz frei, in den man im besten Fall noch einen weiteren ALG2-Empfänger unterbringen kann. So hat man gleich 2 Empfänger weniger.

In den Arbeitsagenturen geht es, so blöd das ist, eben mehr darum die ALG2-Empfänger wieder loszuwerden, als um die Vermittlung.
Benutzeravatar
von Produzent
#196415
Hartz 4 ist doch eigentlich ganz in Ordnung, wenn man endlich den Mief aus Verwaltungschuppen rausbekommt und sesselpubende Beamte auch mal -ohne Beamtenbund- an die frische Luft setzen darf.

Das es hier und da ein paar Fehler und Ungerechtigkeiten gibt liegt in der Natur der Sache. Man kann es eben nicht allen Recht machen.
Und manchmal stellen sich die Leute auch einfach zu stupide und "ich will bevormundet werden" hin, nach dem Motto "Lieber dumm und weg, als schlau und bleiben"

Da ist es dann auch kein Wunder wenn in den Behördenkreisen solche "Vorgehensweisen" ala Hartz4 entstehen.

Ich sage ja, jeder einzelne werkelt tagtäglich an der Zukunft des Staates, bewußt oder unbewußt. Das manche dabei einmal nicht "mitbeachtet" werden und dafür anderweitig um so mehr, nennt man Prinzip: "Soziale Marktwirtschaft", wie schaffe ich es von einem Sozialstaat zu leben! - Oder wie schafft es der Staat die Qualifaktionen dafür entsprechend anzupassen
Denkt daran was ihr heute noch für leicht sieht wird morgen immer schwerer und was früher schwer war ist heute eben unmöglich

Für die einen heißt es also: Wo war das Amt nochmal ? 8)
Für die anderen: Wie schaffe ich das zu umgehen ?

Für die sonstigen: *Das müßt ihr selbst wissen* :wink: