Spotlight (2015)
Ein einfacher Artikel in der "Boston Globe" setzt eine ganze Kette in Bewegung: Es wird berichtet, dass es in Boston einen Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche gab. Chefredakteur Marty Baron (Liev Schreiber) vermutet, dass hier noch mehr passiert sein kann und setzt ein Team, bestehend aus Walter Robinson (Michael Keaton), Michael Rezendes (Mark Ruffalo), Sacha Pfeiffer (Rache McAdams) und Matt Carol (Brian d'Arcy James), auf die Recherche. Das Team deckt eine Reihe von Missbräuchen auf und will sie an die Öffentlichkeit bringen. Doch das Schweigen der Opfer und Anwälte, die gegen das Team arbeiten, erschweren die Recherche...
Zweifach oscarprämiertes, auf realen Begebenheiten beruhendes US-Drama von Tom McCarthy, das mich in nahezu jeder Hinsicht hat überzeugen können. Die Geschichte wird sehr ruhig, nie überdramatisiert oder pathetisch erzählt, die Darsteller überzeugen durchweg und gesellschaftspolitisch relevant ist dieser Film ja ohnehin ohne jeden Zweifel. Herausragend stark ist neben der darstellerischen Leistung von Mark Ruffalo aus meiner Sicht in erster Linie die narrative Leistung, das im Laufe der Spotlight-Recherchen immer unfassbarer erscheinende Schweigekartell und dessen subtile Mechanismen auseinanderzuklamüsern und herauszuarbeiten, wie das weitgehende Stillschweigen über Jahre und Jahrzehnte hinweg hat funktionieren können. Ich tue mich immer etwas schwer damit, Drehbücher zu beurteilen, aber in dieser Beziehung ist die Leistung von McCarthy und Josh Singer schlichtweg grandios - und zurecht oscarprämiert.
Hinsichtlich der emotionalen Wirkung des Films auf mich finde ich es sehr bemerkenswert, dass er gar nicht groß auf die Tränendrüse drückt oder wütend "Skandal!" zu brüllen scheint, aber in mir trotzdem diese Empfindungen ausgelöst hat. Ich habe wahnsinnigen Respekt vor diesen mutigen Journalisten, die sich dem System Kirche - und dass es darum geht, wenn man sich berechtigt empören möchte, und nicht um den (christlichen) Glauben, betont man sehr deutlich - und seinen Handlagern entgegengestellt und sich nicht haben einschüchtern lassen. Ich habe großes Mitgefühl mit den Opfern, deren Kindheit oder gar Leben zerstört wurden. Und ja, ich fühle mich natürlich auch einmal mehr in meiner Haltung zur Institutionalisierung des Glaubens bestätigt. Das alles hätte der Film wahrscheinlich nicht so intensiv in mir bewirkt, wäre er nicht so behutsam und systemorientiert vorgegangen.
Große Kritik habe ich nicht zu äußern. Der Anfang ist mir persönlich, wo ich mich immer schwer damit tue, mir Namen und Gesichter zu merken, etwas zu hektisch und chaotisch geraten - ich brauchte schon recht lange, bis ich mir merken konnte, wer nun eigentlich wer ist und wie heißt. Ich finde es zwar cineastisch stimmig, aber persönlich doch etwas schade, dass man im Grunde dort abbricht, wo der Skandal ans Tageslicht kommt - und habe mir überlegt, ob diese Geschichte nicht auch tollen Stoff für eine Quality-Serie hergegeben hätte, in der man in 2-3 Staffeln die Vorgeschichte, die Recherche sowie die Auswirkungen der journalistischen Arbeit hätte thematisieren können. Für das Medium Film steckt mir hier eigentlich viel zu viel Potenzial hinter, das unausgeschöpft bleiben muss. Und einen etwas weniger nichtssagenden Titel hätte ich mir gewünscht, mit dem Begriff Spotlight konnte ich erstmal gar nichts anfangen.
Ansonsten aber ist "Spotlight" ein fantastisch erzähltes, sehr mitreißendes und höchst relevantes Medien- und Gesellschaftsdrama, bei dem ich äußerst traurig war, als es nach gut zwei Stunden endete. Wer auch nur im Ansatz an "Irgendwas mit Medien" und/oder den zahlreichen Missbrauchsskandalen der Kirche interessiert ist, muss diesen Film sehen.
8,5/10
Fohlen
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