Also ich muss wirklich sagen, dass mir nach dem Lesen des Artikels zu "Mietprellern auf der Spur" völlig die Worte fehlen. Ich frage mich, ob da überhaupt verstanden worden ist, wo das Problem liegt.
Natürlich ist es so, dass der "Bild"-Bericht verkürzt darstellt, worum es in der Sendung geht - da ist es das gute Recht von RTL, darauf hinzuweisen. Und natürlich sind die als Opfer dargestellten Mietpreller durchaus Täter, die den Wohnungseigentümern einen beträchtlichen Schaden zugefügt haben.
Alles gut, aber: Es ist doch wirklich ein Skandal, wie hier mit diesen Menschen umgegangen wird. Wir sehen einen 17-Jährigen, der mehrfach betont, keine Kamera in seiner Wohnung haben zu wollen - und wir sehen auch, wie sich das Produktionsteam darüber hinwegsetzt (ganz gleich ob die Schwester nun die Wohnung betreten darf oder nicht). Zudem sehen wir in dem Rohmaterial, wie die entsprechende Szene so geschnitten worden ist, damit der Eindruck steht, der Junge habe sein Einverständnis zum Filmen gegeben.
Wo bleibt die kritische Einordnung dieses Vorgehens? Stattdessen heißt es im Artikel:
Letztlich geht es wohl nur noch darum, inwieweit in einer solchen Doku Zusammenhänge verkürzt dargestellt werden dürfen, um sie für eine TV-Ausstrahlung attraktiv zu machen. Das ist aber ein Punkt, der «Mietprellern auf der Spur» keineswegs alleine betrifft.
Aha, das findet also überall statt und ist daher in Ordnung. Wo bleibt die Kritik an dieser Vorgehensweise? Klar: Wer nicht ganz bescheuert ist, weiß, dass im Fernsehen gerne geschnitten wird - aber einen solchen Umgang mit der Wahrheit durch das Rohmaterial belegt zu bekommen, muss doch eine Erwähnung und in Folge dessen auch kritische Worte wert sein, die über das hinausgehen, was hier schlicht als "Kampagnenjournalismus" abgetan wird.
Man muss in diesem Fall natürlich unterscheiden:
1.) Wie sehr verkürzt "Bild" die Situation?
aber auch 2.) Welch brisante Dinge werden durch das Rohmaterial gezeigt?
Dass am Ende zu sehen ist, wie das Produktionsteam einem Jungen folgt, der unmissverständlich sagte, nicht gefilmt werden zu wollen, ist einfach unsäglich und hat in diesem Fall eben nur bedingt etwas mit "Kampagnenjournalismus" zu tun. Hier stellt sich ja eher die Frage: Wer hat ein Interesse daran, Vera Int-Veen durch Veröffentlichung des Materials so schlecht wegkommen zu lassen, indem er das Rohmaterial an die "Bild"-Zeitung weitergibt?
Den Artikel mit den Worten zu schließen "Und dennoch wird sich Vera wohl noch ein paar Tage lang der Bild-Kampagne aussetzen müssen" setzt dem ganzen Artikel schließlich die Krone auf. Frei nach dem Motto: Alles halb so wild, nach ein paar Tagen ist das Thema vom Tisch. Dabei zeigt der Videoausschnitt doch, wie hier auf Kosten von offensichtlich ungebildeten Menschen, die nicht in der Lage sind, sich gegen ein Produktionsteam und schon gar nicht gegen einen Sender zu wehren, Fernsehen gemacht wird.
Ganz gleich, ob das nun von der "Bild" kommt oder von der "FAZ": Der entstandene Imageschaden ist riesig - und völlig zu recht. Wer sich für solches Fernsehen nicht zu schade ist, darf sich nicht wundern. Der kann nur darauf hoffen, dass es "Journalisten" gibt, die das nicht verstehen und als Kampagnenjournalismus abtun.