Inhaltlich ist zur letzten Folge ja alles gesagt. Mir drängen sich noch Vergleiche mit anderen TV-Momenten auf - z. B. der Kommentar von
ultimateslayer zur "Game Of Thrones"-Folge s03e09, die Anfang Juni einen ähnlichen Donnerhall von Reaktionen nach sich zog:
Ich will nicht mehr, die Serie frisst meine Seele auf.
Nach Ende der "Breaking Bad"-Folge vom letzten Sonntag kann man den Satz gleich noch mal rauskramen - musste hinterher erst mal tief durchatmen. Zwei historische Serienmomente innerhalb weniger Monate, das erlebt man auch nicht jedes Jahr.
Was für eine gnadenlose Tour De Force, diese Staffel 5.2. Man könnte glatt meinen, Vince Gilligan hätte sich an den genauso dramatischen und konsequent durchgezogenen Schlussfolgen von "The Shield" orientiert, die einem damals auch die Luft raubten (wer vom hochspannenden Verlauf der Geschichte um Walter White begeistert ist und diese adrenalinhaltige Cop-Serie noch nicht kennt, sollte sie mal ins Auge fassen - für mich neben "Six Feet Under" das bisher unvergesslichste Serienfinale).
Mir ging schon lange der Gedanke durch den Kopf, dass "Breaking Bad" das Potenzial haben könnte, mit seinem Ende die Zuschauer gedanklich und emotional noch lange über die letzte Folge hinaus zu beschäftigen. Wie's aussieht, werden Gilligan und sein Team das auch schaffen und sich damit ein Denkmal setzen.
Kurz vor Abschluss der Serie komme ich auch nicht umhin, einen Vergleich zu den "Sopranos" zu ziehen. Denn wie sagte auch Vince Gilligan kürzlich nach dem Tod von James Gandolfini:
"Ohne Tony Soprano hätte es Walter White nie gegeben." Und so gut "Breaking Bad" ist, aber als Gesamtwerk sehe ich das große Vorbild immer noch ein kleines Stück voraus.
Was vor allem an der stimmigeren Ambivalenz der innerlich zerrissenen Hauptfigur liegt: Während Gandolfinis "Tony Soprano" jederzeit innerhalb von Sekunden absolut glaubwürdig von mitleidserregend zu bedrohlich wechseln konnte, ist mir der Kontrast bei "Walter White" oft zu groß. Völlig okay, dass man ihn zunächst als erfolglosen Biedermann zeichnete - aber musste man ihn z. B. derart auf Verlierer trimmen, dass seine Wutausbrüche oft was Weibisch-Trotziges haben (wie der Abgang aus der Waschanlage in der ersten Folge)? Die taffe Fassade, die er sich für seine Drogengeschäfte aufsetzt und im weiteren Verlauf auch gegenüber der Familie durchblitzen lässt, wird zwar als bemühte Maskerade dargestellt - dennoch wirken die Verhaltenssprünge auf mich nicht immer nachvollziehbar. Für jemanden, der zwischendurch den harten Gangster raushängen lässt, tritt er teilweise zu waschlappig auf - oder umgekehrt. Bei "Tony Soprano" ist das eher nach dem Motto "raue Schale, weicher Kern" erzählt und wirkt dadurch realistischer.
Aber egal, wie man das einstuft: Überhaupt sind die Parallelen zum als Mafia-Epos getarnten Familiendrama frappant - nicht nur erzählerisch, sondern teilweise sogar in Szenen, die Passagen aus den "Sopranos" ähneln (z. B. Walts Ansprache in der Aula nach der Flugzeugkatastrophe, die in ihrer Rigorosität und den betretenen Reaktionen an die legendäre Klartexteinlage von Carmela Soprano bei der "Trauerfeier" für Tonys Mutter erinnert; oder die intensive Inszenierung des nervenzerreibenden Wartens im Krankenhaus nach dem Attentat auf Hank, bei der ich sofort an den über mehrere Folgen dauernden Klinikaufenthalt von Tony denken musste).
Wie auch immer - "Breaking Bad" reiht sich mühelos in die Garde der epischen Serienkolosse ein, die dem (Mainstream)-Kino längst die Rücklichter zeigen und deren Bedeutung in einem Artikel zu "Boardwalk Empire" auf den Punkt gebracht wurde:
"'Boardwalk Empire' könnte jetzt einiges zum endgültigen Untergang des Kinos beitragen. Was soll es noch ausrichten können mit seinen immer gleichen Geschichten und simpel gestrickten Plots, wenn Regisseure und Produzenten im Fernsehen so viel verschlungenere und unterhaltsamere Geschichten erzählen dürfen?"