Crisis in Six Scenes Staffel 1 4,5/10 (Amazon)
Die 6 Episoden laufen jeweils nur 20-30 Minuten, aber insbesondere die ersten 4 Folgen haben sich trotzdem so gezogen, dass ich Monate gebraucht habe, um diese Miniserie fertig zu schauen. Die Handlung spielt in den 60-ern und ungefähr so altbacken, fühlt sich das Endprodukt auch in seiner Machart an. Man kann Woody Allen hiernach wirklich abnehmen, dass er keinerlei Plan von der modernen Serienlandschaft hat und nur wegen des unmoralischen Angebotes einen Abstecher in die Langformerzählung wagte. Wenn er nicht selbst eine der Hauptrollen bekleidet hätte, könnte man denken, dass es sich um eine müde Kopie seines Stils handelt.
Zum Ende hin, wurde das Treiben etwas lebendiger und weniger formelhaft, so dass ich einem zweiten Versuch des Altmeisters nicht abgeneigt wäre. Von diesen Six Scenes bleibt auf er positiven Seite nicht viel mehr hängen, als dass Miley Cyrus hinter der Kommerzfassade und den ganzen kalkulierten Skandälchen eine mehr als solide Schauspielerin mit Verständnis für komödiantisches Timing ist.
Line of Duty Staffel 3 9/10 (BBC Two)
Bleibt neben Happy Valley das beste Crimedrama aus den UK. Während HV in erster Linie mit der vielschichtigen Charakterzeichnung und den starken schauspielerischen Leistungen punktet, bleibt Line of Duty auf dem Gebiet bis auf vereinzelte Ausnahmen (meist die Gaststars des Jahres) eher solider Durchschnitt, aber die Fälle sind so gut konstruiert, dass die Staffeln von Anfang bis Ende einen enormen Suchtfaktor entwickeln und enorm spannend sind, obwohl sich gut die Hälfte der Handlung in Verhörräumen abspielt. Neben dem Fokus auf Polizeikorruption und in dunkelstem Grau gezeichneten Charakteren sind es dann auch diese packenden Verhöre, die Erinnerungen an The Shield wach werden lassen.
Line of Duty wurde bereits um Staffel 4-5 verlängert und wird von BBC 2 zum Flaggschiff wechseln, aber wenn diese bisher stärkste Staffel einen Wermutstropfen mit sich brachte, dann das ich mir nicht vorstellen kann, wie das Level gehalten werden soll. Der Fall hatte solche riesigen und brisanten Ausmaße
, dass er kaum zu toppen sein wird und die staffelübergreifenden Elemente kamen hier so gebündelt zum Abschluss, dass sich die letzte Episode wie ein Serienfinale angefühlt hat.
A Series of Unfortunate Events Staffel 1 7,5/10 (Netflix)
Ich kann einigen negativen Punkten von Waterboy vollauf zustimmen. Diese erste Staffel verfilmt 4 Bücher in jeweils 2 Folgen und fühlt sich trotz der originellen Optik, dem einzigartigen Ton und der geringen Folgenzahl in einigen Punkten erschreckend schnell repetitiv an. Die Greenscreen-Hintergründe sehen so künstlich aus, dass es irritierend ist, obwohl klar wird, dass man ähnlich wie damals bei Pushing Daisies oder Spartacus aus der Not ein Stilmittel gemacht hat. (wobei die Serie keineswegs billig ist. Die Kulissen und Setdesigns sind auf allerhöchstem TV-Niveau. Täuschend echt hätte man die zahlreichen CGI- Seterweiterungen aber auch mit hohem TV-Budget niemals hinbekommen, so dass sie mit der Künstlichkeit spielen.) Während jüngere Kinder das Gefühl der Ohnmacht der Abhängigkeit von Älteren sicher gut eingefangen finden, wenn die Erwachsenen sich in ihrer blinden Selbstgerechtigkeit mal wieder von Count Olaf an der Nase herumführen lassen, kann das für ältere Zuschauer schnell nervig werden, obwohl sich die Serie (durch trockene Kommentare des Erzählers und die lächerlich schlechten Kostüme) selbst darüber lustig macht.
Letztlich haben die positiven Seiten für mich aber klar überwogen. Wie gesagt hat sie einen im TV einzigartigen Look und Ton, irgendwo zwischen Pushing Daisies und Tim Burton und erzeugt vom ohrwurmigen Vorspann an eine dichte und spezifische Atmosphäre. Bei den Kinderdarstellern wurde vom Baby bis zum Preteen ins Schwarze getroffen. NPH gibt den Bösewicht mit so großer Spielfreude, dass man die Eindimensionalität des Charakters verzeihen kann. Der Erzähler liefert clevere Wortspiele (wobei Archer z.B. wegen der literally - figuratively Diskussionen klagen könnte, falls das nicht aus den Büchern stammt :lol: ) und trockenen Humor. Die Serie schreckt auch nicht vor düsteren Twists und pechschwarzem Humor zurück, den man nicht in so einem familenfreundlichen Produkt erwarten würde. Hat dann trotz der Wiederholungen dazu geführt, dass ich immer noch eine Folge mehr sehen musste und auch direkt mit Staffel 2 fortfahren werde, sobald sie erscheint. Das ich weder die Bücher noch den Kinofilm kannte, war hier wahrscheinlich von Vorteil, weil so Spannung erhalten blieb und einige Twists Pluspunkte sammeln konnten
.
The Good Place Staffel 1 7,5/10 (NBC)
Holzklotz hat geschrieben:Ich finde das persönlich bis zu einem gewissen Grad sehr gut. Kritiken als "Lohnt sich Serie X?"-Artikel taugen doch eh nicht wirklich.
Ohne ein objektives Element haben professionelle Kritiken für mich keine Daseinsberechtigung mehr und deswegen spare ich es mir auch größtenteils. Das ist der Unterschied zwischen Kritiken und Kommentaren/Blogs/Forenbeiträgen.
Einerseits kann ich es verstehen. Früher als ich selbst noch regelmäßig längere Kritiken verfasst habe, gab es oft auch nicht viel zwischen Komplettverriss und Jubelarien gespickt mit kreativen Beleidigungen und persönlichen Anekdoten, weil das deutlich einfacher zu verfassen und unterhaltsamer zu lesen ist als ein sachlich ausgewogenes Review. Roger Ebert war für mich dann wirklich der letzte Kritiker, bei dem ich auch Reviews lesenswert fand, deren Bewertung ich konträr gegenüberstand. Konnte man auch nicht immer ernst nehmen (je älter und kränker er wurde, desto mehr störte er sich an filmischer Gewalt, obwohl er ja selbst aus dem Exploitation Bereich kommt) , aber zumindest gab es fast immer ein paar kluge oder witzige Gedanken und er hat offen gezeigt, wenn ihn etwas überhaupt nicht interessiert und er es nur der Vollständigkeit halber bewertet, anstatt es sich krampfhaft passend zu prügeln. Wenn man Sepinwall und co. nicht zustimmt, ist es hingegen einfach unübersehbar, wie manipulierend das alles geschrieben ist, um eine bestimmte These zu untermauern.
Wäre ja eigentlich auch wumpe, aber da die Quoten heutzutage in den meisten Fällen so nah an 0 liegen, dass die Unterschiede zwischen Flop und befriedigend in absoluten Zahlen marginal sind, ist Kritikeraufmerksamkeit oft entscheidend für die Lebenszeit einer Serie. Deshalb finde ich es zunehmend ärgerlich, dass 15-20 (verglichen mit Filmkritiken gibt es im Serienbereich ja meist kaum mehr von nennenswerten Zeitungen und Seiten) hemmungslos subjektive (US-)Meinungen Auswirkungen auf Serienfans weltweit haben. Vor ein paar Jahren konnte man noch lachen, wenn irgendwelche ultrakonservativen Organisationen wie die PTC mal wieder einen Kreuzzug gegen provokative Serien veranstaltet haben, weil es außerhalb der Networks kein Schwein gejuckt hat, aber die PC-Principals unter den Kritikern sind mittlerweile genau so engstirnig und leider erfolgreicher beim Killen von mäßig erfolgreichen Serien bzw. beim Erzwingen inhaltlicher Kursänderungen.