Um mich nicht sinnlos zu wiederholen, zitiere ich vorweg meine Meinung zu Folge 1-2
Der Pilot hatte mich schon mit der Eröffnungsszene bei den Eiern und mit dem Intro hmm...äh..wie komm ich da jetzt jugendfrei raus. Schon nach dem Intro hatte mich GOT tief in seine Welt gezogen.
In der Tradition der größten HBO-Serien haben es Benioff und co. geschafft ein bekanntes Genre auf eine Weise zu präsentieren, die man zumindest im TV so noch nie gesehen hat. Am nähesten kam da noch Pillars of the Earth, aber das war verglichen mit GOT nur gut produzierter und unterhaltsamer Edel-Trash und besaß natürlich auch keine Fantasyelemente. Vom Hintergrund der Story und den Motivationen der einprägsamen und doch schon Vielschichtigkeit andeutenden Charaktere weiß man gerade genug, um nicht verloren von einem Schauplatz zum anderen mitzuwandern, aber es ist noch so viel unentdecktes Hinterland zu erforschen, dass GOT bei gleichbleibender Qualität über viele Staffeln faszinieren und immer wieder überraschen können dürfte.
Kleine Makel:
- Die Szenen um die Albinos und das andere liebevolle Geschwisterpaar haben sich nicht so schmutzig echt angefühlt wie der Rest der Serie. Das lag teilweise näher am gestelzten Tudors Stil als an Rome und Deadwood. Andererseits ist gerade der Mix aus verschiedenen Stilen und Genres eines der frischesten Elemente von GOT.
- Trotz der für TV-Verhältnisse erstaunlichen Produktionswerte war es abgesehen von der Eröffnungsszene visuell nicht so ein Genuß wie Boardwalk Empire. Dort, wie auch beim Walking Dead Piloten, hat man einfach gemerkt, dass Meister ihres Fachs auf dem Regiestuhl sitzen. GOT war verglichen damit eher zweckmäßig zurückhaltend inszeniert. Es gab kaum Szenen, die für sich selbst sprachen. Stattdessen wurden uns die Charaktere, Schauplätze und Fehden mit Worten erklärt. Bei der Menge an Informationen und Charakteren ist das aber vielleicht auch der bessere Weg. Für Subtilität und vielleicht auch mal einfach ein Schwelgen in Atmosphäre bleibt später noch genug Zeit.
Wobei ich nie verstehen werde, warum selbst Mad Men oder The Wire Fans bei Serien wie Boardwalk, Walking Dead, Lights Out oder Sons of Anarchy Staffel 3 so schnell in Gejammer verfallen, weil die Handlung angeblich so langsam voranschreite. Hallo? Mad Men Staffel 1 hatte an der Oberfläche kaum etwas, dass man Plot nennen kann und bei The Wire braucht es in jeder Staffel 5 Folgen bis man die neuen Charaktere vorgestellt hat und so etwas wie eine Richtung erkennen kann.
weitere Pluspunkte:
-Die Dialoge haben zahlreiche erinnerungswürdige Zitate serviert. "The things I do for love.." nur als finaler Höhepunkt.
-Obwohl es extrem viel Sex und Gewalt gab, hat es sich organisch und nicht selbstzweckhaft angefühlt. Nicht, dass ich etwas gegen die in your face Exploitation von Spartacus hätte.
-eingängiger und abwechslungsreicher Soundtrack
-bis auf die Bluescreen-Szenen als der Junge die Ankunft des Königs von der Mauer beobachtet, waren die Effekte großartig bzw. sie sind mir nie als solche aufgefallen.
-Maisie Williams, Sean Bean, Mark Addy und Peter Dinklage stechen aus einem großartig zusammengestellten Ensemble heraus.
Fazit: Wenn HBO nicht schon mit Boardwalk Empire zurück an die Spitze gekommen wäre, hätte GOT den letzten Kick gegeben. Eine Serie dieser Größenordnung lässt sich auf keinem anderen Sender realisieren und die Qualität der Drehbücher und Schauspieler sorgt dafür, dass es nicht nur leere Schauwerte sind. 9,5/10
Da ich die Noten von Walking Dead und Boardwalk im Vergleich zu normalsterblichen Piloten im Nachhinein betrachtet zu niedrig angesetzt habe, gehe ich hier noch 0,5 Punkte näher an die Traumnote, obwohl GOT nur auf einer Stufe mit der Konkurrenz ist.
Die zweite Folge konnte das enorm hohe Niveau des Piloten überraschenderweise halten. Normalerweise kommt gerade nach solchen wie ein Kinofilm inszenierten Big Budget Piloten gerne ein kleiner Knick, an dem man sich an das Alltagsgesicht gewöhnen muss und bevor die Handlung richtig ins rollen kommt. Wie zuletzt die etwas zähe zweite Episode von Boardwalk Empire (das ab Folge 3 aber wieder aus allen Zylindern feuert).
GOT konnte die wichtigsten Figuren und die Regeln dieser Welt weiter vertiefen und dabei das Tempo hoch halten (keine Ahnung was hier langsam sein soll ). Der pure Unterhaltungswert war durch Tyrion, das Attentat und das Ende sogar noch etwas höher.
Die Serie scheint aber ein ähnliches Problem wie Rome zu haben. Es ist schwer abzuschätzen wieviel Zeit bei den Reisen zwischen 2 Orten vergeht. Ich habe mich jedenfalls gewundert wie Sean Bean und der König so schnell zu der Vernehmung von Arya kommen konnten, obwohl sie doch schon in die Hauptstadt(?) unterwegs waren.
Dafür das die Buchreihe für ihre durchwegs grau gezeichneten Charaktere gelobt wird, sind mir die 3 Lannisters (bzw. die Inzestler und der Sohn) bisher auch zu hassenswert böse. Außer Lena Headeys schlangenzüngiger Rede über ihren verstorbenen Sohn gab es keine sympathischen Seiten.
An diesen Eindrücken hat sich auch in den restlichen 8 Folgen nichts geändert. Die Begeisterung ist durch die komprimierte Sichtung (über 5 Tage. 2x 2 Episoden, 1 mal 1 Episode, 1xmal Auszeit und dann die letzten 3 Folgen in einem Rutsch) sogar noch etwas gewachsen. Das ist einfach die ideale Weise, um die Komplexität dieser Welt richtig würdigen zu können und auch als Nichtleser wichtige Kleinigkeiten noch in Erinnerung zu haben, wenn sie ein paar Episoden später eine ungeahnte Bedeutung bekommen. Wobei ich die Verwandschaftsverhältnisse anscheinend trotzdem nicht 100 % überschaut habe, wie ich beim überfliegen anderer Meinungen festgestellt habe. Sind der Boss der Nachtwache (James Cosmo, wie schon als IRA-Priester in Sons of Anarchy Staffel 3 unglaublich charismatisch) und der Beschützer der Drachenprinzessin jetzt verwandt? :lol:
Naja, egal. Falls es noch eine Bedeutung für die Geschichte bekommt, werden die Autoren es schon noch auffälliger erwähnen. Zurück zum Text. Staffel 1 war nicht nur meine Lieblingsstaffel aller Serien, in dieser für meinen Geschmack großartigen Season(von SOA Staffel 3 über Walking Dead, Boardwalk Empire, Spartacus oder Justified Staffel 2 bis Lights Out), sie zieht neben The Shield Staffel 5, Sons of Anarchy Staffel 2 oder Breaking Bad Staffel 3 in die heilige Halle der von Anfang bis Ende nahezu makellos erzählten Staffeln. Wenn es nur um Auftaktstaffeln geht, könnte es sogar mein Topfavorit sein, denn selbst die wenigen Serien, die schon in Staffel 1 mit einer so interessanten, vielschichtigen und lebendigen Figurenriege aus den Startlöchern kamen, hatten 1 oder mehrere durchschnittliche Episoden (wie z.B. Boardwalk Empire Episode 2) oder Charaktere, auf deren Arcs ich hätte verzichten können. Hier habe ich mich zu jeder Zeit und in jeder Ecke der GOT Welt wohlgefühlt.
Atmosphärisch am stärksten war sicherlich das Geschehen an der Wall. Dort kann man die Kälte und die heraufziehende Gefahr fast körperlich spüren. Am spannendsten war es im Intrigantenstadl der Hauptstadt und egal wo Tyrion unterwegs ist, ist ein hoher Unterhaltungswert durch die gewitzten Dialoge und Dinklages Charme garantiert. Mein Highlight in der Hinsicht war die Szene, in der er den leicht begriffstutzigen Wärter dazu brachte, ihn aus seiner luftigen Zelle zu befreien bzw. ihm eine Audienz zu ermöglichen. Dwarf-Man ...no gold.
Nach 10 Episoden Game of Thrones kann ich höchstens auf hohem Niveau jammern und mich über Dinge beschweren, die die Schattenseite von Stärken darstellen und somit fast unvermeidbar waren.
-Trotz des Luxus von fast 10 Stunden für ein Buch kamen mir einige Charaktere viel zu kurz und einige Höhepunkte hätten ausführlicher vorbereitet werden können bzw. sie hätten mehr Zeit zur Nachwirkung vertragen. Insbesondere schade ist es natürlich um Sean Beans Ned, der in einer gerechten Welt lange Jahre der Hauptcharakter der Serie geworden wäre. Das er stirbt, war einer der ersten Spoiler, die ich mir eingefangen habe, aber ich habe selbst bei der Hinrichtung noch gehofft, dass es erst im Staffelfinale geschieht. Schlimmer war aber, dass er schon seit dem ebenfalls viel zu frühen Tod von Robert kaum noch Screentime erhielt. (Die Gespräche mit dem Eunuchen und sein tragischer Abgang zählen dafür immerhin zu den besten Autorenleistungen der Staffel.) Auch andere Hauptcharaktere wie Arya oder Jaime gerieten phasenweise zu lange in den Hintergrund. Von den unzähligen interessanten Nebencharakteren wie Littlefinger, Aryas "Tanzlehrer" oder dem jungen Kerl, dessen Namen ich mir nicht merken kann (...er ist sowas wie die rechte Hand der Starks und der Stammfreier, der bei Buchfans so beliebten Frau, die leichtfertig und wahllos Geschlechtsverkehr mit Männern ausübt) ganz zu schweigen. Ändern könnte man das aber nur, wenn man linearer erzählt und Charaktere streicht oder das Erzähltempo deutlich drosselt. Die erste Variante würde der Welt einiges an Faszination rauben und die Zweite würde der Geschichte Spannung rauben und das Vorwärtsmomentum stören.
-Der nach den ersten 2 Folgen geäußerte Eindruck, dass manche Charaktere zu eindimensional gezeichnet sind, konnte bisher nicht in allen Fällen zerstreut werden. So gekonnt die meisten Figuren in einer Grauzone zwischen Gut und Böse balancieren und Klischees umschiffen, sind der goldköpfige Drachenbruder oder die meisten Lannisters nie über ruchlose und durch und durch böse Märchenbösewichte hinausgekommen. Die Handlungsweise von Sarah Connor kann man mittlerweile immerhin verstehen, aber selbst Khal Conan hat man besser aus dem ersten Eindruck des blutrünstigen Barbaren herausgeschrieben als den hassenswerten Scheißer, der jetzt den Thron wärmen darf.
-Kein Kritikpunkt, weil ich weiß, dass es trotz des gewaltigen Budgets nicht machbar ist, aber einen kleinen Blick auf die großen Schlachten hätte ich schon gern erhascht. Allerdings war der Übergang mit Tyrions Ohnmacht clever gelöst und es ist mir lieber, wenn die Effekte und die Ausstattung durchgehend auf höchstem Niveau sind, als dass man ~10 Mio in eine Schlachtenszene steckt und dafür auf anderen Gebieten Abstriche machen muss. Bei Rome hat man nach der Pilotfolge auch nur stets das Vor und Nach einer Schlacht gesehen.
Zum Finale: Zumindest im Dreierpack ein packender und mehr als würdiger Abschluß. Viele Geschichten wurden schon vor der letzten Folge überraschend früh auserzählt, so blieb dem eigentlichen Staffelfinale vor allem die Aufgabe für die folgenden Jahre neue Möglichkeiten am Horizont aufzuzeigen. Mit der Drachengeburt gipfelte es für mich in einem echten Gänsehautmoment. Das war nicht nur für TV-Verhältnisse beeindruckend in Szene gesetzt. Selbst die Minidrachen sahen dabei nicht nach CGI aus.
In Erinnerung werden mir aber nicht nur die großen Wendepunkte bleiben, sondern auch die an Al Swearengens Blowjobmonologe erinnernden Hurengeständnisse von Tyrion und Littlefinger (allein schon deshalb ist die von Esme Bianco gespielte Frau, die leichtfertig und wahllos Geschlechtsverkehr mit Männern ausübt eine sehr sinnvolle Ergänzung und nicht weniger wichtig als Sibel Kekillis Charakter) oder die erste Szene von Papa Lannister. Ich weiß nicht mal genau warum, aber das Gespräch mit Jaime während er das Tier häutet, war neben der Hinrichtung für mich die intensivste Szene der Staffel. Wunderbar kaltblütig und nicht übertrieben diabolisch von Charles Dance gespielt. Erinnerte mich ein bißchen an die Szene in Herr der Ringe als John Noble sein Mahl zu sich nimmt nachdem er seinen Sohn in den scheinbar sichereren Tod geschickt hat.
Fazit: Nach Boardwalk Empire eine weitere Machtdemonstration von HBO. Auch wenn sich 10 Jahre nach den Sopranos viele herausragende Serien auf anderen Pay-TV und Cablesendern wie Showtime, Starz, AMC und FX finden, können solche kinoreif in Szene gesetzten Großprojekte weiterhin nur von HBO gestemmt werden. Staffel 2 kann nicht schnell genug kommen.
9,5/10
Wenn ich nicht noch so viele Bücher auf meiner Nachholliste hätte, würde ich mir in der Zwischenzeit wohl Band 1 vornehmen, der u.a. durch die Ich-Perspektiven sicherlich auch mit Kenntnis der wichtigsten Ereignisse und Twists noch einiges zu bieten hat. So wird das aber wohl frühestens etwas für die Zeit nach dem Ende der Serie.