- Do 4. Aug 2011, 04:10
#1006735
American Beauty
Lester Burnham (Kevin Spacey) ist mit seinem Leben unzufrieden. Obwohl er oberflächlich betrachtet alles hat, was man sich wünschen kann. Doch er wird von seiner Frau (Annette Bening) und seiner Tochter (Thora Birch) verachtet, hat keinen Spaß mehr an seinem Beruf und erfährt keinerlei Zuneigung von seinem Umfeld. Erst als er die junge Angela (Mena Suvari) kennenlernt, schöpft er neuen Lebensmut und möchte sein Leben umkrempeln. Indes verliebt sich seine Tochter in den hübschen Nachbarsjungen (Wes Bentley), während sich seine Frau mit dem Immobilienkönig Buddy Kane (Peter Gallagher) auf eine Affäre einlässt. Doch alles verstrickt sich immer mehr zu einem großen Konflikt, den nicht jeder überlebt.
Diesen Film sahen wir in der neunten Klasse im Englischunterricht. Da war ich 15 Jahre alt und hatte in etwa so viel Lust auf ein englischsprachiges Drama wie auf eine schmerzhafte Zahnbehandlung. Nun, fünf Jahre später, wollte ich dem Film dann doch noch einmal eine faire Chance geben, das Allermeiste hatte ich inzwischen ja auch längst vergessen. Eigentlich wusste ich nur noch, dass der einfach langweilig war. Nur muss ich sagen: Der Film ist absolut genial und das Beste, was ich seit "American History X" im Oktober des vergangenen Jahres gesehen habe.
Die Story klingt zunächst einmal nicht so übermäßig spannend: Im Grunde stehen zwei benachbarte Familien im Mittelpunkt, bei denen sich die beiden Kinder ineinander verlieben. In beiden Familien gibt es erhebliche Probleme, die Ehe funktioniert hüben wie drüben ganz und gar nicht. Aber mit welch einer Kraft die zahlreichen Konflikte inszeniert werden und es dabei doch immer schaffen, nicht völlig illusorisch zu wirken, ist schon absolut beeindruckend. Es werden derart viele Motive dargestellt, dass es zu weit führen würde, sie alle aufzuzählen. Liebe, Wut, Begierde und generell die Gegenüberstellung von Ästhetik und den menschlichen Abgründen sind wohl die Hauptthemen des Films. Auch der "American Dream" wird wirklich wunderbar ad absurdum geführt. Überhaupt: Es ist schon beeindruckend, dass dieses Drama mir mehr Lacher entlocken konnte als so manch eine Komödie der letzten Zeit und trotzdem keinesfalls als dramatischer Stoff unglaubwürdig wirkt.
Um jedoch eine gute Handlung auch wirklich zur Perfektion zu führen, bedarf es immer glaubwürdiger Darsteller, die das Maximum aus ihren Figuren herausholen. Kevin Spacey wurde für seine ruhige, aber sehr ergreifende Darstellung des frustrierten Familienvaters mit einem Oscar ausgezeichnet, aber ihn hier besonders hervorzuheben, würde die zahlreichen weiteren Glanzleistungen zu Unrecht in den Schatten stellen. Annette Bening spielt die Mutter zwar etwas überspitzt, sorgt dafür jedoch für die meisten Lacher. Mena Suvari gibt sich gut als junge Verführerin, Chris Cooper spielt einen Ex-Marine ebenfalls sehr glaubwürdig. Mein Highlight war jedoch Wes Bentley als der etwas andere Nachbarjunge. Er stellt den jungen Sonderling wirklich fantastisch dar und avanciert damit zur größten Sympathiefigur des ganzen Films, obwohl sich der Zuschauer nie wirklich sicher sein kann, ob in ihm nicht doch ein wirklich kranker Mensch steckt.
Der Soundtrack ist bombastisch und unterstützt wirklich in jeder Sekunde das Bild optimal. 2000 bekam den Oscar für den besten Soundtrack der mir unbekannte Film "Die rote Violine", worüber ich nicht urteilen möchte. Schade um diese grandiose musikalische Komposition von Thomas Newman ist es dennoch. Mit insgesamt fünf Oscars kann man sich aber gewiss nicht beschweren. Als bester Film mit der besten Regie, der besten Kamera, dem besten Drehbuch und dem besten Hauptdarsteller wurde er prämiert. Und das völlig zurecht. Ich weiß nicht, ob es meinem noch sehr, sehr jugendlichen Alter oder doch eher der Tatsache geschuldet ist, dass ich es damals wie heute eher mühsam finde, einen Film auf Englisch zu gucken, aber damals habe ich diesen großartigen Film nicht gemocht. Gar nicht.
Negativ kann vielleicht angefügt werden, dass manche Charaktere zunächst einmal etwas stereotyp daherkommen. Die Mutter ist etwas arg hysterisch, der Immobilienhai der typische perfekte, unerreichbare Mann, der Ex-Marine ein patriotischer Hausdiktator und die Freundin die typische junge, blonde Frau, die ein liederliches Leben führt. Allerdings spielt Mendes hier ja ganz bewusst mit einigen Klischees, denn gewisse satirische Züge sind ja dem Streifen nicht abzusprechen. So ganz, ganz kleine Längen tun sich hin und wieder auch auf, aber wirklich nur ganz kleine. Aber das wars. Und auch wenn ich vielleicht beim zweiten "ernsthaften" Schauen von "American Beauty" meine Wertung revidieren muss, war ich ganz, ganz tief berührt. Unbedingt ansehen.
10/10
Fohlen