von Donnie
#1372640
Mit was identifiziert ihr euch in Deutschland am meisten? Was würdet ihr sagen macht den typischen Deutschen aus? Was prägt euch in Deutschland kulturell am meisten? Was sind typische deutsche Verhaltens- und Denkweisen?
von Ghost
#1372771
Deutsche trinken viel Bier und essen Brezel. Deutsche tragen Lederhosen und Dirndl. Deutsche sind pünktlich und zuverlässig, ernst und haben keinen Sinn für Humor. Deutsche Männer können nicht flirten und sind schüchtern. Deutsche sind eher zurückhaltend. Auch wenn es darum geht, Fragen nach Vorträgen u.ä. zu stellen. Deutsche haben ein durch die NS-Zeit bedingtes schwieriges Verhältnis zum Patriotismus. Deutsche sind eher liberal eingestellt. Deutsche markieren ihr Revier mit stark abgegrenzten Schrebergärten, stellen einen Gartenzwerg auf ihren Rasen und bemühen sich, ihren Garten schöner herzurichten als es der Garten des Nachbarn ist. Deutsche legen ihre Handtücher auf Liegestühle, um sie zu reservieren und andere Badegäste in den Wahnsinn zu treiben. Deutsche nehmen es mit Regeln genau und warten an der Straße, wenn die Fußgängerampel auf Rot zeigt. Deutsche sind unfreundlich und trauen sich nicht Englisch zu reden, was dazu führt, dass sie einem Englisch-sprechenden Kunden auf Deutsch antworten, obwohl sie ihn verstanden zu haben scheinen. Deutschland ist das Land der Dichter und Denker.

Eigentlich denke ich, dass ich mich Deutschland nicht besonders verbunden fühle. Wenn man aber im Ausland lebt oder mit internationalen Menschen zu tun hat, merkt man schon, wo man verwurzelt ist. Identität arbeitet schließlich immer mit Abgrenzung. Und mit dem Klischee des Pünktlichseins kann ich mich zum Beispiel identifizieren: Oft bin ich zu früh da und kann es nicht haben, wenn andere es nicht so genau mit der Zeit nehmen. Wenn man sich dann mit Südländern trifft, die dem entgegengesetzten Klischee entsprechen, kann das aber durchaus vorkommen. :lol: Und mit der Offenheit der Amis habe ich auch so meine Berührungsängste.
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von Kunstbanause
#1372781
Ich bin zwar auf dem Papier Deutscher (auch wenn der mir unbekannte Großvater mütterlicherseits US-Amerikaner war), aber für mich ist das lediglich eine geographische Sache und ein verwaltungstechnisches Etwas, aber mit meiner "Heimat" fühle ich mich überhaupt nicht verbunden, und auch ein Zugehörigkeitsgefühl besitze ich keins, nicht im patriotischen, nicht im gemeinschaftlichen und auch nicht im emotionalen Sinne. Nationalstolz ist mir völlig fremd - und von daher ist es mir bspw. auch beim Sport ziemlich egal, ob da nun Deutschland, Polen, Spanien, Uganda, Usbekistan oder Arschderwelt-Staat auf dem Rasen spielt, ein deutscher Tennisspieler den Ball übers Netz schlägt oder beim ESC "unser" Land gut oder schlecht abschneidet oder ob ein deutscher Schauspieler einen internationalen Preis gewinnt.

Dementsprechend mache ich mir auch keine Gedanken, ob ich irgendwie etwas Deutschentypisches an mir habe, also entsprechende Klischees/Stereotypen erfülle.

Deswegen bin ich auch der Meinung, dass "typisch deutsch" schlichtweg und ausschließlich in den Köpfen der Schubladendenker stattfindet - und halte eine solche Definition per se für reichlich affig.

Und was mich kulturell am meisten prägt? Äh, Kultur. Aus aller Welt.
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von rosebowl
#1372789
Da kann ich mich Davinia und dem Banausen größtenteils anschließen. Gut, ein bisschen Patriotismus darf schon sein. Also gerade bei Sachen wie Sport, ESC etc fieber ich dann doch für die Deutschen mit. Und ich fühle mich auch wohl hier und finde, Deutschland ist ein schönes Land, in dem man bei allen bestehenden Problemen doch ganz gut leben kann.

Aber von solchen Stereotypen und Verallgemeinerungen halte ich auch überhaupt nichts. Es gibt nicht "den Deutschen", es gibt engstirnige Nordlichter und offene Bayern, es gibt dämliche Deutsche und Dichter und Denker aus aller Welt etc. Mir ist es sowas von lang wie breit, was für einen Pass jemand in der Tasche hat, mich interessiert der Mensch.
von Ghost
#1372798
Äh ja. Dir ist aber schon klar, dass ich eben Klischees aufgezählt habe, die mir in den Sinn kamen und denen ich begegnet bin, und logischerweise keine Fakten? :( Natürlich sind das alles Stereotypen, aber wie man sieht, existieren diese, sonst hätte ich sie nicht aufzählen können. Sie existieren als Ideen in den Köpfen der Menschen und beeinflussen das Denken über bestimmte Kulturen und Personengruppen, in diesem Fall eben über die Deutschen. Dass sie nicht auf jeden zutreffen, versteht sich von selbst, aber von irgendwoher kommen sie, denn aus einem Vakuum können sie nicht entstehen. Und herauszufinden, woher sie kommen und wie sie sich verbreiten, ist ja erstmal nicht uninteressant.

Im Eingangspost wird u.a. nach Typen gefragt. Der "typische Deutsche" ist ein Konstrukt, dem man bestimmte Eigenschaften zuweisen kann und ich habe lediglich einige Vorurteile zusammengetragen.

Ich find's auch albern, wenn man so tut, als würde einem das Land, in dem man lebt, nicht auf eine bestimmte Art und Weise prägen. Und da kristallisieren sich eben bestimmte Eigenschaften, Verhaltensweisen und Mentalitäten heraus, die bei dem einen stärker und bei dem anderen schwächer ausgeprägt sind. Das finde ich schon interessant, darüber nachzudenken, wo das denn der Fall sein könnte. Und auch inwiefern man durch die zunehmende Globalisierung, das Reisen und das Leben in anderen Ländern, zusätzlich und anders geprägt wird.
Ohne jetzt über Geschmack diskutieren zu wollen: Mario Barth, Georg Schramm, Bülent Ceylan sind alles keine Deutschen, ihre Fans schon gar nicht?
Ja, Mario Barth und seine Fans fallen ja irgendwie unter das Klischee, gell ... :(
Also sind die alle, die grad mit Fahnen durch die Gegend fahren, Trikots tragen und so keine Deutschen?
Ein paar Wochen lang Deutschlandfahnen umher schwenken, um bei einer Riesensause dabei zu sein und das Nationalteam anzufeuern, ist doch etwas komplett anderes als Nationalstolz und Nationalgefühl zu spüren. Guck dir andere Länder an, die USA, Spanien (bzw. Katalonien & Co), Finnland und so weiter. Da gibt es deutliche Unterschiede.
von Ghost
#1372808
Und ich find's albern, das aufs Land zu schieben. Die Region und ihre Denkweisen sicherlich, aber nicht unbedingt das Land. Sonst wäre ja doch jeder Deutsche gleich.
Wobei die gesellschaftlichen Normen teilweise durch Gesetze geprägt werden, die wiederum immer noch zu stark auf religiöser Kultur basieren, sodass es sicherlich einen Anhaltspunkt für die These der Prägung durch das Land gibt. Aber ich bin sicher, dass die Region wichtiger ist. Fängt doch schon mit dem Stellenwert der Familie an, der einfach ein ganz anderer ist, wenn man in Berlin oder im tiefsten Bayern aufwächst.
Wenn man regionale Unterschiede und Identitäten ausmachen kann, dann kann man auch bestimmte Tendenzen innerhalb eines Landes ausmachen. Und wenn du sagst, das würde regional möglich sein, aber landesweit nicht, weil dann ja jeder Deutsche gleich sei, dann sagst du damit, dass jeder Rheinländer gleich ist, da du regionale Gemeinsamkeiten siehst. Nee. Bestimmte Tendenzen und Charakteristika in einer Kultur zu identifizieren, bedeutet nicht, dass jeder gleich ist, ist schließlich alles viel komplexer.

Dass Russland beispielsweise konservativer ist als Deutschland, lässt sich ja wohl schwerlich bestreiten.
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von Nicki
#1372810
Ich bin da ganz bei Ghost. Natürlich sind nicht alle gleich, aber diese Stereotypen gibt es. Ich hab in Köln gewohnt und jetzt auf dem Land und finden kann man sie überall. Das für z.B. Amerika Deutschland nur aus Lederhosen und Dirndl besteht ist natürlich Blödsinn, aber gewisse Dinge passen schon auf die Deutschen. Allein schon das mit der Pünktlichkeit.
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von rosebowl
#1372812
Nicki hat geschrieben: aber gewisse Dinge passen schon auf die Deutschen. Allein schon das mit der Pünktlichkeit.
Das heißt, die Bahn ist gar kein deutsches Unternehmen? :D
von Ghost
#1372814
rosebowl hat geschrieben:
Nicki hat geschrieben: aber gewisse Dinge passen schon auf die Deutschen. Allein schon das mit der Pünktlichkeit.
Das heißt, die Bahn ist gar kein deutsches Unternehmen? :D
Hier im QTalk kommen wir Geheimnissen auf die Schliche! Investigativ und seriös.
von Ghost
#1372817
Sehe ich immer noch anders. In einem Land wie Andorra mag das eher zutreffen, aber Deutschland ist viel zu groß für Tendenzen in einem Land. Jetzt mal abgesehen von der von mir angesprochenen kulturellen Prägung ... Außerdem darfst du nicht vergessen, dass unsere Kultur durch Zuzüge immer mehr aufweicht.
Also sind für dich alle Länder gleich, oder wie? Jedes Land hat seine eigene Geschichte, seine eigene Kultur, die letztlich eine bestimmte nationale Identität bilden und das zu ignorieren, finde ich doch sehr seltsam. Du sprichst ja selbst von einer kulturellen Prägung.
Übertreibst und generalisierst du da jetzt nicht übermäßig?!
Das habe ich weder gesagt noch lässt es sich logisch aus meiner Aussage schließen. Eine Gemeinsamkeit zu sehen bedeutet noch lange nicht, alle Menschen gleichzusetzen.
Na, du hast doch behauptet, jeder Deutsche müsse gleich sein, wenn das Land die Individuen auf bestimmte Art und Weise prägen würde ...? :lol: Und wenn das zuträfe, müsste es regional auch zutreffen, da du dort ja doch Prägungen siehst. Da sehe ich keinen Fehler in meiner Schlussfolgerung.
Doch. Die Moskauer sind garantiert weniger konservativ als die Menschen aus dem tiefsten Bayern :P
Ich spreche aber nicht von regionalen Unterschieden, sondern von landesweiten Zusammenhängen. Dass es Differenzen gibt und alles viel komplexer ist, als dass man ein Charakteristikum auf alle Individuen anwenden könnte, ist doch klar und braucht man nicht zu diskutieren. Tendenziell ist Russland aber konservativer als Deutschland. Und um konkreter zu werden, kann man auch das Beispiel der Homophobie nehmen und behaupten, dass ein Großteil der Russen LGBTs abneigend gegenübersteht.
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von Nicki
#1372819
rosebowl hat geschrieben:
Nicki hat geschrieben: aber gewisse Dinge passen schon auf die Deutschen. Allein schon das mit der Pünktlichkeit.
Das heißt, die Bahn ist gar kein deutsches Unternehmen? :D
:D
von Donnie
#1372822
Was ist mit den Akademikern und ihrem typischen, klassischen Viertel? Keine Deutschen?
Die Akademiker-Viertelstunde hat doch nicht wirklich was mit Pünktlich sein zu tun. Die Kurse beginnen doch immer erst um Viertel nach und da vorher nichts passiert, ist man auch nicht unpünktlich, wenn man eben erst um Viertel erscheint. Aber gut, das Prinzip dieser Akademiker-Viertelstunde finde ich eh total sinnlos und bescheuert. Da kann man auch gleich die eigentliche Zeit angeben.
Ich bin aber der Überzeugung, dass es den einen typischen Deutschen gar nicht gibt. Wir sind eine so große Nation mit so vielen regionalen Unterschieden, beispielsweise trinken wir im Süden viel mehr Wein als die im Norden und ist man in den Dörfern viel kinderfreundlicher als in den Städten. Ich mag keine Stereotypen und glaube nicht, dass es zutreffende Stereotypen über den Deutschen gibt.
Pauschalisieren kann man das natürlich nie, aber meine Frage ist hauptsächlich, was verbindet dich mit Deutschland? Wenn jemand aus dem Ausland dich fragt, was dich als Deutsche ausmacht, was antwortest du dann? Wenn dich jemand fragt, Ihnen die deutsche Kultur näherzubringen, was antwortest du dann? :?: Was ist deutsche Kultur für dich? Also, was ist für dich typisch deutsch, von dem du auch sagen würdest, dass es auf dich zutrifft? Inwiefern grenzt du dich als Deutsche von anderen Ländern ab? Was sind typische deutsche Speisen, die du im Ausland schmerzlich vermisst?
Also sind die alle, die grad mit Fahnen durch die Gegend fahren, Trikots tragen und so keine Deutschen?
Naja, es ist aber schon bezeichnend, dass die Fahnen hier meist, im starken Gegensatz zu den USA, nur zur Fußball-WM aus den Fenstern hängen. Ich würde schon sagen, dass der Deutsche in gewisser Weise mit einer gewissen Nationalscham aufgezogen wird auf Grund der nicht lang zurückliegenden mieserablen Geschichte.
Echt, alle? Und was ist mit denen, die das doch können? Sind die keine Deutschen dann?
Also, ich kann schon mal nicht flirten und wurde neulich erst festgenommen, weil man mich für einen Stalker hielt. :oops:
Damit die Nordddeutschen und die Berliner. Was hab ich da mal nach Brezeln gesucht.
Brezeln gibt es in Berlin an jeder Ecke???
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von vicaddict
#1372824
Kunstbanause hat geschrieben: Und was mich kulturell am meisten prägt? Äh, Kultur. Aus aller Welt.
Das.

Davon abgesehen gibt es maximal soetwas wie eine regionale Verbundenheit, aber ein Westfale steht mir nicht näher als ein Tscheche oder Roma. Je bunter, desto besser und damit heben sich die "typischen" Vorurteile eh auf, weil man sich von allen etwas abguckt, oder annimmt.
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von Kaffeesachse
#1372825
Das mit den Brezeln ... Na ja, nicht an jeder Ecke. Was ich letztens mal feststellte: Im Süden ist man dieses Laugengebäckzeugs gern mal zum Frühstück. Ich glaub, das würde hier kaum jemandem einfallen. Ich ess so 'ne Brezel eher mal abends zum Bier.

Die tiefste Wurzel ist für mich wahrscheinlich die Sprache. Ich kann mir gar nicht vorstellen, ständig eine andere Sprache zu sprechen, geschweige denn in einer anderen Sprache zu denken.
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von vicaddict
#1372828
Kaffeesachse hat geschrieben:Die tiefste Wurzel ist für mich wahrscheinlich die Sprache. Ich kann mir gar nicht vorstellen, ständig eine andere Sprache zu sprechen, geschweige denn in einer anderen Sprache zu denken.
Das geht schneller als du denkst. Wenn du die Sprache beherrschst, natürlich.
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von Kaffeesachse
#1372838
Andrea Henkel? Die hat man doch verstanden. Und ja, ich würde mich auch in einem anderen Dialekt erst mal unwohl fühlen. Und in einer anderen Sprache denken ... würde ich ehrlich gesagt gar nicht wollen.

Und dass einen nichts, aber auch gar nichts mit seinem Land verbindet, glaub ich nicht und versteh ich nicht. Ich bin in erster Linie Sachse (und stolz drauf :P ), in zweiter Linie Deutscher und danach kommt der Europäer. :)
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von Basil
#1372843
Ein bestimmter Gesichtsausdruck von nicht bestimmbarer Leere. Nicht, dass sie eine Maske aus Gleichgültigkeit tragen oder sich in dem erstarrten Gesicht eine Abkehr von der Welt offenbart, die Leere ist blöd, sie ist einfach da in den Gesichtern der Menschen. Und deshalb so traurig. Ein ausgeprägter Hang zum Formalismus, zur Ordenlichkeit und zur Tüchtigkeit sicher auch.

Wobei das persönlich schwierig ist, aus ein paar Wochen Spanien und GB lassen sich nicht viele Schlüsse ziehen, weil nur wenige tiefe, auf einen Nationalitätenunterschied zurückführbare Eindrücke gewonnen werden konnten. Danke für die Erinnerung, mal aus diesem Loch hier rauszukommen, Donnie.