- So 5. Sep 2021, 20:01
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Doctor Sleeps Erwachen (Doctor Sleep, 2019)
Satte 40 Jahre nach dem legendären Meisterwerk von Stanley Kubrick versuchte sich vor zwei Jahren Mike Flanagan an einer Fortsetzung selbigen Streifens, die wiederum auf Stephen Kings eigener Roman-Fortsetzung von "Shining" basiert. Der mochte Kubricks sehr, sehr freie Interpretation bekanntlich gar nicht mal so gerne, dieses Sequel aber umso mehr - was aus meiner Sicht einmal mehr dafür spricht, dass King ein grandioser Horror-Autor, aber kein allzu treffsicherer Film-Experte ist. Denn dieser satte zweieinhalb Stunden lange Mystery-Horrorthriller schafft es nur situativ, zumindest erahnen zu lassen, für welch genialen Brainfuck das Wort "Shining" steht und wirkt an vielen Stellen mal zu oberflächlich, um anderenorts seltsam ausladend und zäh zu geraten.
Nach relativ chaotischen ersten 20 Minuten ist die rund eine Stunde lange Exposition der neuen Geschichte (Kurzversion: Eine Sekte versucht, Menschen mit dem Shining zu ermorden, um sich selbst daran zu laben und ewige Jugend zu erlangen. Danny Torrance (Ewan McGregor) gedenkt mit einigen Mitstreitern, die Meuchelsekte zu... meucheln.) meines Erachtens noch der überzeugendste Teil des Films, da hier einige intensive Momente entstehen: Mir geht es etwa nahe, wenn Shiny Dan Sterbenden im Hospiz versucht, in ihren letzten Lebensmomenten Mut und Hoffnung zu spendieren; oder wenn der aus "Raum" bekannte Jacob Tremblay dabei gefilmt wird, wie er verzweifelt um sein Leben und gegen die Shining-geile Sekte kämpft. Auch hier hat man schon das eine oder andere Mal das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben (zum Beispiel wird nicht wirklich evident, warum Dan plötzlich als "Doctor Sleep" bezeichnet wird), aber man ist interessiert und berührt. Im weiteren Verlauf dominieren dann leider zunehmend Chaos und Zähflüssigkeit.
Denn vor allem in der zweiten Filmhälfte sieht man sehr viel stylischen Mystery-Brimborium, während auf der anderen Seite das konsistente Storytelling und vor allem die so wichtige psychologische Intensität zunehmend auf der Stecke bleiben. Mit Sektenführerin Rose the Hat (Rebecca Ferguson) hat man zwar zumindest eine sehr coole und top gespielte Figur, McGregor bleibt als Nicholsons Filius aber für sein Erbe viel zu blass - was auch daran liegt, dass er nur wenige Szenen bekommt, in denen ihm überhaupt die Möglichkeit gegeben wird, intensiv zu agieren. Meist jagt er von Straße über Wald zu Hotel, wo viel und zugleich auch relativ wenig passiert. Die neu gefilmten Szenen aus dem Original sind (wie so vieles hier) liebevoll abgefilmt, wirken aber oft wie etwas random eingestreute Leckerlis für "Shining"-Fans. Und wenn McGregor dann den Pickel in die Hand nimmt, liegt das alles leider irgendwo zwischen redlichem Bemühen, unfreiwilliger Komik und Blasphemie. Ohnehin: Das Ende ist weitgehend vorhersehbar und zieht sich dann leider auch wie Kaugummi, weil es nicht gelingt, die große emotionale Bindung mit den Protagonisten aufkommen zu lassen.
Alles in allem macht "Doctor Sleeps Erwachen" schon den Eindruck einer recht typischen King-Verfilmung - aber typische King-Verfilmungen sind halt meist irgendwo zwischen schlecht, geht so oder maximal ganz nett angesiedelt. Die vor allem psychologische Intensität und der Wahnsinn, die bei Kubrick und mit Nicholson vielleicht sogar eine Spur zu omnipräsent waren, fehlen hier leider an diversen Ecken und Enden, womit diese Fortsetzung leider bei mir das wurschtige Achselzucken auslöst, das ich befürchtet hatte. Der Film ist nicht schlecht, hat einige wenige schöne Momente (auch die Neuauflage der legendären Bar-Szene hat mir gefallen) und ist vor allem unheimlich darum bemüht, Kubrick und King gleichermaßen gerecht zu werden. Letztlich kommt dabei aber nicht viel Sehenswertes herum, sodass der Streifen nicht nur an den Kassen, sondern auch inhaltlich eine Enttäuschung darstellt.
5/10
Fohlen