- So 6. Feb 2022, 20:56
#1560913
Der Rausch (2020)
Vier Lehrer stecken in der Midlife-Crisis und versuchen ihrem Leben einen neuen Sinn zu verleihen, indem sie der (vermeintlichen) Hypothese des norwegischen Wissenschaftlers Finn Skarderud nachgehen, der Mensch habe permanent 0,5 Promille zu wenig Alkohol im Blut, um das Optimum an Entspannung, Glück, Kreativität und sozialer Interaktion zu erreichen. Drum trinken sie sich nun diesen Pegel an und merken erstaunt, dass sie nicht nur deutlich passionierter unterrichten, sondern auch im Privatleben erloschen geglaubte Feuer zurückentfachen - bis ihnen irgendwann die 0,5 Promille nicht mehr reichen...
Mich hat der Ansatz des Films von Beginn an interessiert, auch weil ich selbst hin und wieder den Eindruck habe, mit einem sehr moderaten Pegel unverkrampfter, offener und einfallsreicher zu agieren. Insofern halte ich es für den einzig interessanten Umgang mit der Thematik, weder in unkritische Sucht-Jubelarien auszubrechen noch einen moralinsauren "Trinken ist böse"-Film zu inszenieren, sondern Rausch und Sucht mit der Ambivalenz zu behandeln, die ihnen ohnehin innewohnt. Und das gelingt diesem Film meisterhaft - vor allem gegen Ende, als man den vorhersehbaren Werdegang der Handlung decodiert zu haben glaubt und in der finalen Szene dann doch noch einmal überrascht wird.
Weniger gut hat mir hingegen die Exposition gefallen, in der ich deutlich zu viele und zu leichte Klischeebilder des unmotivierten Lehrers gesehen habe, der seine Schüler "so richtig mit Referaten zuballern" will. Auch dass vier Lehrer, die zumindest teilweise sogar die Oberstufe unterrichten, der (übrigens auch noch falsch wiedergegebenen) These eines Wissenschaftlers ziemlich unkritisch folgen und allesamt auf einmal nicht mehr uninspirierten "Dienst nach Vorschrift" schieben, sondern vor Geistesblitzen nur so strotzen, was die gleichgeschaltete und persönlichkeitsarme Schülermenge unisono zu Jubelstürmen und frenetischem Applaus im Unterricht verleitet, ist mir zu plakativ und platt. Hier habe ich von einem Cannes- und Oscar-Gewinner deutlich mehr erwartet.
Somit ist "Der Rausch" für mich alles in allem ein gelungener Film, der sein Thema ernst nimmt, natürlich mit einem gewohnt starken Mads Mikkelsen aufwartet, einige sehr interessante musikalische Einlagen zu bieten hat und zum Ende hin immer stärker und intensiver wird. Bei der Figurenzeichnung hätte ich mir allerdings mehr Tiefgang gewünscht, vor allem das hier gezeigte Lehrer- und Schülerbild hätte für meinen Geschmack viel differenzierter und ausgefeilter sein müssen. Hinzu kommt, dass mir die Folgen des Rausches auf die vier Protagonisten zu stark nach Drehbuch "aufgeteilt" wirken. Das alles hat mir die Freude an dem Streifen doch etwas mehr verleidet, als ich im Vorfeld gedacht hätte.
7/10
Fohlen
Vier Lehrer stecken in der Midlife-Crisis und versuchen ihrem Leben einen neuen Sinn zu verleihen, indem sie der (vermeintlichen) Hypothese des norwegischen Wissenschaftlers Finn Skarderud nachgehen, der Mensch habe permanent 0,5 Promille zu wenig Alkohol im Blut, um das Optimum an Entspannung, Glück, Kreativität und sozialer Interaktion zu erreichen. Drum trinken sie sich nun diesen Pegel an und merken erstaunt, dass sie nicht nur deutlich passionierter unterrichten, sondern auch im Privatleben erloschen geglaubte Feuer zurückentfachen - bis ihnen irgendwann die 0,5 Promille nicht mehr reichen...
Mich hat der Ansatz des Films von Beginn an interessiert, auch weil ich selbst hin und wieder den Eindruck habe, mit einem sehr moderaten Pegel unverkrampfter, offener und einfallsreicher zu agieren. Insofern halte ich es für den einzig interessanten Umgang mit der Thematik, weder in unkritische Sucht-Jubelarien auszubrechen noch einen moralinsauren "Trinken ist böse"-Film zu inszenieren, sondern Rausch und Sucht mit der Ambivalenz zu behandeln, die ihnen ohnehin innewohnt. Und das gelingt diesem Film meisterhaft - vor allem gegen Ende, als man den vorhersehbaren Werdegang der Handlung decodiert zu haben glaubt und in der finalen Szene dann doch noch einmal überrascht wird.
Weniger gut hat mir hingegen die Exposition gefallen, in der ich deutlich zu viele und zu leichte Klischeebilder des unmotivierten Lehrers gesehen habe, der seine Schüler "so richtig mit Referaten zuballern" will. Auch dass vier Lehrer, die zumindest teilweise sogar die Oberstufe unterrichten, der (übrigens auch noch falsch wiedergegebenen) These eines Wissenschaftlers ziemlich unkritisch folgen und allesamt auf einmal nicht mehr uninspirierten "Dienst nach Vorschrift" schieben, sondern vor Geistesblitzen nur so strotzen, was die gleichgeschaltete und persönlichkeitsarme Schülermenge unisono zu Jubelstürmen und frenetischem Applaus im Unterricht verleitet, ist mir zu plakativ und platt. Hier habe ich von einem Cannes- und Oscar-Gewinner deutlich mehr erwartet.
Somit ist "Der Rausch" für mich alles in allem ein gelungener Film, der sein Thema ernst nimmt, natürlich mit einem gewohnt starken Mads Mikkelsen aufwartet, einige sehr interessante musikalische Einlagen zu bieten hat und zum Ende hin immer stärker und intensiver wird. Bei der Figurenzeichnung hätte ich mir allerdings mehr Tiefgang gewünscht, vor allem das hier gezeigte Lehrer- und Schülerbild hätte für meinen Geschmack viel differenzierter und ausgefeilter sein müssen. Hinzu kommt, dass mir die Folgen des Rausches auf die vier Protagonisten zu stark nach Drehbuch "aufgeteilt" wirken. Das alles hat mir die Freude an dem Streifen doch etwas mehr verleidet, als ich im Vorfeld gedacht hätte.
7/10
Fohlen