- Mi 20. Jun 2007, 12:14
#326920
Ich möchte an dieser Stelle mal auf einen "Leserbrief" antworten, der nicht wirklich ein Leserbrief ist. Da mir aber auch keine Kontaktdaten bekannt sind, mache ich es auf diesem Wege hier im Forum:
Lieber Lars Heyne,
ich habe heute viel von Ihnen gelernt. Zunächst einmal dachte ich früher immer, dass man Leserbriefe an den Redakteur oder die Redaktion schickt, an die man sich wenden will.
Sie sprechen von "Verschwörungstheorien", was ich sehr amüsierend finde. Weil ich überhaupt keine Verschwörungstheorien aufstelle und sowohl Stefan Niggemeier als auch ich mehrfach im Web selbst solche Theorien kritisiert und als überzogen dargestellt habe. Offenbar haben Sie da nicht aufmerksam gelesen und/oder sind nicht im Thema.
Wenn bei einer Preisverleihung (bei der die Gewinner sonst vorher nicht bekannt sind) die Gewinner vorher bekannt gegeben werden, ist das mit Sicherheit die größte Peinlichkeit die passieren kann. Eben der größte anzunehmende Unfall. Der ist nun einmal passiert.
Die von Ihnen "schnell erklärten Vorwürfe" umfassen eben auch die zwei sehr umstrittenen Nominierungen. Sehr interessant ist ja, dass sie mir vorwerfen den Kern des Fauxpas nicht zu treffen, aber selber nicht mehr als an der Oberfläche kratzen. Da behauptet Lars Heyne einfach mal, dass die Erklärungen von Uwe Kamann glaubhaft waren. Schön, aber wie kommen sie darauf? Wieso sind die Erklärungen glaubhaft?
Ich könnte jetzt das Fass aufmachen und sagen, dass man die Aussagen seines ehemaligen Chefs vielleicht immer eher für glaubhaft hält. Aber so einfach sehe ich das nicht. Nur ist es köstlich, dass ich jetzt lesen darf, wir würden den Grimme Online Award zu hart angehen - wo vor zwei Wochen noch genau das Gegenteil zu lesen war.
Sie sprechen vom "inhaltlichen Fokus" der Auszeichnung. Nur ist es gerade das, was dem Preis völlig fehlt. Und gerade angesichts der beiden fragwürdigen Nominierungen ist es vielleicht nicht so glücklich von den "Maßstäben der Organisatoren" und "Renommee" zu sprechen. Genau diese Dinge sind eben stark beschädigt. Offenbar hat man beim GOA eines nicht verstanden: Es wirkt fast so als sei dem GOA die Kritik aus dem Web egal. Nur verleiht man dummerweise einen Internetpreis. Da geht es nicht um die Anerkennung und Wertschätzung von Kulturkritikern wie beim Grimme Preis. Es geht darum in dem Umfeld Respekt zu haben, in dem man den Preis verleiht. Und der steht nun einmal auf dem Spiel.
Der Grimme Online Award hat grundsätzlich Probleme: Selbst Sie schreiben von einer "Auszeichnung für Inhalte und Informationen im Internet". Was genau will der GOA eigentlich auszeichnen? Die Kategorien sind schwammig, die Kriterien noch schwammiger. Geht es um eine journalistische Auszeichnung? Oder um eine technische? Was will man eigentlich bewerten? So viele Fragen, die sich auch in diesem Jahr angesichts der Nominierten bzw. Ausgezeichneten stellt. Dabei ist die Kritik am GOA keine Kritik an den teilnehmenden oder augezeichneten Websites. Das möchte ich klar getrennt wissen.
Was aber z.B. zeichnet man bei Stefan Niggemeiers Blog aus? Inhaltlich ein hervorragend unterhaltsames wie informatives Blog. Technisch gesehen 0815 von der Stange, ohne irgendeine persönliche Innovation oder Anstrengung. Hier ist der GOA also ein Journalistenpreis, der die Inhalte ehrt. Die Kommentarfunktion kann man ja nicht ernsthaft als Argument anführen, die existiert standardmäßig in den meisten Blogs.
Sie nennen den Verlust eines Sponsors als große Herausforderung. Nun, dann werden Sie mir zustimmen, dass die nicht endenden Negativschlagzeilen über den GOA nicht förderlich sind, künftig wieder einen größeren Sponsor zu gewinnen. Und wenn das so eine große Bedeutung für den GOA hat, dann würde ich diese Pannenserie in diesem Jahr ohne Zweifel als Super-GAU bezeichnen.
Liebe Grüße,
Thomas Lückerath
