Eisbär hat geschrieben:
Zwei Punkte, auf die man sich glaube ich recht leicht einigen kann. Also schön, sie haben schmerzen und leiden. Na und? In meinen Augen sind es nach wie vor nur Tiere, deren Existenzberechtigung der meinen untergeordnet ist.
Mit einer ähnlichen Argumentation und Arroganz haben Menschen vor nichtmal 70 Jahren auch von nicht existensberechtigten Untermenschen gesprochen.
Den wilden Stämmen in den Kolonien hat man auch, mangels Wertigkeit, maximal zugestanden ihren evolutionär höherstehenden weißen Herrn zu dienen.
Vor 100 Jahren war es undenkbar das Frauen ein Wahlrecht haben.
Vor 30 Jahren war es undenkbar das man den Tierschutz im Grundgesetz verankert oder gar Vorschriften hat wie man Wellensittiche und Hamster halten muss.
Die Schweiz gesteht heute selbst einer Pflanze (!) Würde zu.
Offensichtich ist also der Mensch in der Lage sich evolutionspsychologisch weiter zu entwickeln, der - was man in den letzten Jahrzehnten gesehen hat - auch dem Tier mehr und mehr Rechte zuspricht.
1. bevor du ein Wort wie evolutionspsychologisch verwendest, sieh doch bitte zu, dass du eine Ahnung hast, was es bedeutet. Das ist in Wikipedia-Zeiten nun wirklich nicht mehr zu viel verlangt.
2. Hab ich ein bisschen ein Problem damit, dass du mich mit Nazis und Sklavenhaltern vergleichst. Das ist nicht nur weit unter der Gürtellinie sondern auch weit, weit weg von unserem Thema. Deine drei Beispiele (Sklaverei, Holocaus, Frauenunterdrückung) beziehen sich allein auf Menschen! Wir reden hier aber von Tieren. An keiner Stelle würde ich jemals bestreiten, dass der Mensch kein Recht hat einem anderen Menschen die Würde zu rauben. Warum? Weil sie gleich geboren sind und ihre Leben, so wie ihre Würde den selben Wert haben. In der Hierarchie allen Lebens stehen sie auf der selben Stufe. So manch ein Mensch in der Vergangenheit (und teils auch heute noch nicht) kriegt es eben nicht auf die Reihe, dass Hautfarben, Herkünfte und Volkszugehörigkeiten absolut nichtig sind, im Angesicht der Tatsache dass wir alle der selben Rasse angehören. Wer versucht da Leute aus der Rasse Mensch rauszudefinieren glaubt wahrscheinlich damit persönliche Probleme zu lösen, die sich mir gar nicht stellen. Einfach weil es da anatomisch/biologisch keine Definitionsunsicherheit gibt.
Dein Vergleich dieser historischen Schandflecke mit meiner Argumentation ist damit völlig unzutreffend. Tiere sind keine Menschen. Auch das ist unzweifelhaft feststellbar. Das ist eine banale Tatsache, aber manchmal hab ich das Gefühl sie wird vergessen oder ausgeblendet von Leuten, die so gerne mehr darin sehen wollen.
Eisbär hat geschrieben:
Nimmt man dazu noch die Nahrungskette und schaut sich mal an, wer die Welt als Spezies dominiert, ist die Frage nach einer Hierarchie der Existenzberechtigungen schnell beantwortet: der Mensch.
Der Mensch gestattet sich ebenso der Natur eigentlich zuwiderlaufende Angewohnheiten, z.B. Schwache und Kranke durch zu füttern oder ins Ökosystem nach belieben einzugreifen.
Dann kann sich der Mensch auch die Frage stellen ob er das was er isst achtet und als Wert begreift.
Mööp! Falsche Behauptung: der Mensch ist evolutionär belegbar ein soziales Lebewesen, das schon weit vor der Erfingung der Sprache Kranken und Schwachen Artgenossen geholfen hat. Und den reinen Naturzustand, in dem er nicht in deinem Sinne ins Ökosystem eingegriffen hat, hat der Mensch in dem Augenblick verlassen, als er zum Kultur- und Zivilisationswesen wurde. Seitdem sind die Arten der Eingriffe ins Ökosystem wie auch das soziale Netz, das sich aus den frühmenschheitlichen kleinen Sippen entwickelt hat, einfach nur unglaublich viel komplexer geworden.
Ebenso falsch: Nahrung wird sehr wohl geachtet und als Wert begriffen. Nur nicht in diesem romantisierten Bild wie du das gerne hättest - wo man sich vor dem ersten Bissen Fleisch gemeinsam an den Händen hält und eine Träne der Dankbarkeit vergießt für das arme Wesen, das sein Leben gab, um uns zu nähren. Warum sollte ich das tun? Meine Art liegt in der Evolution gerade in Führung, wir haben uns das Recht verdient, über die niederen Arten gemäß unserer Bedürfnisse zu verfügen. Und wir können nunmal klar Bedarf an Fleisch anmelden: das war schon immer ein Teil der Ernährung des Menschen und es gibt keinen ersichtlichen Grund davon abzuweichen. Fleischkonsum ist genauso natürlich wie Sex - auch eine Tatsache mit der viele Menschen ihre prüden kleinen Probleme haben, was aber nichts an den Fakten ändert. Jedes Lebewesen dieser Welt hat seine Beute. Warum soll sich der Mensch in diesem Punkt von seiner Natur entfremden?
Eisbär hat geschrieben:
Warum ist das Leben von rein für die Ernährung herangezüchteten Tierern schützenswert?
Mir ist kein Masttier bekannt wo man die Psyche oder die Ur-Instinkte herauszüchten konnte.
Das sehe ich auch nicht als notwendiges Kriterium an. Urinstinkte hat doch jedes Lebewesen. Aber das ist schlicht Biochemie. Ein Mechanismus. Drücke hier und es quiekt, klopfe hier und ein Bein schnellt hoch. Wäre das ein entscheidendes Kriterium müsstest du alles, von unserem Speiseplan streichen, was in irgendeiner Weise Sinneseindrücke aufnehmen kann oder in jedweder Art Nervenenden hat. Damit wären dann sogar Pflanzen vom Tisch - buchstäblich. Instinkte kann also nicht zählen. Die sind ja nicht mehr als das Betriebssystem eines jeden Lebewesens.
Bleibt also die Psyche. Da wirds extrem schwierig, weil Menschen dank ihrer Fähigkeit zur (Selbst)Erkenntnis und dem sozialen Umgang gewohnt sind, sich in ihren Gegenüber hineinzuversetzen und einen mehr oder weniger großen Anteil seines Verhalten (bewusst und unterbewusst) zu deuten, um sich ein Bild seiner Psyche zu machen, das man mit der eigenen vergleichen kann. Dieses Verhalten übertragen viele Menschen auch auf ihre Tiere (ich erwische mich bei meiner Katze dabei regelmäßig) und überinterpretieren dann automatisch. Instinktverhalten wird als willentliche Entscheidung gedeutet und schon ist man drauf und dran dem Tier psychologische Tiefe in der Definition eines Menschen zu geben. Das ist aber nicht so.
Es ist eigentlich kein Unterschied, ob du deine Hauskatze isst oder ein Hendl vom Merkur. Wenn es da wirklich einen Unterschied gibt, kann man kaum sagen, dass man davon überzeugt ist, dass Tiere zum Essen da sind, nichts fühlen etc. Kein Problem damit, ein "fremdes" Huhn zu essen ist dann einfach ein Ignorieren der eigentlichen Problematik, weil man sich damit emotional auch nicht damit auseinander setzen muss.
Oh doch, es gibt einen Unterschied und trotzdem kann ich sagen, dass Tiere zum essen da sind. Ich greife mal mein Beispiel von weiter oben auf: Ich würde das Hausschwein eines Freundes nicht essen. Aber nicht um des Tieres Willen. Wenn es nur um das Verhältnis zwischen mir und dem Tier geht, habe ich in meinen Augen das Recht es für sein Fleisch zu töten. Im Fall von Haustieren ist das ja aber nicht alles. Da hängt auch immer noch ein Besitzer mit dran und der ist ein Mensch. Dieser Mensch hat vielleicht eine emotionale Bindung an das Tier aufgebaut und projeziert eine Psyche da hinein - wie grade beschrieben ein häufiges Verhaltensmuster, das auch gar nicht zu verurteilen ist, solange man das immer wieder kritisch hinterfragt und dem nicht zu hohe Bedeutung zumisst. In jedem Fall aber würde ich das Recht, die Würde und sicher auch die Gefühle eines Mitmenschen verletzen, wenn ich sein Haustier töte. Darum sind Haustiere schon ein Unterschied zum Hendl vom Merkur und auch ohne etwas zu ignorieren oder auszublenden.
Übrigens würde mich wirklich interessieren, woher ihr alle wisst, wie sich Tiere in der und der Situation fühlen. Woher wollt ihr (nicht) wissen, dass ein Rind (nicht) unglücklich ist, wenn sein Rindernachbar stirbt?
Müsste man die Frage nicht zuerst den Tierschützern stellen? Ihr legt doch bei eurer ganzen Argumentation zu Grunde, dass sich ein Tier in Massenhaltung schlecht fühlt - folglich seid ihr doch Tierschützer die ersten, die von sich glauben in die Köpfe der Tiere schauen zu können. Wäre gespannt woher die Tierschützer ihre Einsichten in die Tiere beziehen und bitte darauf auch mal um Antwort.
Zu meiner eigenen Erwiederung: Ich mutmaße. Das allein ist natürlich als Grundlage absolut nicht hinreichend, aber dessen bin ich mir bewusst. Zum Glück spielt das keine Rolle für mich, da ich ja bereits erläutert habe, dass es völlig irrelevant ist ob das Tier leidet. Der Nutzwert für den Menschen wird dem Leben und Tod des Massentiers klar übergeordnet. Ich habe ebenfalls bereits erklärt, auf welcher Grundlage wir uns das Recht dafür nehmen, und halte die weiter für konsequent und einleuchtend. Da beide Seiten keine faktische Sicherheit über das emotionale Befinden und Urteilen eines Tieres zu seiner Haltung in Fabrik oder eben auf dem glücklichen Bauern oder in der freien Wildbahn erlangen können, ist also auch ein Leiden nur gemutmaßt. Mutmaßliches Leiden unterliegt den überlegenen Ansprüchen des Menschen noch viel deutlicher als faktisch festgestelltes.
Ist es nicht fragwürdig, dem Tier schon vor seiner Zeugung einer Bestimmung zu unterwerfen?
Uff, ist dir bewusst wohin diese Frage überall führt?
Der Dirkurs erstreckt sich dann weiter über die Aussaat bei Pflanzen (hier schließt sich der Kreis zum Begriff Fleischernte aus dem Ausgangsartikel) bis hin zur berüchtigten "Eiskunstlaufmutter".
Um das abzukürzen gehen wir mal in den Umkehrschluss: was ist die Alternative? Nur Tiere jagen, die in freier Wildbahn geboren sind, nur Pflanzen abernten, die in freier Natur gewachsen sind? Da sind wir wieder bei den nostalgischen Anachronismus- und Atavismusforderungen ala "back to the roots". Nur geht das bei unserer Bevölkerungsdichte der Welt nicht mehr.