vicaddict hat geschrieben:Ich weiß ja nicht wie das völkerrechtlich geregelt ist, aber da die Region zu Georgien gehört ist die erste Agression doch von Russland ausgegangen, die immerhin Truppen dorthin entsandt haben. Das Georgien darauf reagiert hat, ist ja mehr oder weniger nur die Konsequenz...
Ich glaube, beide Seiten nehmen sich da nicht viel. Zwar kann Russland immer die moralische Karte spielen und behaupten, die Osseten wollten doch unbedingt zu ihnen gehören, sie übergehen damit allerdings geltendes Völkerrecht und die territoriale Macht Georgiens, zu dem die Provinz nun einmal immer noch gehört. Georgien hingegen geht bewaffnet vor, führt wohlmöglich, was ich aber nicht glaube, ethnische Säuberungen durch und beschießt eine unevakuierte Stadt.
Eines aber kann ich beim besten Willen nicht verstehen: Wenn Saakaschwili tatsächlich mit Georgien in die NATO will und gleichzeitig plant, Anti-Russen-Stimmung im Westen zu verbreiten, warum geht er dann so ein Abenteuer ein und lässt sich wohlmöglich noch die Rolle des Aggressors zukommen? Vor dem Irakkonflikt hätte er sicherlich mit mehr US-amerikanischer und westlicher Unterstützung, besonders diplomatischer Art, rechnen können. Mittlerweile herrscht aber auf der Welt eine derartige Kriegsverachtung (immer mit dem Blick nach Washington gerichtet), so dass er sich eigentlich hätte denken können, dass er sich selbst isoliert. Des Weiteren würde sich wohl keiner aus dem Westen freiwillig mit den Russen anlegen wollen. Deren Land vergammelt zwar teilweise innerlich, aber Energieindustrie und Militär sind immer noch supermachtverächtig.
Egal also, wie der Konflikt ausgehen wird, Russland hat eigentlich schon gewonnen. Wenn es nicht gegen die USA geht, gibt es keinerlei Antikriegsdemonstrationen aus dem Westen, die das Image großartig gefährden. Wie oben erwähnt können sie zudem die moralische Karte spielen und es wird sich keiner mit ihnen anlegen, da sie wirtschaftlich wichtig und militärisch stark sind. Letzten Endes verlieren die Russen noch nicht einmal wirklich Territorium und haben so sogar noch die Möglichkeit eine weitere Provinz "zurück ins Reich" zu holen. Wenn's nicht klappt - egal. Saakaschwili hingegen wird auf diplomatischer Ebene fast alles verlieren, was er aufgebaut hat.
Eisbär hat geschrieben:Frieden unter anderen Umständen, oder was?
Sicherlich nicht. Allerdings hat meiner Meinung nach ein Krieg immer noch eine ganz andere Größenordnung und ist mit größtenteils offenen Gefechten zwischen zwei Staaten verbunden und nicht mit Guerilla-Taktik und Ausharren, was diese zusätzlichen Optionen grundsätzlich nicht ausschließt (so gesehen im Vietnamkrieg). Wie gesagt, man muss wohl erst einmal abwarten, ob sich hier noch ein Krieg entwickelt und sich in diesem Moment wirklich die Soldaten zweier Staaten Gefechte liefern. Unglücklicherweise erfährt man so gut wie nichts darüber und CNN scheint dem Boulevard-Rausch verfallen zu sein und John Edwards' außereheliche Affäre interessanter zu finden als die Auseinandersetzungen in Georgien, ganz zu schweigen von unseren "Nachrichtensendern" - BBC World ist noch ganz in Ordnung. Was den Irakkonflikt angeht, so war das, was wir vom 20. März - 01. Mai 2003 gesehen haben, durchaus eine kriegerische Auseinandersetzung. Aber nun soll dies hier nicht zu einem Definitionsthread zum Thema Krieg werden.