- Fr 25. Sep 2009, 16:52
#723118
WOW, das war unglaublich gut. Wahrscheinlich der beste Pilot, den ich je gesehen habe. Da hat einfach alles gestimmt.
Vor allem das pacing der Handlung war Meisterklasse. Ungeheuer präzise platzierte Tempowechsel in der Erzählung und eine extrem effizient gebaute Charaktereinführung in den ersten paar Minuten. Nahtlos werden vom Aufstehen bis zum Flash Forward alle wichtigen Rollen angetippt, fast wie eine Baumstruktur aus Dominosteinen sind die sehr kurzen Szenen miteinander verkettet und Rollen das Startgefüge des Maincast aus. Noch besser daran ist, dass diese fast Miniszenen auch noch exzellente Charakterisierungen beinhalten. Von fast jedem war da ein prägnanter Moment drin, der für spätere Szenen gleich einen guten Eindruck von der Rolle vermittelt. Der sehr gute Schnitt hat das noch verstärkt.
Und während dieser ganzen ransant-effizienten Cast-Exposition wird auch schon schleichend ein Gefühl aufkommender Bedrohung verbreitet. Diese Wolkenfront vom Meer am Pier, die anschwellende Musik und vor allem die raffinierte Farbgebung der Szenen. Von wohlig warmen Orangetönen am Morgen schwenkt das von Minute zu Minute mehr in kalte blau und grünnuancen über. Brillante Cinematographie schon in diesen paar Minuten. Und gerade als mir diese Suspense-Elemente immer bewusster wurden, wird man von einer starken Actionsequen in Form der Verfolgungsjagd ziemlich davon abgelenkt bis die cuts über alle Charaktere gehen und die eigentlich dominierende Autojagd plötzlich in den Flash Forward Climax umstürzt. Ich sags nochmal: geniales pacing!
Dann der Flash Forward selbst:
Foreshadowing wie im Lehrbuch, was wir da durch Charlies Augen sahen. Hat mich ein bisschen an an die 6 Month Later Szenen aus dem Damages Pilot erinnert und eine ähnlich intensive Stimmung aufgebaut.
Beim Erwachen wird es erst richtig spektakulär: holy shit waren das beeindruckende Szenen. Zuerst nur kurze, blitzartige Eindrücke des unmittelbar nahen Chaos, dann die fette Explosion und erst dann weitet sich der Blickwinkel von Mark und wir das Stadtweite Ausmaß der Katastrophe. Okay, da waren ein paar Sachen unrealistisch. In 3 Minuten entstehen nicht dermaßen viele Brände dieser Größe und für solche Rauchsäulen brauchts auch länger. Aber zum Teufel damit: es sah spektakulär aus! Tolle Effekte und wirklich beklemmend.
Von da an war ich in jeder Minute beeindruckt wie durchdacht die Show viele logische Konsequenzen miteinkalkuliert und sehr intelligent die globale Wirkung dieses Ereignisses beleuchtet: die ertrunkenen Schwimmer und Surfer am Pier (toll übrigens als der Suizid-Doc dort aufgestanden ist. Die Einstellung war fast ein Motiv-Medley aus Goyers Dark City), die gecrashten Flugzeuge und Helis weltweit, die Operationen, die Autounfälle.
Auch bei der Bewältigung und Aufklärung fand ich die Ideenfindung ebenso kreativ wie realistisch umgesetzt: prüfen wir die These einer Zukunftsvision mit einem Anruf bei der Kollegin, bauen wir eine Website, wo alle ihre Puzzlestücke eintragen können, stückeln wir uns gezielt die Zeitung von in 6 Monaten zusammen. Toll auch die Idee mit den Gehirnscans während dieser Zeit und natürlich der Cliffhanger mit dem Videoband.
Nach den Katastrophenfilmszenen hat der Pilot auch wunderbar die Kurve gekriegt das Geschehen wieder mehr auf die Charaktere zu fokussieren und ab dem Moment wo man offen über die Flash Forwards gesprochen hat, hat das auch eine sehr private Dimension bekommen, in der gleich viele tolle und spannende Varianten gefunden wurden. Wer keinen Flash Forward hatte, hat auch keine Zukunft? Hui, harter Tobak. Kann aber auch sein, dass Marks Partner lügt. (die Option sich beim teilen seiner Visionen zu belügen und besser darzustellen wurde ja auch schon angerissen und bietet ebenfalls viel Potential) Ebenso die Sache mit der Affäre und dem Trinken. Die Frage nach der beinflussbarkeit der Zukunft ist zwar nicht neu und wird zwar gerade erst bei Lost wieder sehr aktiv behandelt, aber Flash Forward steigt da von Anfang an sehr stark in dieses Thema ein und arbeitet selbst auf kleinster Detailebene mit ungemein dichtem Foreshadowing wie dem Armband der Tochter.
Bin restlos begeistert. Das war nahezu perfekt und hat mich echt umgehauen. Ich hoffe mal Goyer hat hier mehr Glück als mit dem (zu unrecht) gefloppten Blade. Dass ich weiter dran bleibe, versteht sich nach meiner euphorischen Kritik hier wohl von selbst. Hoffentlich haben sie auch schon eine gute Auflösung für das ganze parat und einen ordentlich gesetzten Langzeitplan für die Story. Und hoffentlich können die folgenden Episoden das Niveau annährend halten. An Action und Effekten wird man sicher nicht auf Dauer so klotzen können, aber wenn die Drehbücher weiter so gut werden, könnte ich ein ziemlich großer Fan werden. Das Potential hat die Show auf jeden Fall. Kamera, Effekte, Cast, Schnitt, Musik, Dialoge - alles oberste Güteklasse. Man merkt dass ABC hier eine neue Mystery-Prestigemarke etablieren will, um nächstes Jahr die großen Fußstapfen von Lost auszufüllen.
Achja, natürlich: 10/10
"And in that moment, I swear we were infinite."
