#892539
Hallo Ihr Lieben!

An dieser Stelle werd ich in unregelmäßigen Abständen Kapitel aus meinem Roman posten. Am Ende jedes Kapitels stehen Lesegruppenfragen und ich würd mich sehr freuen, wenn ihr mir diese beantwortet. :)

In Kapitel 1 lernten wir Philipp kennen, einen Studenten, gegen den ein Haftbefehl vorliegt, der nun von zwei ziemlich unsympthischen Polizisten vollstreckt wird.
versteckter Inhalt:
Ich heiße Philipp und bin 27 Jahre alt.
Ich habe dunkelblonde Haare, blaue Augen, bin mittelgroß und mittelschlank.
Ich komme aus einem guten Elternhaus. Einem sehr guten sogar. Mein Vater ist Direktor eines Gymnasiums, meine Mutter Fremdsprachenkorrespondentin.
Ich bin eingeschrieben an der Universität in Dortmund, Lehramt.
Ich werde irgendwann in die Fußstapfen meines Vaters treten, das ist der Plan.
Ich komme mit meinem Studium gut voran, mittlerweile.
Ich habe selbstverständlich Partys gefeiert, Vorlesungen geschmissen, Prüfungen verhauen. Was man halt so macht.
Ich habe nicht viele Freunde, dafür sehr gute.
Ich habe viele Bekanntschaften, dafür sehr oberflächliche.
Ich habe einen festen Freund. „Ich bin schwul und das ist auch gut so“, nicht wahr?
Ich habe einen Nebenjob, der mir Spaß macht.
Ich verdiene genug Geld, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, kann aber nicht damit umgehen.
Ich trinke gerne eiskalte Cola und habe eine ungesunde Vorliebe für Fast Food.
Ich lese viel, am liebsten Krimis.
Ich höre gerne Musik, am liebsten laute.
Ich mag Fußball.
Ich habe eine schicke Wohnung, groß genug, um sie alleine stressfrei sauberhalten zu können.
Ich bin im Grunde recht normal und dabei ziemlich glücklich.

Ich bin zur Zeit Häftling der JVA Castrop-Rauxel.


Sie haben mich abgeholt, als ich aus der Dusche kam. Es war an einem Donnerstag Ende Oktober, kurz nach der 20 Uhr-Tagesschau.
Ich hörte die Klingel schon, als ich unter der Dusche stand. Normalerweise hätte ich dem keine Beachtung geschenkt, aber meine Klingel ist schrill und laut und ich wollte nur, dass es aufhört. Nur, dass Sie Sich das besser vorstellen können: meine Klingel hört sich genauso ekelhaft schrill und laut an, wie alle Klingeln in deutschen Fernsehfilmen.
Als ich das Wasser abdrehte, hörte ich sie klopfen. Und rufen. „Herr Stenzel?“ Ich brüllte zurück, dass ich ja schon käme. Schnell, sehr notdürftig trocknete ich mich ab und band mir das Handtuch um die Hüften.

Vor mir standen zwei Polizisten, beide hielten ihre Ausweise hoch, oder was immer Polizisten so hochhalten. Ich hab da nicht so genau drauf geachtet. Zumindest sahen sie aus wie Polizisten. Leider redeten sie auch so. Also – sie sagten das, was Polizisten halt so sagen, wenn sie nicht bloß einen Kaffee bei dir trinken wollen.
„Herr Stenzel?“ Der Polizist war größer und viel breiter als ich, guckte angestrengt grimmig und trat schon mal ein. Ich machte keine Anstalten, etwas zu sagen, ich war zu konsterniert und nahm außerdem sowieso an, er hätte wohl jedes Recht, einfach so meine Wohnung zu betreten.
„Herr Stenzel, gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor. Ziehen Sie Sich was über.“ Der Polizist ging meinen Flur entlang, öffnete erst die Tür zur Küche, dann zum Schlafzimmer. „Na los jetzt.“
Ich hatte keine Chance. Was hätte ich machen oder sagen sollen? Ich wusste von dem Haftbefehl. Formell war sicher alles in Ordnung, aber sonst eben nicht. Das war nun aber bestimmt nicht die Zeit, mit den beiden Herren darüber zu diskutieren. Sie sahen auch nicht aus, als wollten sie diskutieren.
Ich folgte dem größeren der Polizisten in mein Schlafzimmer, der andere kam hinterher, ein kleiner, hagerer Mann mit schütteren Haaren, den ich auf eine merkwürdige Weise noch unsympathischer fand als seinen Kollegen. Der machte schon meinen Kleiderschrank auf, holte eine helle Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt raus. „Anziehen. Schuhe sind im Flur?“ Ich stotterte eine Bestätigung. „Ist sonst noch jemand in der Wohnung?“ Ich schüttelte den Kopf. Nur nicht zuviel reden.
„Wir waren heute früh schon mal hier.“ Ich hielt an meiner schweigsamen Strategie fest. Ich war am Vormittag nicht dagewesen, aber hätte ich gewusst, dass man mir das jetzt zum Vorwurf macht, hätte ich vielleicht doch lieber entsprechendes angedeutet.
„Sie haben absichtlich nicht geöffnet, was?“ – „Sie wollten wohl der Verhaftung entgehen?“ Das war der andere.
Ja, verdammt nochmal, am liebsten wäre es mir tatsächlich gewesen, ich hätte der Verhaftung entgehen können. Na gut, die Chance war da. Wie gesagt: der Stellungsbefehl zur JVA Castrop-Rauxel lag auf meinem Schreibtisch. Kam zwei Wochen vorher an, ungefähr. Aber da ich ja erstens unschuldig, zweitens schluderig und faul und drittens ein Verdrängungskünstler bin, hab ich dem keine Beachtung geschenkt. Wie bitte? Ich hätte einen Anwalt einschalten können? Ja, hab ich ja. Nur zu spät. Als der Stellungsbefehl längst raus, die Sache hochoffiziell war. Was? Ich hätte doch vorher schon was machen können, so eine Verhaftung mit allem Drum und Dran kommt ja nicht aus dem blauen Dunst heraus? Ja, Mann, hinterher ist man immer schlauer.

Ich war angezogen und warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel im Schrank. Ja, doch, ich sah jetzt wirklich aus wie ein Verbrecher. Haare strubbelig, unrasiert, auf dem Shirt das Wahrzeichen des FC St. Pauli, der Totenkopf. So hätte man mich theoretisch auch auf der Straße festnehmen können, irgendwo in der Nähe des Jungenstrichs am Hauptbahnhof. Immerhin war ich frisch geduscht. Der kleine Hagere holte Handschellen aus seiner Jacke. Was zum Teufel? Der andere drehte mich mit dem Körper zur Wand, ich stützte mich an ihr ab, während er mich abtastete. Was sollte das denn nun noch? Er war doch die ganze Zeit dabei, als ich mich anzog.

Die Handschellen klickten und stachen schon nach wenigen Momenten unangenehm in die Haut. Der Hagere führte mich am linken Arm in den Flur, der Breite inspizierte noch schnell das Wohnzimmer und das Bad. Er kam in den Flur, als ich grad in meine weißen Turnschuhe schlüpfte. „Portemonnaie, Schlüssel?“ Ich sagte ihm, wo er alles finden konnte und er nahm die Sachen an sich, der Hagere wandte sich mit mir zum Gehen. „Schauen Sie Sich nochmal kurz um, Sie werden ihre Wohnung während der Haft ja vermutlich verlieren.“ Der Andere grinste zur Bestätigung: „Ja, acht Monate können lang werden.“ Sehr komisch.

Als wir durchs Treppenhaus gingen, standen vereinzelt Nachbarn an den Wohnungstüren, draußen vor dem Haus parkte ein Polizeiwagen. Ich saß hinter dem Beifahrersitz, der Breite neben mir. Vor dem Einsteigen sprach er ins Funkgerät: „Freiwald hier. Wir haben Herrn Stenzel verhaftet.“ Zu seinem Kollegen am Steuer sagte er: „Und los geht´s.“ Dabei lachte er. Der Hagere drehte sich zu mir um: „Sie haben uns soviel Ärger gemacht, jetzt machen wir Ihnen Ärger.“ Es klang wie ein Versprechen.

Wir fuhren durch die Dortmunder City, die noch immer voller Menschen war, in Richtung Polizeipräsidium. Die Fahrt dauert im Normalfall zehn Minuten, so auch an diesem Abend, aber das war für meine Polizisten gerade lang genug, um mich weiter zu erniedrigen. Keine Ahnung, woher sie das konnten. Aus dem Stegreif kam das jedenfalls nicht. Sie hatten sich das entweder lange vorher überlegt oder schon an anderen armen Würstchen erfolgreich erprobt. Im Nachhinein betrachtet war es vielleicht auch gar nicht so erniedrigend. Aber bedenken Sie bitte, dass ich mich auch in einer Ausnahmesituation befand. Okay, einer selbstverschuldeten. Aber da ist man schonmal empfindlicher.
Ich blickte die gesamte Fahrt über angestrengt nach draußen. Meine Sitzhaltung war unangenehm, die Jogginghose rutschte etwas. Bequemer ging grad nicht, den Handschellen sei Dank. Zu allem Überfluss hatte Freiwald, so hieß er wohl, mir den Sicherheitsgurt auch noch irgendwie genau so angelegt, dass ich mich nichtmal ansatzweise in eine angenehmere Sitzposition bringen konnte.
Erst an der Baustelle zum Dortmunder „U“, dem Wahrzeichen der ehemaligen Unions-Brauerei, fing Freiwald an, mich zu belehren. Er schloss mit der Frage, ob ich wisse, warum ich verhaftet worden sei. Natürlich wusste ich das. (Ihr seid vermutlich schon etwas neugierig. Versteh ich. Aber ich spar mir das noch etwas auf. Ich werde dann aber auch ganz offen und ehrlich zu Ihnen sein. Sie werden gleich, wenn Sie weiterlesen, erfahren, wie es für mich im Gefängnis war. Tiefer sinken geht nicht. Was für einen Grund hätte ich also noch, zu lügen oder nur einen Teil der Wahrheit zu offenbaren? Sehen Sie!)
Ob ich meinen Anwalt sehen wolle, fragte Freiwald. Pff, welchen Anwalt? Sagte ich so natürlich nicht. Ich bin ja nicht blöd. Ich verfolgte weiter die Taktik, möglichst wenig zu reden.
„Möchten Sie jemanden über Ihre Verhaftung in Kenntnis setzen?“ Gute Frage. Über die Antwort dachte ich nicht lange nach. Meine Eltern wussten von nichts, meine Schwester nicht, mein Freund nicht. Wen sollte ich anrufen? Obwohl: jetzt mit jemandem reden könnte durchaus befreiend sein. Also, nicht im eigentlichen Wortsinn. Nur seelisch. Sie verstehen?
„Ja, ich würde gerne meine Eltern anrufen.“ Die würden aus allen Wolken fallen. Freiwald beugte sich nach einer kurzen Pause lächelnd nach vorne.
„Hast du was gehört?“
„Ich hab verstanden, dass Herr Stenzel niemanden anrufen möchte.“
„Ja, ich auch“, ließ sich Freiwald wieder zurück in seinen Sitz sinken. Seine Sitzhaltung hatte irgendwie was obszönes, meinte ich aus den Augenwinkeln wahrzunehmen.
Ähm, Moment mal. Was sollte das eben überhaupt?
„Ich möchte meine Eltern benachrichtigen“, wiederholte ich.
„Ja, ich möchte auch so viel“, seufzte Freiwald lachend. „Anrufe sind heute leider nicht gestattet.“ Als er das sagte, haute er seinem Kollegen auf die Schuler. Sollte ich jetzt noch reagieren? Wurde das von mir erwartet? Ich beschloss, lieber zu schweigen. Die beiden hatten mich irgendwie in der Hand.

Aber sie waren noch nicht am Ende.
„Der Form halber, Herr Stenzel, wir müssen eine erkennungsdienstliche Untersuchung vornehmen. Sind Sie damit einverstanden?“
Untersuchung, was?
„Was ist das?“
„Fingerabdrücke. Ein paar Fotos.“
Solche Fotos kannte ich aus dem Fernsehen. Die Häftlinge hielten alle ein schwarzes Schild mit einer Nummer drauf vor der Brust. Normalerweise hätte ich das wohl cool gefunden, aber irgendwie stand mir an diesem Abend nicht der Sinn danach. Eine Wahl hatte ich aber wohl auch nicht.
„Okay.“
„Bitte?“
„Okay, machen wir.“
Gleiches Spiel wie vorhin. Freiwald beugt sich nach vorn, ob sein Kollege was gehört hat. Hat er. Leider wieder genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich gesagt habe. Ich nahm mir vor, bei der nächsten Frage, direkt mit „Nein“ zu antworten.
„Sie weigern sich also, soso.“ Ich spürte, wie Freiwald mich ansah.
„Nein, ich …“
„Wir müssen das natürlich vermerken und der Staatsanwaltschaft mitteilen.“
Ich fügte mich in mein Schicksal.
„Was passiert dann?“
„Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es eine richterliche Verfügung geben und dann müssen Sie zwangsweise Fingerabdrücke abgeben.“
Ins Schicksal fügen ist nicht so meine Art. Ich wurde ärgerlich. Naja, wieso auch nicht? Ich hatte ja eh nichts zu verlieren. Sie konnten mich wohl kaum in einen fensterlosen Kerker werfen, um mich langsam verdursten zu lassen. Oder konnten sie doch? Ich war nicht sicher, beschloss aber dennoch, von meiner Taktik, eigentlich nichts zu sagen, vorsichtig abzurücken.
„Wenn es aber dann eine Verfügung gibt, warum machen wir die Fingerabdrücke dann nicht sofort? Ich hab doch gesagt, ich wär …“
„Ich hör Ihnen gar nicht zu.“ Nach einer Pause fügte Freiwald hinzu: „Mein Partner und ich haben genau verstanden, dass Sie sich weigerten, zu kooperieren. Sie machen sich die ganze Angelegenheit nur unnötig schwerer.“
„Ich will einen Anwalt.“
„Jaja.“
Ich will nach Hause.
In Kapitel 2 verfolgen wir Philipps Aufnahmeprozedur im Polizeipräsidium.
versteckter Inhalt:
Freiwald half mir beim Aussteigen. Wir parkten an einem Nebeneingang des Dortmunder Polizeipräsidiums. Der Fahrer nuschelte noch ein „Sind da“ ins Funkgerät und stieg ebenfalls aus. Er flankierte mich links, während Freiwald mich an der rechten Schulter fassend zu einem großen Tor dirigierte, das sich bereits langsam öffnete.
Wir betraten den garagen-ähnlichen Raum, in dem noch mehrere Polizeiautos standen und gingen durch eine weitere kleine Tür in ein Treppenhaus. Vor einem Aufzug blieben wir stehen.
„Machst du die Unterlagen schon so weit fertig, dann bleib ich bei ihm“, wies Freiwald seinen Kollegen an, während wir auf den Aufzug warten mussten.
„Ja, besser du als ich.“ Beide lachten. Ich wurde unruhig.
„Herr Stenzel, was haben Sie sich denn überhaupt dabei gedacht, nicht auf den Haftbefehl zu reagieren? Oder nicht aufzumachen, als wir schonmal bei Ihnen waren.“ Das war wieder Freiwald. „Der denkt wahrscheinlich gar nicht.“ – „Könnte er denken, wäre er nicht hier.“
„Ich stehe gerade direkt neben Ihnen.“ Huch, war das etwa meine Stimme? Ja, war Sie. Freiwald und mein anderer Begleiter guckten sich fragend an. Weitermachen, Philipp, jetzt.
„Ich finde es ziemlich unhöflich von Ihnen, über mich zu reden, während ich direkt neben Ihnen stehe.“
Freiwald blickte wieder geradeaus auf die Aufzugtür: „Was glauben Sie, wie sehr mich interessiert, wie Sie was finden?“
„Auch wenn ich eine Straftat begangen habe und jetzt ins Gefängnis komme, könnten Sie mich mit ein bisschen mehr Respekt behandeln.“
Meine Stimme zitterte. So wie ich Pinky & Brain neben mir einschätzte, hatten sie das auch bemerkt. Die Fahrstuhltür glitt auf, die beiden schoben mich rein. Es war kein herkömmlicher Aufzug – es gab innendrin einen Mini-Knast. Ein separater Raum, vom normalen Aufzug durch ein Gitter getrennt. Fand ich eine lustige Idee, irgendwie. Freiwald schloss das Gitter auf.
„Ich finde, dass Menschen, die per Haftbefehl gesucht werden, jeglichen Respekt verspielt haben.“

Wir fuhren zwei oder drei Stockwerke hoch, genau weiß ich das nicht mehr. Freiwald ließ den Affen aus seinem Käfig, als der Aufzug zum Stehen kam. Freiwald führte mich links rum in einen langen Flur, sein Kollege ging in die andere Richtung. Unterlagen fertig machen. Was immer das für Unterlagen sein mochten. Vielleicht werde ich abgeschoben, dachte ich. Mexiko täte mir gefallen.
Waren Sie schonmal in einem Polizeigebäude? Die sehen ja irgendwie alle gleich aus. Also, von innen. Von außen ist es egal, ob es ein Nachkriegsgebäude ist, ein grauer Betonklotz oder ein futuristischer Palast mit Glaskuppel. Innen sind die alle gleich, schätz ich. Zweifarbige Wände, die untere Hälfte helloliv, die obere schmutzigweiß, abgetrennt mit einer weißen Zierleiste, der Fußboden dunkelgraues Linoleum mit schwarzen Sprenkeln.
Freiwald und ich passierten zwei Glastüren, rechts und links gingen ein paar Räume ab. Hinter der zweiten Glastür befand sich ein hellerleuchteter Raum mit großen Fenstern, links von mir eine Theke, dahinter ein paar Schreibtische, dahinter ein paar Beamte. Einer erhob sich, als wir eintraten.
„Ich hab Besuch mitgebracht“, sagte Freiwald. „Oh, schön. Besuch“, echote der Beamte, der jetzt hinter der Theke vorkam. Er führte mich in einen kleinen Raum, von dem zwei Türen abgingen. „Hier warten, bitte.“ Naja, wohin sollte ich schon gehen?
Ein paar Minuten später öffnete er meine Umkleidekabine (es gab tatsächlich Kleiderhaken an den Wänden und eine kleine Sitzbank, also ist der Vergleich nicht völlig unpassend) von der anderen Seite. Ich sah Freiwald, wie er an einem kleinen Tisch saß und das Geld aus meinem Portemonnaie zählte und auch den restlichen Inhalt auf einer Liste vermerkte. Wo hatte er das Portemonnaie und meine Schlüssel eigentlich die ganze Zeit über gehabt? Egal.
„Ausziehen“, wies mich der Beamte an, klang dabei aber wesentlich freundlicher als Freiwald, der bis hierhin immerhin in ganzen Sätzen mit mir gesprochen hatte. Da uns beiden bewusst war, dass das mit dem Ausziehen nicht so gut funktionieren wird, solang mir noch die Handschellen angelegt sind, nahm er mir die ab. Reflexartig rieb ich mir erstmal über beide Handgelenke.
„Ausziehen“, forderte man mich noch einmal auf. So ganz verstand ich die Sinnhaftigkeit nicht, aber die Lage war auch ohne Handschellen noch nicht so vorteilhaft für mich, als dass eine Grundsatzdebatte Erfolgsaussichten gehabt hätte. Ich zog also mein St.-Pauli-Shirt aus, dann die Schuhe, die Socken, meine Jogginghose. Als ich die Boxer-Shorts ausziehen wollte, meinte der Beamte, die könne ich ruhig anlassen.
Er untersuchte meine ausgezogene Kleidung und gab mir Socken und Shirt wieder. „Das können Sie wieder anziehen.“
„Was ist mit der Hose?“
„Können Sie nicht anziehen.“ Bestechend einfache Logik.
Leicht bekleidet war mir dementsprechend kalt. Die ganze Situation war mir unangenehm. Ich bin nicht gerne vor völlig Fremden halbnackt. Schon gar nicht vor Polizisten. Ich durfte aufstehen, der Beamte führte mich an den Tisch, an dem Freiwald saß, legte meine Schuhe und meine Hose auf den Tisch. Freiwald zeigte mir seine Liste.
„Ich hab an Ihrem Schlüsselbund vier Schlüssel gezählt. In Ihrem Portemonnaie waren insgesamt 34,62 Euro, eine EC-Karte, eine Krankenkassen-Karte, drei Visitenkarten und ein paar Kassenbelege. Das hab ich hier alles in diese kleinen Tütchen gepackt“, deutete er auf das, was auf dem Tisch vor ihm lag, „Sie quittieren mir das bitte hier. Nicht, dass Sie denken, ich würde Ihnen was wegnehmen.“
Ich unterschrieb, Freiwald zeichnete gegen.
„Der Kollege bringt Sie jetzt in die Zelle“, sagte Freiwald, stand auf und ging. Zeitgleich kam ein Beamter zu mir, ein anderer als vorhin in der Umkleidekabine. Er war schon älter, trug einen gepflegten grauen Vollbart und war das erste freundliche Gesicht, das mir an dem Abend begegnete. Er trug ein Klemmbrett in der linken Hand. Ich wartete darauf, dass er mich am Arm fassen würde, um mich zur Zelle zu bringen. Aber er ging an mir vorbei, drehte sich nach ein paar Schritten um und fragte: „Kommen Sie? Und neben Sie bitte ihre Schuhe und ihre Hose mit?“
Ich folgte ihm. Wir passierten eine weitere Glastür. Wir waren im Zellentrakt angelangt. Polizeigewahrsam, so nennt man das wohl. Links und rechts waren jeweils sechs Zellen, vor den breiten dunklen Holztüren standen vereinzelt Schuhe. An den schwarzen Eisenschlössern der Zellentüren hingen Jacken oder Pullover.
„Sie kommen direkt in Zelle 1.“
Zelle 1 stand offen, es war die erste Tür auf der linken Seite. Der Raum war recht groß, fast schon gleißend hell erleuchtet, Fußboden und Decke waren komplett grau. Die Wand war ursprünglich auch mal grau, aber nun dicht beschrieben und bemalt. Es gab ein kleines Oberlicht aus Milchglas, das auf Kipp stand. Links hinten stand eine Matratze hochkant an der Wand. Direkt am Eingang links befand sich eine Toilette, die Brille war hochgeklappt. Sauber gemacht wurde hier lange nicht mehr und ich stellte mir kurz Freiwald vor, wie er hier die Bremsspuren aus der Toilette putzt.
„Na, mal gucken, ob´s woanders besser aussieht“, grinste mich der vollbärtige Beamte an und steuerte schon die gegenüberliegende Zelle an, die sich von der ersten in keinster Weise unterschied. Nur die Toilette war geringfügig reinlicher. Immerhin.
„Kann ich meine Hose wieder anziehen?“ Ich fror schon ziemlich stark.
„Leider nicht. Zeigen Sie mal her.“ Er nahm mir die Hose ab und hielt sie mir hin. „Sehen Sie, hier ist ein Gummizug drin.“ Er nahm das linke Hosenbein in die Hand. „Und hier auch.“
„Aber es ist kalt.“
„Ich weiß. Aber das ist leider Vorschrift. Und dient nur Ihrer Sicherheit. Wir wollen nicht, dass Sie sich hier was antun.“
„Schon klar.“
„Warten Sie kurz, ich hol Ihnen eine Decke.“
Zuletzt geändert von Commi am Mi 27. Okt 2010, 16:08, insgesamt 4-mal geändert.
von Commi
#892540
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Ich heiße Philipp und bin 27 Jahre alt.
Ich habe dunkelblonde Haare, blaue Augen, bin mittelgroß und mittelschlank.
Ich komme aus einem guten Elternhaus. Einem sehr guten sogar. Mein Vater ist Direktor eines Gymnasiums, meine Mutter Fremdsprachenkorrespondentin.
Ich bin eingeschrieben an der Universität in Dortmund, Lehramt.
Ich werde irgendwann in die Fußstapfen meines Vaters treten, das ist der Plan.
Ich komme mit meinem Studium gut voran, mittlerweile.
Ich habe selbstverständlich Partys gefeiert, Vorlesungen geschmissen, Prüfungen verhauen. Was man halt so macht.
Ich habe nicht viele Freunde, dafür sehr gute.
Ich habe viele Bekanntschaften, dafür sehr oberflächliche.
Ich habe einen festen Freund. „Ich bin schwul und das ist auch gut so“, nicht wahr?
Ich habe einen Nebenjob, der mir Spaß macht.
Ich verdiene genug Geld, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, kann aber nicht damit umgehen.
Ich trinke gerne eiskalte Cola und habe eine ungesunde Vorliebe für Fast Food.
Ich lese viel, am liebsten Krimis.
Ich höre gerne Musik, am liebsten laute.
Ich mag Fußball.
Ich habe eine schicke Wohnung, groß genug, um sie alleine stressfrei sauberhalten zu können.
Ich bin im Grunde recht normal und dabei ziemlich glücklich.

Ich bin zur Zeit Häftling der JVA Castrop-Rauxel.

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Sie haben mich abgeholt, als ich aus der Dusche kam. Es war an einem Donnerstag Ende Oktober, kurz nach der 20 Uhr-Tagesschau.
Ich hörte die Klingel schon, als ich unter der Dusche stand. Normalerweise hätte ich dem keine Beachtung geschenkt, aber meine Klingel ist schrill und laut und ich wollte nur, dass es aufhört. Nur, dass Sie Sich das besser vorstellen können: meine Klingel hört sich genauso ekelhaft schrill und laut an, wie alle Klingeln in deutschen Fernsehfilmen.
Als ich das Wasser abdrehte, hörte ich sie klopfen. Und rufen. „Herr Stenzel?“ Ich brüllte zurück, dass ich ja schon käme. Schnell, sehr notdürftig trocknete ich mich ab und band mir das Handtuch um die Hüften.

Vor mir standen zwei Polizisten, beide hielten ihre Ausweise hoch, oder was immer Polizisten so hochhalten.
versteckter Inhalt:
Ich hab da nicht so genau drauf geachtet. Zumindest sahen sie aus wie Polizisten. Leider redeten sie auch so. Also – sie sagten das, was Polizisten halt so sagen, wenn sie nicht bloß einen Kaffee bei dir trinken wollen.
„Herr Stenzel?“ Der Polizist war größer und viel breiter als ich, guckte angestrengt grimmig und trat schon mal ein. Ich machte keine Anstalten, etwas zu sagen, ich war zu konsterniert und nahm außerdem sowieso an, er hätte wohl jedes Recht, einfach so meine Wohnung zu betreten.
„Herr Stenzel, gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor. Ziehen Sie Sich was über.“ Der Polizist ging meinen Flur entlang, öffnete erst die Tür zur Küche, dann zum Schlafzimmer. „Na los jetzt.“
Ich hatte keine Chance. Was hätte ich machen oder sagen sollen? Ich wusste von dem Haftbefehl. Formell war sicher alles in Ordnung, aber sonst eben nicht. Das war nun aber bestimmt nicht die Zeit, mit den beiden Herren darüber zu diskutieren. Sie sahen auch nicht aus, als wollten sie diskutieren.
Ich folgte dem größeren der Polizisten in mein Schlafzimmer, der andere kam hinterher, ein kleiner, hagerer Mann mit schütteren Haaren, den ich auf eine merkwürdige Weise noch unsympathischer fand als seinen Kollegen. Der machte schon meinen Kleiderschrank auf, holte eine helle Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt raus. „Anziehen. Schuhe sind im Flur?“ Ich stotterte eine Bestätigung. „Ist sonst noch jemand in der Wohnung?“ Ich schüttelte den Kopf. Nur nicht zuviel reden.
„Wir waren heute früh schon mal hier.“ Ich hielt an meiner schweigsamen Strategie fest. Ich war am Vormittag nicht dagewesen, aber hätte ich gewusst, dass man mir das jetzt zum Vorwurf macht, hätte ich vielleicht doch lieber entsprechendes angedeutet.
„Sie haben absichtlich nicht geöffnet, was?“ – „Sie wollten wohl der Verhaftung entgehen?“ Das war der andere.
Ja, verdammt nochmal, am liebsten wäre es mir tatsächlich gewesen, ich hätte der Verhaftung entgehen können. Na gut, die Chance war da. Wie gesagt: der Stellungsbefehl zur JVA Castrop-Rauxel lag auf meinem Schreibtisch. Kam zwei Wochen vorher an, ungefähr. Aber da ich ja erstens unschuldig, zweitens schluderig und faul und drittens ein Verdrängungskünstler bin, hab ich dem keine Beachtung geschenkt. Wie bitte? Ich hätte einen Anwalt einschalten können? Ja, hab ich ja. Nur zu spät. Als der Stellungsbefehl längst raus, die Sache hochoffiziell war. Was? Ich hätte doch vorher schon was machen können, so eine Verhaftung mit allem Drum und Dran kommt ja nicht aus dem blauen Dunst heraus? Ja, Mann, hinterher ist man immer schlauer.

Ich war angezogen und warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel im Schrank. Ja, doch, ich sah jetzt wirklich aus wie ein Verbrecher. Haare strubbelig, unrasiert, auf dem Shirt das Wahrzeichen des FC St. Pauli, der Totenkopf. So hätte man mich theoretisch auch auf der Straße festnehmen können, irgendwo in der Nähe des Jungenstrichs am Hauptbahnhof. Immerhin war ich frisch geduscht. Der kleine Hagere holte Handschellen aus seiner Jacke. Was zum Teufel? Der andere drehte mich mit dem Körper zur Wand, ich stützte mich an ihr ab, während er mich abtastete. Was sollte das denn nun noch? Er war doch die ganze Zeit dabei, als ich mich anzog.

Die Handschellen klickten und stachen schon nach wenigen Momenten unangenehm in die Haut. Der Hagere führte mich am linken Arm in den Flur, der Breite inspizierte noch schnell das Wohnzimmer und das Bad. Er kam in den Flur, als ich grad in meine weißen Turnschuhe schlüpfte. „Portemonnaie, Schlüssel?“ Ich sagte ihm, wo er alles finden konnte und er nahm die Sachen an sich, der Hagere wandte sich mit mir zum Gehen. „Schauen Sie Sich nochmal kurz um, Sie werden ihre Wohnung während der Haft ja vermutlich verlieren.“ Der Andere grinste zur Bestätigung: „Ja, acht Monate können lang werden.“ Sehr komisch.

Als wir durchs Treppenhaus gingen, standen vereinzelt Nachbarn an den Wohnungstüren, draußen vor dem Haus parkte ein Polizeiwagen. Ich saß hinter dem Beifahrersitz, der Breite neben mir. Vor dem Einsteigen sprach er ins Funkgerät: „Freiwald hier. Wir haben Herrn Stenzel verhaftet.“ Zu seinem Kollegen am Steuer sagte er: „Und los geht´s.“ Dabei lachte er. Der Hagere drehte sich zu mir um: „Sie haben uns soviel Ärger gemacht, jetzt machen wir Ihnen Ärger.“ Es klang wie ein Versprechen.

Wir fuhren durch die Dortmunder City, die noch immer voller Menschen war, in Richtung Polizeipräsidium. Die Fahrt dauert im Normalfall zehn Minuten, so auch an diesem Abend, aber das war für meine Polizisten gerade lang genug, um mich weiter zu erniedrigen. Keine Ahnung, woher sie das konnten. Aus dem Stegreif kam das jedenfalls nicht. Sie hatten sich das entweder lange vorher überlegt oder schon an anderen armen Würstchen erfolgreich erprobt. Im Nachhinein betrachtet war es vielleicht auch gar nicht so erniedrigend. Aber beachten Sie bitte, dass ich mich auch in einer Ausnahmesituation befand. Okay, einer selbstverschuldeten. Aber da ist man schonmal empfindlicher.
Ich blickte die gesamte Fahrt über angestrengt nach draußen. Meine Sitzhaltung war unangenehm, die Jogginghose rutschte etwas. Bequemer ging grad nicht, den Handschellen sei Dank. Zu allem Überfluss hatte Freiwald, so hieß er wohl, mir den Sicherheitsgurt auch noch irgendwie genau so angelegt, dass ich mich nichtmal ansatzweise in eine angenehmere Sitzposition bringen konnte.
Erst an der Baustelle zum Dortmunder „U“, dem Wahrzeichen der ehemaliger Unions-Brauerei, fing Freiwald an, mich zu belehren. Er schloss mit der Frage, ob ich wisse, warum ich verhaftet worden sei. Natürlich wusste ich das. (Sie sind vermutlich schon etwas neugierig. Versteh ich. Aber ich spar mir das noch etwas auf. Ich werde dann aber auch ganz offen und ehrlich zu Ihnen sein. Sie werden gleich, wenn Sie weiterlesen, erfahren, wie es für mich im Gefängnis war. Tiefer sinken geht nicht. Was für einen Grund hätte ich also noch, zu lügen oder nur einen Teil der Wahrheit zu offenbaren? Sehen Sie!)
Ob ich meinen Anwalt sehen wolle, fragte Freiwald. Pff, welchen Anwalt? Sagte ich so natürlich nicht. Ich bin ja nicht blöd. Ich verfolgte weiter die Taktik, möglichst wenig zu reden.
„Möchten Sie jemanden über Ihre Verhaftung in Kenntnis setzen?“ Gute Frage. Über die Antwort dachte ich nicht lange nach. Meine Eltern wussten von nichts, meine Schwester nicht, mein Freund nicht. Wen sollte ich anrufen? Obwohl: jetzt mit jemandem reden könnte durchaus befreiend sein. Also, nicht im eigentlichen Wortsinn. Nur seelisch. Sie verstehen?
„Ja, ich würde gerne meine Eltern anrufen.“ Die würden aus allen Wolken fallen. Freiwald beugte sich nach einer kurzen Pause lächelnd nach vorne.
„Hast du was gehört?“
„Ich hab verstanden, dass Herr Stenzel niemanden anrufen möchte.“
„Ja, ich auch“, ließ sich Freiwald wieder zurück in seinen Sitz sinken. Seine Sitzhaltung hatte irgendwie was obszönes, meinte ich aus den Augenwinkeln wahrzunehmen.
Ähm, Moment mal. Was sollte das eben überhaupt?
„Ich möchte meine Eltern benachrichtigen“, wiederholte ich.
„Ja, ich möchte auch so viel“, seufzte Freiwald lachend. „Anrufe sind heute leider nicht gestattet.“ Als er das sagte, haute er seinem Kollegen auf die Schuler. Sollte ich jetzt noch reagieren? Wurde das von mir erwartet? Ich beschloss, lieber zu schweigen. Die beiden hatten mich irgendwie in der Hand.

Aber sie waren noch nicht am Ende.
„Der Form halber, Herr Stenzel, wir müssen eine erkennungsdienstliche Untersuchung vornehmen. Sind Sie damit einverstanden?“
Untesuchung, was?
„Was ist das?“
„Fingerabdrücke. Ein paar Fotos.“
Solche Fotos kannte ich aus dem Fernsehen. Die Häftlinge hielten alle ein schwarzes Schild mit einer Nummer drauf vor der Brust. Normalerweise hätte ich das wohl cool gefunden, aber irgendwie stand mir an diesem Abend nicht der Sinn danach. Eine Wahl hatte ich aber wohl auch nicht.
„Okay.“
„Bitte?“
„Okay, machen wir.“
Gleiches Spiel wie vorhin. Freiwald beugt sich nach vorn, ob sein Kollege was gehört hat. Hat er. Leider wieder genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich gesagt habe. Ich nahm mir vor, bei der nächsten Frage, direkt mit „Nein“ zu antworten.
„Sie weigern sich also, soso.“ Ich spürte, wie Freiwald mich ansah.
„Nein, ich …“
„Wir müssen das natürlich vermerken und der Staatsanwaltschaft mitteilen.“
Ich fügte mich in mein Schicksal.
„Was passiert dann?“
„Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es eine richterliche Verfügung geben und dann müssen Sie zwangsweise Fingerabdrücke abgeben.“
Ins Schicksal fügen ist nicht so meine Art. Ich wurde ärgerlich. Naja, wieso auch nicht? Ich hatte ja eh nichts zu verlieren. Sie konnten mich wohl kaum in einen fensterlosen Kerker werfen, um mich langsam verdursten zu lassen. Oder konnten sie doch? Ich war nicht sicher, beschloss aber dennoch, von meiner Taktik, eigentlich nichts zu sagen, vorsichtig abzurücken.
„Wenn es aber dann eine Verfügung gibt, warum machen wir die Fingerabdrücke dann nicht sofort? Ich hab doch gesagt, ich wär …“
„Ich hör Ihnen gar nicht zu.“ Nach einer Pause fügte Freiwald hinzu: „Mein Partner und ich haben genau verstanden, dass Sie sich weigerten, zu kooperieren. Sie machen sich die ganze Angelegenheit nur unnötig schwerer.“
„Ich will einen Anwalt.“
„Jaja.“
Ich will nach Hause.
Lesegruppenfragen:

1.Wie wirkt der erste Abschnitt, die Vorstellung Philipps, auf euch?
2.Sind die Polizisten zu streng? Zu unsympathisch? Oder noch gar nicht unsympathisch genug? Nehmt ihr ihnen ihr Verhalten, vor allem später im Wagen, ab?
3.Ist Philipps „Strategie“ für euch glaubhaft? Oder findet ihr ihn zu flapsig?
4.Wie hättet ihr an Philipps Stelle reagiert?
Benutzeravatar
von Vega
#892545
Habs mir durchgelesen, recht interessant. Gedanken zu den Fragen mach ich mir aber mal spaeter, dazu fehlt mir grad die Zeit..
von Molino
#892714
Ich werde die Fragen so bald wie möglich beantworten - ich will davor nur noch einmal den Text überfliegen. Das kann aber leider noch ein bisschen dauern ... ich halte mich aber ran. :mrgreen:
Benutzeravatar
von Reddy
#892808
Wow Commander da hast du dir ja Mühe gegeben :wink:
Also mach ich mir mal die Mühe und Beantworte mal die Fragen :wink:

1: Also ich fand den Ersten Abschnitt Gut, jetzt will ich wissen warum Er in den Knast muss. Der Charakter wirkt auf mich erstmal sehr sympathisch.

2: Unsympathisch sind die beiden auf jeden Fall und in meinen Augen ein bisschen zu Streng, es klingt eher nach Amerikanischer Polizei als nach Deutscher.

3: Ich fand es Glaubhaft.

4: Bis zum Auto hin wohl wie er (Obwohl ich den Anwalt sofort nach dem Anschreiben besucht hätte :wink: ) im Auto dann bei solchen Polizisten wäre mir der Kragen Geplatzt und ich Laut geworden :lol:

Großes Lob ich werde weiter Lesen :!:
von Commi
#892953
Danke, Reddy, das freut mich.
2. Ja, es klingt amerikanisch. Aber es ist so ähnlich in Deutschland tatsächlich passiert. Hat mir ein Polizist erzählt, der ein Bekannter meiner Eltern ist, der hat das mal so ähnlich in einem Protokoll gelesen.
4. Zu dem nicht vorher eingeschalteten Anwalt kommt noch was, glaub ich. :)
"Laut geworden"... hmm... Philipp soll ja schon auch etwas verunsichert sein. Die Situation ist halt doch irgendwo auch einschüchternd.

Molino & DarkGiant:
Danke auch für eure Kommentare.
Molino darf deswegen nur überfliegen, weil er das Kapitel vorab schonmal gelesen hat. :)
von Chris_23
#892962
Zu deinen Fragen:
1. Macht ihn sympathisch.
2. Klingt für mich auch eher nach amerikanischen Polizisten.
3. Für mich etwas unverständlich, was aber auch daran liegen mag da er ja weiß warum er in den Knast muss und ich nicht.
4. siehe 3. und einen Anwalt hätte ich zuvor kontaktiert

Bin aber schonmal gespannt wie es weitergeht :wink:
von Commi
#892972
Danke, Chris!

Zu den Polizisten hab ich ja shcon was geschrieben - aber solche Fälle gibt es tatsächlich. Mir wurde es so erklärt, dass Polizisten halt ziemlich genervt sind, wenn sie einen ziemlich lang zurückliegenden Haftbefehl vollstrecken müssen und dazu noch abends ausrücken müssen.

Philipp sollte schon etwas flapsiger sein, weil ich ja auch kein ernstes Drama schreiben wollte.
Es soll am Anfang aber auch rüberkommen, dass der flapsige, selbstbewusste Philipp total verunsichert ist. Und noch isser ja auch nicht im Gefängnis und weiß nicht genau, wsa ihn erwartet. Aber da kommt noch was in den nächsten Kapiteln, was seine Verunsicherung und seine Angst auch noch stärker hervorbringt.

Warum er ins Gefängnis muss, hab ich natürlich jetzt noch nicht erklärt. Es wäre wohl erstens zuviel für den Anfang, weil die Szene mit der Verhaftung wirken soll. Und man muss ja nicht immer gleich it der Tür ins Haus fallen. :)
#893002
Nochmal zur 2: Ok das ist verständlich, aber ich denke trotzdem das es in Deutschland dann auch für die Polizisten Ärger geben könnte.

Und zu 4: Klar ist man da Anfangs sehr Verunsichert, aber mir währe wohl doch der Gedultsfaden gerissen nach der 2ten mit Absicht Falsch verstandenen Aussage (Auch wenn ein Wutausbruch nicht wirklich weiter Hilft :lol: )
#893018
Reddy hat geschrieben:Nochmal zur 2: Ok das ist verständlich, aber ich denke trotzdem das es in Deutschland dann auch für die Polizisten Ärger geben könnte.

Und zu 4: Klar ist man da Anfangs sehr Verunsichert, aber mir währe wohl doch der Gedultsfaden gerissen nach der 2ten mit Absicht Falsch verstandenen Aussage (Auch wenn ein Wutausbruch nicht wirklich weiter Hilft :lol: )
Zu beidem, was du ansprichst, kommt noch was im Lauf der Geschichte. :)
#893071
Bin leider grad sehr beschäftigt und konnte nur den ersten Teil lesen (ohne Spoiler). Der gefällt mir aber sehr gut :D
Bietet auf jeden Fall sehr viel Anreiz weiterzulesen! (was ich auch tun werde, wenn ich Zeit hab^^)
#893073
lostie hat geschrieben:Bin leider grad sehr beschäftigt und konnte nur den ersten Teil lesen (ohne Spoiler). Der gefällt mir aber sehr gut :D
Bietet auf jeden Fall sehr viel Anreiz weiterzulesen! (was ich auch tun werde, wenn ich Zeit hab^^)
Das würd mich freuen. :)
#893086
*gelöscht* :)
Zuletzt geändert von Commi am Do 14. Okt 2010, 11:37, insgesamt 1-mal geändert.
#893108
TIMBO hat geschrieben: :shock: Wer hat denn hier geläster ? Ich hab doch nur gefragt, woher auf einam alle mit dieser Roman-Idee kommen :? Nicht so schnell angegriffen fühlen bitte.
Gehört aber dennoch nicht hier hin.

Ich habe bisher auch nur den Anfang gelesen, der aber wirklich Lust auf mehr macht. Vor allem die Einleitung des Hauptprotagonisten finde ich richtig gut gelungen. Von daher werde ich in den nächsten Tagen auch den Rest nachholen.
#893110
Also, ich finde die Einführung sehr interessant. Ich habe Philipp quasi vor mir gesehen, wie er in einem dunklen Raum auf einem Stuhl oder einer Pritsche sitzt und mit einer ruhigen Stimme diese einzelnen Sätze sagt.
Quasi das männliche Stimmengegenstück zur deutschen Synchronstimme von Alice aus Resident Evil.
Die Polizisten waren mir auch etwas zu "drüber", aber wenn du die Idee dazu von einer wahren Geschichte hast, ist das okay. Auf jeden Fall wirken sie dadurch sehr unsympathisch.
Philipp dagegen ist sehr glaubwürdig und ich möchte gerne wissen, wie es weitergeht.
#893303
Plem hat geschrieben:Wo wart ihr Hobbyautoren bitte alle als es das Drehbuch-Forum noch gab? Und wenn ihr so gerne schreibt, dann macht gefälligst beim Quotenspiel mit und spammt nicht die Community-Ecke zu :evil:
1. Noch nicht hier im Forum, du Blitzbirne.
2. Tu ich ja, wenn es wieder läuft und ich Zeit habe. Fabi hat mich schon längst eingeladen.

@Grewel:
Tja, musste dir wohl was neues einfallen lassen. :)

@zvenn:
Vielen Dank. Würd mich freuen, wenn du dann auch die Lesegruppenfragen beantwortest.

@Kiddow:
Auch dir vielen Dank. Diese Vorstellungen von der ersten Szene hatte ich zwar nicht im Kopf und "Resident Evil" kenn ich auch nicht, aber ich nehm das mal als Kompliment. :) Ich hatte einfach nur beim ersten Wentwurf dass verdammt viele Sätze mit "Ich" anfangen. Und dann dachte ich, dass es vielleicht sinnig wäre, dann alles mit "Ich" beginnen zu lassen. Am Anfang hatte ich nur den Satz "Ich bin zur Zeit Häftling der JVA XY" im Kopf. So wollte ich starten.
#893409

1.Wie wirkt der erste Abschnitt, die Vorstellung Philipps, auf euch?

Beim ersten Mal Lesen fand ich's ja nicht so pralle, jetzt gefällt es mir - aus welchem Grund auch immer - besser. Was mir nur nicht so dabei behagt, ist dass dem Leser die Charaktereigenschaften bzw. das Aussehen des Protas unter die Nase gerieben werden. Ich mag eher das Konevtionelle: man lässt das ein oder andere nach und nach einfließen. Ist aber mein persönlicher Geschmack.
Ansonsten könnte der Anfang aber auch bei Verlagen nicht mit offenen Armen empfangen werden ...
Aber gerade weil es so "anders" ist, kann ich mich mittlerweile ganz gut damit anfreunden.
2.Sind die Polizisten zu streng? Zu unsympathisch? Oder noch gar nicht unsympathisch genug? Nehmt ihr ihnen ihr Verhalten, vor allem später im Wagen, ab?
Unsympathisch sind sie schon. Auf der einen Seite find' ich es authentisch, auf der anderen so klischee-behaftet. Böser Cop, der dem "Opfer" nicht zuhören will und es verhöhnt. Vermutlich gibt es tatsächlich den ein oder anderen Fall, wo sich die Polizei so verhält, aber in einem Roman/Film wirkt so etwas schnell mal wie ein Klischee. Trotzdem: das geht absolut in Ordnung so.
3.Ist Philipps „Strategie“ für euch glaubhaft? Oder findet ihr ihn zu flapsig?
Nein, sein Verhalten wirkt auf mich recht glaubwürdig. So flapsig finde ich auch gar nicht - dafür, dass er da gerade von Polizisten abgeführt wird. Ist gut, so wie es ist.
4.Wie hättet ihr an Philipps Stelle reagiert?
Panisch, ungläubig, verärgert (über die Polizisten, über mich selbst). Kommt aber auch drauf an; wir als Leser wissen ja schließlich noch nicht, warum er verhaftet wird.
Und ich wäre ich wohl sehr viel ruhiger als er.

Ansonsten stört mich mitunter, dass der Leser direkt angesprochen wird. Mich reißt es eher aus dem Lesefluss heraus, als dass es mich hineinzieht. Beispiele sind dafür: "Nur, dass Sie Sich das besser vorstellen können: meine Klingel hört sich genauso ekelhaft schrill und laut an, wie alle Klingeln in deutschen Fernsehfilmen." oder "Ich hatte keine Chance. Was hätte ich machen oder sagen sollen?". Soll nicht heißen, dass du das zwangsläufig streichen sollst, aber mich stört es wie gesagt etwas.

Das hört sich jetzt irgendwie sehr kritisch an, aber wir sollen ja auch kritiseren. Der Text an sich ist gut geschrieben, er macht neugierig - und was Charakterentwicklung usw. angeht muss man noch abwarten. Auf jeden Fall kann das Ganze noch sehr spannend werden.
Plem hat geschrieben:Wo wart ihr Hobbyautoren bitte alle als es das Drehbuch-Forum noch gab? Und wenn ihr so gerne schreibt, dann macht gefälligst beim Quotenspiel mit und spammt nicht die Community-Ecke zu :evil:
Auf das Quotenspiel hätte ich irgendwie mal Lust, aber mir scheint's, als wäre das sehr, sehr viel Arbeit. Und in der freien Zeit, die ich habe, will ich lieber meine "privaten" Texte schreiben ... Macht doch mal wieder eine Runde, dann schau ich mal zu. :wink:
#893451
Grewel hat geschrieben:
CommanderNOH hat geschrieben: @Grewel:
Tja, musste dir wohl was neues einfallen lassen. :)
HomoComo
*gähn*

@Molino:
Vielen Dank für deine ausführliche Beantwortung meiner Fragen.

1: Ob die Verlage das mit offenen Armen entgegennehmen, ist mir im Moment eh noch sehr egal. Ich veröffentliche hier erstmal so, wie ich es geschrieben habe. Lektoriert oder so ist da noch nix. Wenn der Roman dann fertig ist, mach ich mir mal Gedanken über eine Veröffentlichung. Fürs Lektorat seid solange ihr verantwortlich. :)
Ich finde es übrigens ziemlich doof, wenn mir immer wieder en paar Personenbeschreibungen hingeworfen werden. Entweder ich weiß gar nix oder das Meiste auf einmal.
Und Charakterbeschreibungen hatte ich von Philipp ja nicht geschildert im ersten Absatz. Das entwickelt sich halt über die Dauer des Romans.

Zu deiner anderen Bemerkung:
ich mag es sehr, wenn ich direkt angesprochen werde. Und im Optimalfall reißt es ja nicht aus dem Lesefluss heraus. Aber wenn du hier das Gefühl hast, werd ich mir nochmal Gedanken darüber machen. Denn eigentlich wollte ich den Leser mit exakt so kurzen Bemerkungen genau da packen. An einer anderen Stelle beantworte ich ja so schon Fragen, die sich der Leser auch stellen würde, wie: "Warum hat der jetzt keinen Anwalt?" oder so.
#893457
CommanderNOH hat geschrieben: Fürs Lektorat seid solange ihr verantwortlich. :)
Ohje, und dabei soll was rauskommen? :mrgreen:
Ich finde es übrigens ziemlich doof, wenn mir immer wieder en paar Personenbeschreibungen hingeworfen werden. Entweder ich weiß gar nix oder das Meiste auf einmal.
Meinst du mit Personenbeschreibung das Äußere einer Figur? Kann ich nachvollziehen - eine Figur sollte recht bald beschrieben werden, denn man macht sich ja schon recht bald ein Bild von ihr. Wenn dann irgendwann am Ende erwähnt wird, dass die Figur gelbe Zähne hat, stört mich das - weil es meistens nicht zur Person passt, die ich mir vorgestellt habe.
Und Charakterbeschreibungen hatte ich von Philipp ja nicht geschildert im ersten Absatz. Das entwickelt sich halt über die Dauer des Romans.
Da hast du recht. Ich hab's wohl auch etwas falsch ausgedrückt.
An einer anderen Stelle beantworte ich ja so schon Fragen, die sich der Leser auch stellen würde, wie: "Warum hat der jetzt keinen Anwalt?" oder so.
Ja, genau, die Stelle habe ich vorhin gesucht, aber nicht gefunden. Viele Leser mögen sicherlich das direkte Ansprechen, ich bin nicht unbedingt Fan davon. Denn anstatt mir das Gefühl zu geben, involviert zu werden, bemerke ich dabei nur, dass ich stummer Zuschauer bin. Eben das reißt mich aus dem Geschehen.
Aber wie gesagt: das ist nur meine Meinung und andere werden das gerade mögen.
#893466
Also, ich kann dich ein bißchen beruhigen: nicht alle Kapitel werden so gehalten sein, dass Philipp die Leser direkt anspricht. Wenn das dauernd passieren würde, wärs tatsächlich negativ. War am Anfang eben auch die Frage nach der Erzählweise: mach ich das aus der Ich-Perpektive oder bin ich als Erzähler selber neutral. Ich hab mich für die Ich-Variante entschieden, weil ich so besser die Parallelwelt Gefängnis beschreiben kann und wie Philipp sich dort fühlt. Das fand ich so echter. Und mit Hilfe dieser direkten Ansprachen an ein imaginäres Publikum nimmt Philipp den Leser quasi bei der Hand: "Ich zeig dir jetzt mal, wie ich ins Gefängnis kam."
Verstehste?

Was die Personenbeschreibung angeht: ich bezog mich tatsächlich nur auf das Äußere Philipps.

Und was das Lektorat angeht: ihr schafft das schon. Ich freu mich bislang jedenfalls riesig über die Resonanz. :) Was dabei rauskommt, kann ich selbst noch nichtmal sagen. Ich weiß ja nichtmal, was bei der Geschichte am Ende rauskommt. Bin ja noch nicht fertig. :)
#895761
Hier ist nun Teil 2.
Wer Teil 1 noch nicht gelesen hat - kein Ding. Alle Kapitel sind auch im Eröffnungspost zum Nachlesen.

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Freiwald half mir beim Aussteigen. Wir parkten an einem Nebeneingang des Dortmunder Polizeipräsidiums. Der Fahrer nuschelte noch ein „Sind da“ ins Funkgerät und stieg ebenfalls aus. Er flankierte mich links, während Freiwald mich an der rechten Schulter fassend zu einem großen Tor dirigierte, das sich bereits langsam öffnete.
versteckter Inhalt:
Wir betraten den garagen-ähnlichen Raum, in dem noch mehrere Polizeiautos standen und gingen durch eine weitere kleine Tür in ein Treppenhaus. Vor einem Aufzug blieben wir stehen.
„Machst du die Unterlagen schon so weit fertig, dann bleib ich bei ihm“, wies Freiwald seinen Kollegen an, während wir auf den Aufzug warten mussten.
„Ja, besser du als ich.“ Beide lachten. Ich wurde unruhig.
„Herr Stenzel, was haben Sie sich denn überhaupt dabei gedacht, nicht auf den Haftbefehl zu reagieren? Oder nicht aufzumachen, als wir schonmal bei Ihnen waren.“ Das war wieder Freiwald. „Der denkt wahrscheinlich gar nicht.“ – „Könnte er denken, wäre er nicht hier.“
„Ich stehe gerade direkt neben Ihnen.“ Huch, war das etwa meine Stimme? Ja, war Sie. Freiwald und mein anderer Begleiter guckten sich fragend an. Weitermachen, Philipp, jetzt.
„Ich finde es ziemlich unhöflich von Ihnen, über mich zu reden, während ich direkt neben Ihnen stehe.“
Freiwald blickte wieder geradeaus auf die Aufzugtür: „Was glauben Sie, wie sehr mich interessiert, wie Sie was finden?“
„Auch wenn ich eine Straftat begangen habe und jetzt ins Gefängnis komme, könnten Sie mich mit ein bisschen mehr Respekt behandeln.“
Meine Stimme zitterte. So wie ich Pinky & Brain neben mir einschätzte, hatten sie das auch bemerkt. Die Fahrstuhltür glitt auf, die beiden schoben mich rein. Es war kein herkömmlicher Aufzug – es gab innendrin einen Mini-Knast. Ein separater Raum, vom normalen Aufzug durch ein Gitter getrennt. Fand ich eine lustige Idee, irgendwie. Freiwald schloss das Gitter auf.
„Ich finde, dass Menschen, die per Haftbefehl gesucht werden, jeglichen Respekt verspielt haben.“

Wir fuhren zwei oder drei Stockwerke hoch, genau weiß ich das nicht mehr. Freiwald ließ den Affen aus seinem Käfig, als der Aufzug zum Stehen kam. Freiwald führte mich links rum in einen langen Flur, sein Kollege ging in die andere Richtung. Unterlagen fertig machen. Was immer das für Unterlagen sein mochten. Vielleicht werde ich abgeschoben, dachte ich. Mexiko täte mir gefallen.
Waren Sie schonmal in einem Polizeigebäude? Die sehen ja irgendwie alle gleich aus. Also, von innen. Von außen ist es egal, ob es ein Nachkriegsgebäude ist, ein grauer Betonklotz oder ein futuristischer Palast mit Glaskuppel. Innen sind die alle gleich, schätz ich. Zweifarbige Wände, die untere Hälfte helloliv, die obere schmutzigweiß, abgetrennt mit einer weißen Zierleiste, der Fußboden dunkelgraues Linoleum mit schwarzen Sprenkeln.
Freiwald und ich passierten zwei Glastüren, rechts und links gingen ein paar Räume ab. Hinter der zweiten Glastür befand sich ein hellerleuchteter Raum mit großen Fenstern, links von mir eine Theke, dahinter ein paar Schreibtische, dahinter ein paar Beamte. Einer erhob sich, als wir eintraten.
„Ich hab Besuch mitgebracht“, sagte Freiwald. „Oh, schön. Besuch“, echote der Beamte, der jetzt hinter der Theke vorkam. Er führte mich in einen kleinen Raum, von dem zwei Türen abgingen. „Hier warten, bitte.“ Naja, wohin sollte ich schon gehen?
Ein paar Minuten später öffnete er meine Umkleidekabine (es gab tatsächlich Kleiderhaken an den Wänden und eine kleine Sitzbank, also ist der Vergleich nicht völlig unpassend) von der anderen Seite. Ich sah Freiwald, wie er an einem kleinen Tisch saß und das Geld aus meinem Portemonnaie zählte und auch den restlichen Inhalt auf einer Liste vermerkte. Wo hatte er das Portemonnaie und meine Schlüssel eigentlich die ganze Zeit über gehabt? Egal.
„Ausziehen“, wies mich der Beamte an, klang dabei aber wesentlich freundlicher als Freiwald, der bis hierhin immerhin in ganzen Sätzen mit mir gesprochen hatte. Da uns beiden bewusst war, dass das mit dem Ausziehen nicht so gut funktionieren wird, solang mir noch die Handschellen angelegt sind, nahm er mir die ab. Reflexartig rieb ich mir erstmal über beide Handgelenke.
„Ausziehen“, forderte man mich noch einmal auf. So ganz verstand ich die Sinnhaftigkeit nicht, aber die Lage war auch ohne Handschellen noch nicht so vorteilhaft für mich, als dass eine Grundsatzdebatte Erfolgsaussichten gehabt hätte. Ich zog also mein St.-Pauli-Shirt aus, dann die Schuhe, die Socken, meine Jogginghose. Als ich die Boxer-Shorts ausziehen wollte, meinte der Beamte, die könne ich ruhig anlassen.
Er untersuchte meine ausgezogene Kleidung und gab mir Socken und Shirt wieder. „Das können Sie wieder anziehen.“
„Was ist mit der Hose?“
„Können Sie nicht anziehen.“ Bestechend einfache Logik.
Leicht bekleidet war mir dementsprechend kalt. Die ganze Situation war mir unangenehm. Ich bin nicht gerne vor völlig Fremden halbnackt. Schon gar nicht vor Polizisten. Ich durfte aufstehen, der Beamte führte mich an den Tisch, an dem Freiwald saß, legte meine Schuhe und meine Hose auf den Tisch. Freiwald zeigte mir seine Liste.
„Ich hab an Ihrem Schlüsselbund vier Schlüssel gezählt. In Ihrem Portemonnaie waren insgesamt 34,62 Euro, eine EC-Karte, eine Krankenkassen-Karte, drei Visitenkarten und ein paar Kassenbelege. Das hab ich hier alles in diese kleinen Tütchen gepackt“, deutete er auf das, was auf dem Tisch vor ihm lag, „Sie quittieren mir das bitte hier. Nicht, dass Sie denken, ich würde Ihnen was wegnehmen.“
Ich unterschrieb, Freiwald zeichnete gegen.
„Der Kollege bringt Sie jetzt in die Zelle“, sagte Freiwald, stand auf und ging. Zeitgleich kam ein Beamter zu mir, ein anderer als vorhin in der Umkleidekabine. Er war schon älter, trug einen gepflegten grauen Vollbart und war das erste freundliche Gesicht, das mir an dem Abend begegnete. Er trug ein Klemmbrett in der linken Hand. Ich wartete darauf, dass er mich am Arm fassen würde, um mich zur Zelle zu bringen. Aber er ging an mir vorbei, drehte sich nach ein paar Schritten um und fragte: „Kommen Sie? Und neben Sie bitte ihre Schuhe und ihre Hose mit?“
Ich folgte ihm. Wir passierten eine weitere Glastür. Wir waren im Zellentrakt angelangt. Polizeigewahrsam, so nennt man das wohl. Links und rechts waren jeweils sechs Zellen, vor den breiten dunklen Holztüren standen vereinzelt Schuhe. An den schwarzen Eisenschlössern der Zellentüren hingen Jacken oder Pullover.
„Sie kommen direkt in Zelle 1.“
Zelle 1 stand offen, es war die erste Tür auf der linken Seite. Der Raum war recht groß, fast schon gleißend hell erleuchtet, Fußboden und Decke waren komplett grau. Die Wand war ursprünglich auch mal grau, aber nun dicht beschrieben und bemalt. Es gab ein kleines Oberlicht aus Milchglas, das auf Kipp stand. Links hinten stand eine Matratze hochkant an der Wand. Direkt am Eingang links befand sich eine Toilette, die Brille war hochgeklappt. Sauber gemacht wurde hier lange nicht mehr und stellte mir kurz Freiwald vor, wie er hier die Bremsspuren aus der Toilette putzt.
„Na, mal gucken, ob´s woanders besser aussieht“, grinste mich der vollbärtige Beamte an und steuerte schon die gegenüberliegende Zelle an, die sich von der ersten in keinster Weise unterschied. Nur die Toilette war geringfügig reinlicher. Immerhin.
„Kann ich meine Hose wieder anziehen?“ Ich fror schon ziemlich stark.
„Leider nicht. Zeigen Sie mal her.“ Er nahm mir die Hose ab und hielt sie mir hin. „Sehen Sie, hier ist ein Gummizug drin.“ Er nahm das linke Hosenbein in die Hand. „Und hier auch.“
„Aber es ist kalt.“
„Ich weiß. Aber das ist leider Vorschrift. Und dient nur Ihrer Sicherheit. Wir wollen nicht, dass Sie sich hier was antun.“
„Schon klar.“
„Warten Sie kurz, ich hol Ihnen eine Decke.“
Lesegruppenfragen:

1. Seid ihr jetzt beruhigter, dass nicht alle Beamten unsympathische Arschlöcher sind? :)

2. Hat sich in eurer Haltung zu Philipp was verändert? Könnt ihr sein Verhalten noch immer nachvollziehen? Oder immer noch nicht? Ist er vielleicht noch immer zu passiv?

3. Könnt ihr euch die örtlichen Gegebenheiten so vorstellen? Ich fürchte, Ortsbeschreibungen sind nicht grad meine Stärke.

4. Wie wirkt die Prozedur im Präsidium auf euch? Ist das glaubhaft? Oder fehlt was? Ist irgendwas unlogisch?

5. Gibt es sonst noch was, was ihr mir gerne mitteilen wollt? :)
#895769
1. Gefiel mir auf jeden Fall besser, aber dort ist es wohl wie auch sonst Überall es gibt Freundliche und Unfreundliche.

2. Philipp wirkt immer noch Sympathisch, besonders als er mal den Mund Aufgemacht hat :wink:

3. Das Präsidium schon, allerdings wirkt die Zelle stark wie in einem Klischee immerhin kontrollieren die Wächter ja auch auf Sauberkeit und ein Häftling muss seine Zelle sauber halten.

4. Ich denke der Erkennungsdienst kommt noch, von daher wirkte das alles Glaubhaft und mir fällt nichts ein was du Vergessen haben könntest

5. Mach weiter so :wink: