Dann will ich auch noch kurz mein Fazit ziehen.
Über die kinoreife Inszenierung (auch nach Scorsese), die Ausstattung und alles was sonst noch mit den optischen Reizen zusammenhängt, bestehen ja keine 2 Meinungen. Da gab es unter den regulären Serien außer Deadwood, Rome, Carnivale und Game of Thrones wohl nichts was mit Boardwalk Empire mithalten kann.
Dazu kommt der meines Erachtens momentan perfekteste Cast im TV. Herausragend an der Spitze (Buscemi, Shannon, Kelly Macdonald, Michael Stuhlbarg, Michael K. Williams) und mit viel Bedacht in den restlichen Rollen besetzt (von Pitt über Capone bis zum Zinnmann). Da könnte man eigentlich fast jeden für einen Emmy nominieren. Liegt aber (ähnlich wie damals bei Deadwood) auch daran, dass die Dialoge und selbst die kleinsten Rollen so stark bzw. interessant geschrieben sind.
Die Handlung könnte stellenweise einen Tick schneller erzählt sein (störend nur in Episode 2), aber seltsamerweise bekamen einige Nebencharaktere trotz dieser unaufgeregten und ausführlich beobachtenden Erzählweise in den 50-60 minütigen Folgen nicht annähernd die Screentime, die ich mir gewünscht hätte. Insbesondere von van Alden, Chalky, Rothstein und dem Zinnmann dürfte man gern mehr zeigen und es kam mir so vor, als hätte man in deren Nebenstories schon viel gekürzt, um das Tempo nicht weiter zu drosseln. Das ist halt der Fluch bei so einer großartigen Figurenpalette.
Zum Glück sind alle wichtigen Charaktere in Staffel 2 noch dabei. Bei Michael Shannon hatte ich von Beginn an mit dem Tod im Staffelfinale gerechnet. Auch bei Gretchen Mol befürchtete ich, dass sie für ihren "Verrat" am hitzköpfigen Lucky Luciano ähnlich bitter bezahlen muss wie die verstümmelte Hur.e in Chicago. Winters und co. haben es also hervorragend verstanden, ein Gefühl von Bedrohung und allgegenwärtiger Gefahr zu vermitteln, obwohl van Aldens Partner letztlich die größte Figur war, die dann auch wirklich gestorben ist.
Bemerkenswert ist auch wie unaufdringlich und natürlich die Autoren den Wandel der Zeit illustriert und anhand Themen wie Rassismus, Frauenbewegung (auch außerhalb der Betten :lol: ) oder Religion in den Gangsterstoff eingepflochten haben, ohne dabei den Bezug zur Moderne zu verlieren.
Trotz aller Stärken kommt Boardwalk Empire bei mir nach diesen 12 Episoden noch nicht an SOA, Breaking Bad oder alte Größen wie Deadwood heran, aber zusammen mit Game of Thrones erfüllt sie doch alles, was ich mir von der Wiedergeburt des klassischen HBO erhofft habe. It's not TV. 8,5/10