Wittgenstein hat geschrieben:Plem hat geschrieben:Hättest du die Bücher nicht gelesen, wärst du vielleicht auf solche Sachen auch nicht gekommen oder hättest die gleiche Frage wie Bobby gestellt. Als Buchleser hat man vollkommen andere Prioritäten. "Normale" Menschen gucken die Serie, um die Handlung zu sehen. Ihr kennt die Handlung ja schon und guckt die Serie deshalb viel genauer und konzentriert euch auf Nebensächlichkeiten.
Jo. Das stimmt vermutlich. Als Buchleser ist die ganze Show ein nettes Ratespiel, wer wann auftaucht und wie er/sie dann aussieht. Zumal GoT ja sehr einsteigerfreundlich nur die Hälfte der Charaktere explizit vorstellt und Namen erst dann nutzt, wenn man sie wirklich braucht. Ich wüsste nur nicht, ob mir als Nichtleser die Serie vielleicht zu langweilig gewesen wäre, weil ja nicht nur (leicht) gestrafft wird, sondern vieles an Background und inneren Motivationen der Charaktere unbeleuchtet bleibt. Wie versucht ihr, die weniger prominenten Personen und ihre Handlungen denn nachzuvollziehen - oder bleiben die alle erst einmal nur schmückendes Beiwerk? Die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den sieben großen Häusern sind ja schon kompliziert genug, obwohl ja zur Zeit erst vier davon einigermaßen im Mittelpunkt stehen (und das ändert sich bald). Bei der Mormont-Sache sag ich dann mal sorry - wobei es auch in der Serie ja keine große Enthüllung, sondern so eine Nebenbei-Erwähnung war. Ich find ja, die sehen sich sogar ein bisschen ähnlich. 
Ok, eigentlich wollte ich ja mit meiner Kritik bis zum Staffelende warten, aber an dieser Stelle der Diskussion sind wir genau an meinem Knackpunkt angekommen: Zum aktuellen Stand halte ich das Buch für eine ungeeignete Vorlage für eine TV Serie - sei sie auch noch so hochwertig produziert.
Die ersten vier Folgen fand ich zäh wie Kaugummi, erst mit der fünften wurde endlich mal ein zentraler Handlungsbogen und Konflikt herausgearbeitet und aktiv vorangetrieben. Seitdem hat sich die Serie gesteigert, ist aber immer noch nicht bei einem wirklich hohen Unterhaltungswert angekommen. Wirklich langweilig ist sie dabei aber nur selten. Das liegt aber weniger daran, dass sie mich gut unterhält, als vielmehr beschäftigt. Nämlich damit einen endlosen Regen von Infoschnipseln über das schier endlose Heer an Figuren aufzupicken. Game of Thrones schauen ist oft eine Fleißarbeit mit bislang sehr gering ausfallenden Aha-Erlebnissen. Für das mühselige lernen von riesigen Stammbäumen kriegt man als Belohnung höchstens die Erkenntnis, wer der achte Bastard von sonstwem ist, ohne dass das in absehbarer Zukunft etwas deutlich ändern würde. Dafür franst die Story in alle nur denkbaren Richtungen aus. Was es nun mit Catelyns dauerstillenden Schwester und ihrem Reich da auf sich hat, hat sich mir zB überhaupt nicht erschlossen. Das blieb leider sehr oberflächlich.
Selbst mit wie Wittgenstein sagt auf die Kernpersonen zusammengeschrumpftem Maincast konkurrieren da immer noch zu viele Charaktere um zu wenig Screentime. Bisher gibt es kaum welche, bei denen ich wirkliche Tiefe und Vielschichtigkeit entdecken konnte; im Gegenzug aber einen Haufen von recht oberflächlichen Figuren, die nur aus einem kleinen Set an Eigenschaften zusammengebastelt wirken. Besonders The Wall fällt da deutlich auf. So ein atmosphärischer und faszinierender Schauplatz und dann ist er leider mit so uninteressanten Charakteren bevölkert.
Das ganze Handlungsgeflecht ist ausufernd bis zum geht nicht mehr und täuscht mit Kompliziertheit Komplexität vor. Komplex ist in Wahrheit kaum eine der Einzelbeziehungen zueinander - und wo sie es mal wird, trennen sich dann allzu schnell die Wege (oder Köpfe).
Bei all dem Gemecker ist mir natürlich klar, dass vieles davon auf so gut wie jeden erste Teil einer Fantasysaga zutrifft. Da gibt es fast immer den mühseligen 200-300 Seiten Expositionsblock bevor sich mal irgendwas in Bewegung setzt und dann bleibt zwischen dem rasant wachsenden Ensemble und dem großen Foreshadowing auf zukünftige Ereignisse nur noch wenig Raum für echte Plot-Points. Die wenigen spektakulären Plot Points die so ein Buch dann hat, müssen jetzt auch noch über 10 Folgen verteilt werden. Dabei sind unsere Sehgewohnheiten auf mindestens 3, meist eher 5 Plotpoints pro Dreiviertelstunde geeicht. Natürlich wirkt ein Game of Thrones da schwergängig. Ich habe also durchaus großes Verständnis dafür, dass und warum Game of Thrones so ist wie es ist. Das macht es nur leider nicht wirklich mehr zu einem Sehvergnügen. Das Verhältnis Lernaufwand zu Story-Payoff hat sich seit den ersten vier Folgen verbessert, aber noch lange nicht genug, dass ich sagen könnte, hier blendend unterhalten worden zu sein. Ich versuche all dem zu folgen, was da passiert. Aber so richtig Lust zum Mitraten, Analysieren und Rätseln weckt es nicht. Das ist so als stünde man in einem Raum voll verschlossener Truhen, die alle vielversprechend aussehen. Aber schnell merkt man, dass kaum eine davon etwas wirklich spektakuläres enthält und so verliert man bald die Lust am Schlösser aufknacken.
Handwerklich kann man HBO aber nichts vorwerfen. Die Kulissen und Kostüme kommen sehr authentisch rüber, ansonsten verzichtet man aber auf große Effektprotzerei, was ganz schön ist, aber manchmal doch ein wenig mehr Eye-Candy-Momente vermissen lässt. Die hakt man wohl schlicht mit (inzwischen etwas redundanter) full frontal nudity ab. Intro und Titelmusik sind toll, die Darstellerriege gefällt mir gut. Da gibt es wirklich nur im kleinsten Detail Grund zur Kritik.
Das war zumindest, was mir die letzten Wochen unter den Nägeln gebrannt hat. Den Rest meiner Eindrücke dann nach dem Finale.