- Do 29. Mai 2014, 16:25
#1365286
Jagten (Die Jagd)
Thomas Vinterberg liefert mit Jagten einen Film ab, der ähnlich eindringlich ist wie sein gefeierter Dogma-Beitrag Festen. Mads Mikkelsen spielt einen einfühlsamen Kindergärtner, dessen Leben eine unerwartete und zerstörerische Wendung nimmt, als die kleine Tochter seines besten Freundes ihn bezichtigt, sie missbraucht zu haben.
Die Angst vor dem kindlichen Missbrauch, dem Verlust der Unschuld, ist groß. Meldungen über die schrecklichen Taten Pädophiler spuken in unseren Köpfen herum, das sexuelle Vergehen an Kindern gilt gemeinhin als eine der schlimmsten Dinge, die ein Mensch tun kann. Kein Wunder also, dass eine solche Angst auch dazu in der Lage ist, eine große destruktive Kraft zu entfalten.
Jagten ist eine Studie darüber, wie eine solche Angst und wie auch Worte dazu führen können, einen Menschen und eine Gemeinschaft zu zerrütten. Das Kind, das den Stein ins Rollen bringt und in seiner Verletztheit unwahre Dinge sagt, ist hier nie der Täter, nie die Schuldige. Es ist Opfer des elterlichen Streits und der aus Liebe zum Kind resultierenden Furcht. Annika Wedderkopp ist für ihr sehr junges Alter sehr überzeugend als kleines Mädchen, das die Erwartungen der Erwachsenen erfüllen will, aber nicht versteht, was um sie herum eigentlich passiert. Mads Mikkelsen ist auch großartig als zurückhaltender, sympathischer Mann, der sozial zunehmend isoliert und geachtet wird und dennoch trotzig seine Rechte einfordert, selbst wenn es schmerzt.
Ein toller und beeindruckender Film, definitiv zu empfehlen.
Antichrist
Im ersten Film der "Depression Trilogy" Lars von Triers stürzt eine Mutter, gespielt von Charlotte Gainsbourg, nach dem Unfalltod ihres Kindes in tiefe Trauer, in Schmerz und Verzweiflung. Dabei provoziert Dänemarks enfant terrible mit einer hysterisch-gewalttätigen Protagonistin und mit pornographischen und brutalen Szenen.
Besonders interessant an Antichrist fand ich all die verschiedenen Ebenen, auf denen sich die Geschichte abspielt: von Triers grundlegende Idee, einen Horrorfilm zu produzieren, spiegelt sich ganz offensichtlich in dem Element der cabin in the woods wieder, in der düsteren Atmosphäre und dem Wald als Ort des Bösen, in der Hexenthematik, in der Gewalt und in alptraumhaften Bildern. Den Film bloß als Horrorfilm zu bezeichnen, wäre aber wenig treffend, er ist mehr als das und wieder einmal beweist Lars von Trier, das er wohl zu den spannendsten zeitgenössischen Filmemachern gehören dürfte.
Antichrist ist auch das Portrait einer Frau, die den Verlust ihres Sohnes nicht verkraften kann und in immer tiefere Depressionen versinkt. Antichrist ist auch die Studie des Zerfalls einer Ehe, in der sich die Partner fremd geworden sind und ein ungleiches Machtverhältnis besteht. Antichrist ist eine psychologische Studie über Frauenfeindlichkeit, in der SIE glaubt, als Frau das Böse zu verkörpern und sich somit die auf einer langen Tradition folgende Schuld der Weiblichkeit auflastet. Dass der Film von einigen Kritikern selbst als misogyn bezeichnet wurde, könnte man vielleicht erst mal nachvollziehen, wirkt dann aber kurzsichtig und vor allem lächerlich, wenn sie die angebliche Misogynie des Films hart verurteilen, obwohl es genügend Filme gibt, die unreflektiert frauenfeindliche Botschaften transportieren.
Ein Ranking der drei thematisch miteinander verbundenen Filme, fällt mir schwer, und Melancholia ist schon eine Weile her und ein Rewatch wäre interessant. Vielleeicht würde ich Antichrist in die Mitte setzen und Nymph()maniac an die Spitze, aber ist wie gesagt, schwierig, da eine hierarchisierende Ordnung zu erstellen.
Ansonsten:
The Fountain
Visuell durchaus beeindruckend, wobei Aronofsky zum Ende hin vielleicht ein paar Effektschippen zu viel drauf packt. Spannend ist die Verknüpfung der drei (Zeit)Ebenen und Hugh Jackman ist als der den Tod nicht akzeptierenden Ehemann und Arzt toll. Auch musikalisch überzeugend.
Rivers Wash Over Me
Ein Low Budget-Film über einen Jungen, der nach dem Tod seiner Mutter aus New York in eine alabamische Kleinstadt zu Verwandten ziehen muss und dort als sensibler, schwuler Teenager, der gern liest, von Anfang an Probleme bekommt. Das Drehbuch hat einige Schwächen und ist nicht pointiert genug, die Regie könnte Schuld daran haben, dass Derrick L. Middleton als Hauptfigur Sequan neben überzeugenden Szenen in anderen etwas künstlich wirkt. Über das Ende kann man streiten, über die unlogische Hinführung nicht.
Positiv ist zu vermerken, dass der Cast zu einem Großteil schwarz ist; außerdem ist Elizabeth Dennis als koksendes weißes Mädel mit einem Faible für schwarze Jungs klasse. Sie sieht Emilie de Ravin übrigens ziemlich ähnlich, meiner Meinung nach.
Trotz einiger Mäkel sehenswert.
Thomas Vinterberg liefert mit Jagten einen Film ab, der ähnlich eindringlich ist wie sein gefeierter Dogma-Beitrag Festen. Mads Mikkelsen spielt einen einfühlsamen Kindergärtner, dessen Leben eine unerwartete und zerstörerische Wendung nimmt, als die kleine Tochter seines besten Freundes ihn bezichtigt, sie missbraucht zu haben.
Die Angst vor dem kindlichen Missbrauch, dem Verlust der Unschuld, ist groß. Meldungen über die schrecklichen Taten Pädophiler spuken in unseren Köpfen herum, das sexuelle Vergehen an Kindern gilt gemeinhin als eine der schlimmsten Dinge, die ein Mensch tun kann. Kein Wunder also, dass eine solche Angst auch dazu in der Lage ist, eine große destruktive Kraft zu entfalten.
Jagten ist eine Studie darüber, wie eine solche Angst und wie auch Worte dazu führen können, einen Menschen und eine Gemeinschaft zu zerrütten. Das Kind, das den Stein ins Rollen bringt und in seiner Verletztheit unwahre Dinge sagt, ist hier nie der Täter, nie die Schuldige. Es ist Opfer des elterlichen Streits und der aus Liebe zum Kind resultierenden Furcht. Annika Wedderkopp ist für ihr sehr junges Alter sehr überzeugend als kleines Mädchen, das die Erwartungen der Erwachsenen erfüllen will, aber nicht versteht, was um sie herum eigentlich passiert. Mads Mikkelsen ist auch großartig als zurückhaltender, sympathischer Mann, der sozial zunehmend isoliert und geachtet wird und dennoch trotzig seine Rechte einfordert, selbst wenn es schmerzt.
Ein toller und beeindruckender Film, definitiv zu empfehlen.
Antichrist
Im ersten Film der "Depression Trilogy" Lars von Triers stürzt eine Mutter, gespielt von Charlotte Gainsbourg, nach dem Unfalltod ihres Kindes in tiefe Trauer, in Schmerz und Verzweiflung. Dabei provoziert Dänemarks enfant terrible mit einer hysterisch-gewalttätigen Protagonistin und mit pornographischen und brutalen Szenen.
Besonders interessant an Antichrist fand ich all die verschiedenen Ebenen, auf denen sich die Geschichte abspielt: von Triers grundlegende Idee, einen Horrorfilm zu produzieren, spiegelt sich ganz offensichtlich in dem Element der cabin in the woods wieder, in der düsteren Atmosphäre und dem Wald als Ort des Bösen, in der Hexenthematik, in der Gewalt und in alptraumhaften Bildern. Den Film bloß als Horrorfilm zu bezeichnen, wäre aber wenig treffend, er ist mehr als das und wieder einmal beweist Lars von Trier, das er wohl zu den spannendsten zeitgenössischen Filmemachern gehören dürfte.
Antichrist ist auch das Portrait einer Frau, die den Verlust ihres Sohnes nicht verkraften kann und in immer tiefere Depressionen versinkt. Antichrist ist auch die Studie des Zerfalls einer Ehe, in der sich die Partner fremd geworden sind und ein ungleiches Machtverhältnis besteht. Antichrist ist eine psychologische Studie über Frauenfeindlichkeit, in der SIE glaubt, als Frau das Böse zu verkörpern und sich somit die auf einer langen Tradition folgende Schuld der Weiblichkeit auflastet. Dass der Film von einigen Kritikern selbst als misogyn bezeichnet wurde, könnte man vielleicht erst mal nachvollziehen, wirkt dann aber kurzsichtig und vor allem lächerlich, wenn sie die angebliche Misogynie des Films hart verurteilen, obwohl es genügend Filme gibt, die unreflektiert frauenfeindliche Botschaften transportieren.
Ein Ranking der drei thematisch miteinander verbundenen Filme, fällt mir schwer, und Melancholia ist schon eine Weile her und ein Rewatch wäre interessant. Vielleeicht würde ich Antichrist in die Mitte setzen und Nymph()maniac an die Spitze, aber ist wie gesagt, schwierig, da eine hierarchisierende Ordnung zu erstellen.
Ansonsten:
The Fountain
Visuell durchaus beeindruckend, wobei Aronofsky zum Ende hin vielleicht ein paar Effektschippen zu viel drauf packt. Spannend ist die Verknüpfung der drei (Zeit)Ebenen und Hugh Jackman ist als der den Tod nicht akzeptierenden Ehemann und Arzt toll. Auch musikalisch überzeugend.
Rivers Wash Over Me
Ein Low Budget-Film über einen Jungen, der nach dem Tod seiner Mutter aus New York in eine alabamische Kleinstadt zu Verwandten ziehen muss und dort als sensibler, schwuler Teenager, der gern liest, von Anfang an Probleme bekommt. Das Drehbuch hat einige Schwächen und ist nicht pointiert genug, die Regie könnte Schuld daran haben, dass Derrick L. Middleton als Hauptfigur Sequan neben überzeugenden Szenen in anderen etwas künstlich wirkt. Über das Ende kann man streiten, über die unlogische Hinführung nicht.
Positiv ist zu vermerken, dass der Cast zu einem Großteil schwarz ist; außerdem ist Elizabeth Dennis als koksendes weißes Mädel mit einem Faible für schwarze Jungs klasse. Sie sieht Emilie de Ravin übrigens ziemlich ähnlich, meiner Meinung nach.
Trotz einiger Mäkel sehenswert.
