Viel Arbeit für mich hier. Aber dann wollen wir mal, gerade weil mit Dir, HerrVorragend, Sachlichkeit und Argumente in die Debatte einziehen. Danke
Herr Vorragend hat geschrieben:Bei den "politisch motivierten Gewalttaten" liegt "PMK links" mit 1664 Fällen immer noch deutlich vor "PMK rechts" mit 1029 Fällen, es gibt also über 60% mehr "linke" Gewalttaten als "rechte". Auch beim Unterpunkt Körperverletzung liegt "PMK links" mit 924 gegenüber 900 Fällen bei "PMK rechts" vorne. Und wenn man nur auf die Tötungsdelikte bzw. versuchten Tötungen schaut, von denen Du in Deinem Kommentar ja geschrieben hast - gerade da zeichnen zumindest die Zahlen des letzten Jahres tatsächlich ein ganz anderes Bild als Dein Posting
Ich will zu den Zahlen, die Du aus dem Bericht zitierst, noch die anderen Zahlen nennen, die Du nicht zitierst. Das zeichnet ein ganz anderes Bild als Dein Posting:
- Die Gesamtzahl der Straftaten, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden, liegen bei 17.020, die aus dem linken Spektrum bei 8.113.
- Bei extremistischen Straftaten liegen die rechten Fälle mit 16,559 Straftaten weit vor den linken mit 4.424.
- Bei fremdenfeindlichen Straftaten haben wir einen deutlichen Anstieg des Straftatenausfkommens.
Wenn es politische motivierte Gewalttaten geht, ist
diese Statistik mit insgesamt 183 Tote durch rechte Gewalt seit 1990 bis 2013 noch eine ganz andere Dimension. Allein schon, wenn wir
nur ein Jahr zurückgehen: Im Jahr 2013 gab es 704 Körperverletzungen mit rechtsextremistisch motiviertem und 606 Körperverletzungen mit linksextremistisch motiviertem Hintergrund. Von den unzähligen Hasspostings, die gerade durchs Netz aus der rechten Szene rüberschwappen und die nicht verfolgt, sondern aus Hilflosigkeit einfach gelöscht werden, reden wir da noch gar nicht.
Herr Vorragend hat geschrieben:Ich will damit keineswegs behaupten, dass rechte Kriminalität in Wahrheit unter'm Strich sogar harmloser ist als linke Kriminalität (auch wenn man dies durchaus aus den reinen Zahlen herauslesen könnte) - der umgekehrte Fall, dass man linke Gewalt verharmlost, gefällt mir aber auch nicht.
Es geht auch nicht darum, dass hier irgendjemand - auch ich nicht - linke Gewalt verharmlosen will. Im Übrigen ist die rechte Gewalt auch nicht harmloser als die linke. Es ist - nochmal - ein qualitativer Unterschied, ob ich einen Menschen umbringe oder ein Sachdelikt begehe bzw. ob ich einen Menschen wegen seiner Hautfarbe, seiner Kultur seiner Nationalität angreife oder wegen seiner politischen Einstellung. Gleichwohl ist Gewalt trotzdem in keinster Weise gutzuheissen.
Zur eigentlichen Flüchtlingsdebatte:
Herr Vorragend hat geschrieben:
Die meisten Menschen, die jetzt kommen, erhoffen sich von ihrer Reise nach Europa nicht nur reines Überleben, sondern ein besseres, selbstbestimmtes Leben mit einer echten Perspektive. Wenn wir ihnen das nicht bieten können, werden diese Menschen über kurz oder lang frustriert. Und ob wir DAZU bei dieser Menge an Menschen in so kurzer Zeit wirklich in der Lage sind, das ist (vorsichtig ausgedrückt) sehr zweifelhaft.
Im Rahmen der ganzen Debatte um die Flüchtlinge rächt es sich einmal mehr, dass die Integrationspolitik der letzten Jahre ziemlich gegen die Wand gefahren wurde. Da hat man den Leuten, die seit Jahren hier wohnen, gesagt, dass sie endlich mal deutsch lernen sollen, hat aber auf dem Ausländeramt nicht eine Broschüre in der jeweiligen Landessprache ausliegen gehabt. Da hat man den Leuten gesagt, dass sie in Integrationskurse gehen sollen und dann haben die sich da angemeldet und am Ende waren die Kurse so voll, dass die meisten wieder abgewiesen wurden. Und nicht zuletzt hat man immer wieder gezündelt mit den kriminellen Ausländern, mit dem Feindbild Islam und nicht zuletzt auch mit der reinen Angst vor der Überfremdung.
Dass wir die Flüchtlinge aufnehmen können und das schaffen, sollte finanziell keine Frage sein. Wenn wir trotz der finanziellen Belastungen durch die Flüchtlinge in diesem Jahr eine schwarze Null erreichen können und angesichts des monströsen Bundeshaushaltes sind die - glaube ich von Andrea Nahles - mal genannten 7 Mrd. Euro regelrechte Portokasse. Selbst wenn es 14 Mrd. wären, wäre das immer noch ziemlich wenig.
Herr Vorragend hat geschrieben:Schon heute können wir auch vielen Menschen, die hierzulande aufgewachsen und daher bereits Teil der Gesellschaft sind, über etliche Jahre Schulbildung, gute Kenntnisse der deutschen Sprache etc. verfügen, ein solches Leben nicht bieten; dazu zählen nicht nur die soundsoviel offiziellen Arbeitslose, sondern auch unzählige "verdeckte" Arbeitslose und Millionen prekär Beschäftigter. Der durchschnittliche Flüchtling, der jetzt hierher kommt, hat da im Vergleich sogar eher noch schlechtere Karten auf dem hiesigen Arbeitsmarkt, und daher eher noch schlechtere Chancen, hierzulande wirklich glücklich zu werden.
Die Frage, was wir den Flüchtlingen dagegen nach der Aufnahme bieten können, ist eine andere und sehr berechtigte. Ich glaube aber, dass auch diese Frage sich mit der Entwicklugn beantwortet: Ein Teil der Flüchtlinge wird zurückgehen, wenn sich - hoffentlich - die Lage in ihrer Heimat wieder gebessert hat. Ein Teil der Flüchtlinge wird versuchen sich in Deutschland selbstständig zu machen - und damit Arbeitsplätze schaffen. Ein Teil der Flüchtlinge bringt Qualifikationen mit, mit denen sie hier punkten können.
Der Verweis auf die Arbeitslosigkeit, die momentan in Deutschland herrscht, ist dabei nicht falsch, geht aber fehl. Denn die Arbeitslosen würden ja auch dann keinen Job haben, wennn es die Flüchtlinge nicht gäbe. Dass viele Menschen heute prekär beschäftigt sind - oder gar nicht beschäftigt, weil sie "überqualifiziert" sind - steht ausser Frage. Die Frage ist doch aber nicht, wie Flüchtlinge diese Situation noch verschlimmern werden, weil auch sie teilweise prekär beschäftigt sein werden, sondern die Frage ist, wie man der prekären Beschäftigung entgehen kann. Seit Jahren gibt es hier einige Modelle: Ein Modell war die Einführung eines Mindestlohns, ein anderes Modell das bedingungslose Grundeinkommen. Ob diese Modelle hilfreich sind oder sein werden, steht auf einem anderen Blatt.
Eine Anmerkung noch: Es ist an dieser Stelle ziemlich einfach, auf die Politik zu zeigen und zu sagen, dass die nichts gemacht haben, weil das auf der anderen Seite ja bedeutet, dass wir mehr machen würden, wenn die auch mehr machen. Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aber meist nur in der Politik verortet und gesehen wird. Dazu kommt, dass es durchaus sehr gute Projekte gibt: Die Stadtteilmütter in Neukölln beispielsweise.
Es fehlt aber auch einfach das Bewusstsein in der Gesellschaft für Belange von Migranten. Wenn es beispielweise eine Bürgerbeteiligung zu einem Thema gibt, werden zwar grundsätzlich alle angesprochen, aber viele beteiligen sich nicht. Die tun das aber nicht, weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nicht wissen oder weil sie glauben, dass ihre Meinung nicht von Belang ist. Der Anteil von Migranten, die sich an Bürgerbeteiligungsmaßnahmen beteiligen bzw. überhaupt angesprochen werden, ist verschwindend gering. (Ein Phänomen, dass aber auch in anderen Bevölkerungsschichten auftritt.)