Es folgt ein Roman..
Zunächst zum Thema Island:
JackieZ hat geschrieben:
Ein positives Gegenbeispiel ist Island - das erste Land, was von der Staatsschuldenkrise betroffen war.
Der Vergleich hinkt, wo er nur hinken kann. Erstens gab es in Island keine Staatsschuldenkrise und keinen Staatsbankrott. Die Krise Islands ist/war eine Währungs-und Bankenkrise und steht damit unter völligen anderen Vorrausetzungen.
Wenn man es unbedingt auf einen Vergleich anlegt, dann kann man Island mit Irland vergleichen. Auch dort war eine Bankenkrise ausschlaggebend für die derzeitigen Probleme und auch dort gab es ein großes Leistungsbilanzdefizit aufgrund des hohen Kapitalimports. Letzteres ist enorm wichtig, denn die isländichen Banken entschlossen sich, nur das inländische Kapital zu retten. Ausländische (Privat-)gläubiger gingen leer aus. Das heißt, dass bei dieser Bankenkrise die inländische Wirtschaft sehr viel weniger getroffen war. In Griechenland hingegen halten die inländischen Banken zum Großteil inländische Forderungen (dazu später noch mehr).
Zweitens waren die Staatschulden in Irland und Island zu Beginn der Krise relativ niedrig. Erst im weiteren Verlauf erreichten sie ein stark überdurchschnittliches Niveau. Diesen Puffer gibt es in Griechenland nicht. Konjunkturpakete und ähnliches sind dort nahezu unvorstellbar.
Drittens befindet sich der Lebensstandard Islands und die Wirtschaftskraft pro Kopf auf einem ähnlichen Niveau wie Deutschland. Dass ein solches Land sich sehr viel schneller von einer Krise erholt, ist nur logisch.
Viertens ist Island kein EU-Mitgliedsstaat und auch nicht abhängig von der EZB oder dem EURO-Wechselkurs. So war es möglich, die völlig überbewertete isländische Währung abzuwerten und somit die Grundlage für einen Neuanfang zu schaffen.
Fünftens:
JackieZ hat geschrieben:Island bekam kein Rettungspaket und wurde marktgerecht bereinigt.
Das stimmt nicht. Island bekam Überbrückungskredite und Rettungspakete vom IWF, Großbritannien und auch Deutschland. Nur hat man hierzulande eben kaum was von den Hilfspaketen in Höhe des halben BIPs Islands mitbekommen, aufgrund der verschwindend geringen absoluten Höhe.
Auch wurden Islands Banken nicht "marktgerecht bereinigt", denn der isländische Staat hat alle drei Großbanken und deren isländische Vermögenswerte und Schulden übernommen. Für Ansprüche aus isländischen Einlagensicherungsfonds kam zum Teil ebenfalls der Staat auf.
Die Verpflichtungen der Einlagensicherungsfonds für isländische Tochterbanken in GB und Holland übernahmen die jeweiligen Länder und zwar unter enormen diplomatischen Spannungen. Ohne die IWF-Kredite wäre Island längst nicht so glimpflich davon gekommen.
JackieZ hat geschrieben:Das Beispiel Island zeigt doch aber, dass ein Staatsbankrott und mithin eine Pleite fast aller inländischer Privatunternehmen nicht das Ende sein muss.
Wie oben bereits erwähnt, gab es keinen Staatsbankrott und wo du das mit "fast allen isländichen Privatunternehmen" her hast, weiß ich nicht.
Wenn man Griechenland mit einer Staatspleite vergleichen will, dann mit Argentinien 2001. Sowohl bei der Höhe der Staatsschulden als auch der zu starken Währung lassen sich Parallelen finden. Wenn man sich die Entwicklung Argentiniens anschaut, liese sich für Griechenland ein ähnliches Szenario konstruieren: 2-3 Jahre den Status eines Entwicklungslandes (wirtschaftlich und sozial) annehmen und danach wieder nach vorn blicken.
Nur liegen die Fakten in Griechenland anders: Zunächst bestanden die Verpflichtungen Argentiniens, wenn man vom IWF absieht, hauptsächlich gegenüber Privatgläubigern. Auch in Argentinien gab es einen Schuldenschnitt dieser Verpflichtungen. Supranationale Institutionen wie der IWF bestehen hingegen auch nach einem Staatsbankrott in aller Regel auf die Erfüllung der Verpflichtungen und genau dieser Punkt ist für Griechenland problematisch.
Selbst wenn Griechenland einen hundertprozentigen Schuldenschnitt bei den Privatgläubigern durchführen würde, bliebe, durch die ganzen Hilfspakete, ein Schuldenberg gegenüber institutionellen Gläubigern. Würde Griechenland noch dazu aus dem Euro austreten, stiegen diese Euro-Verpflichtungen wiederum um ein Vielfaches durch die Abwertung der neueingeführten Drachme.
Würde Griechenland auch seine Verpflichtungen gegenüber institutionellen Gläubigern nicht mehr erfüllen, dürfte es eng werden in der EURO-Zone: Nicht nur, dass die EZB selbst griechische Staatsanleihen im Wert von 50Mrd.€ hält, was übrigens einem Vielfachen des gezeichneten Kapitals der EZB entspricht, sie gewährt den Banken im Rahmen der Offenmarktpolitik auch die Hinterlegung griechischer Staatsanleihen als Sicherheit. Gingen also Banken mit griechischen Staatsanleihen im Zuge der Griechenlandpleite bankrott, könnten nicht einmal deren Sicherheiten verwertet werden.
Und das bringt uns gleich zum nächsten Thema: Die Griechischen Banken. Wie
eine Quelle im Juni 2011 berichtete, übersteigen die griechischen Staatsanleihen im Besitz griechischer Banken teilweise das Sechsfache des Eigenkapitals dieser Banken. Und hier kommen wir eben auf den Unterschied zu Island, wo die Banken großteils auslandsverschuldet waren, zurück: Ein "Pleitegehenlassen" betrifft zum großen Teil auch die inländische Wirtschaft. Zur Staatspleite käme eine massive Bankenpleite in Griechenland hinzu, die die Wirtschaft auf absehbare Zeit lähmen würde und die Refinanzierung Griechenlands aus privater Hand nahezu unmöglich machen dürfte. Dies könnte dementsprechend auch dazu führen, dass die restlichen PIIGS-Staaten privat nicht mehr refinanziert werden, weil z.B. keiner mehr ihre Staatsanleihen kaufen möchte. Die Folge: Wiederum müssten EZB und EU-Staaten einspringen, fraglich ist nur, ob das noch vermittelbar wäre, nachdem man in Griechenland hunderte Milliarden verbraten hat.
Eisbär hat geschrieben:Dass die angewandte Austeritätspolitik gar nicht funktionieren KANN (der Entzug von Massenkaufkraft muss logischerweise in eine Rezession führen), die griechische Wirtschaft also nie selbstständig aus der Krise hinauswachsen kann, weiss ja sogar der IWF selbst.
Das ist schon möglich. Argentinien wäre da wieder ein Beispiel (wenn auch kein sonderlich gutes, bedenkt man die sozialen Missstände im Land). Allerdings ist das tatsächlich wenig hilfreich, wenn man nicht an der strukturellen Unwirtschaftlichkeit des Landes ansetzt. In meinen Augen braucht Griechenland eine deutlich schwächere Währung, um auf einen grünen Zweig zu kommen. Dadurch könnte zunächst die Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits angegangen werden, indem man die Exportwirtschaft und der Tourismus fördert. Nur ist das eben ein Teufelskreis. Wie oben schon geschrieben, würde die Wiedereinführung der Drachme durch die Vielzahl institutioneller Gläubiger wahrscheinlich sogar noch gegenteilige Wirkungen entfalten.
Andererseits ist aber eine immense Euro-Abwertung unrealistisch und würde dem Rest der Euro-Zone auch nicht unbedingt gut tun. Ich möchte jedenfalls gerade nicht solche Entscheidungen treffen müssen. Normalerweise bin ich der Letzte, der Subventionen gut heißt, doch in diesem Fall ist die Lage viel zu verzwickt, als dass man sich einfach hinstellen und sagen kann "wir geben euch jetzt nichts mehr".
Und schließlich noch dazu:
Eisbär hat geschrieben:Wenn die griechische Bevölkerung nicht mit ihrem Establishment aufzuräumen vermag und dort zeitnah demokratische Zustände etablieren kann, wird DAS auf die Nachbarländer übergreifen.
Ich halte es, diplomatisch ausgedrückt, für sehr idealistisch, die griechische Bevölkerung hier vorwurfslos gehen zu lassen. Schließlich hat sie über Jahre von der laxen Steuerpolitik des Staats profitiert und mit einem Selbstverständnis ihre Gehaltsschecks in bar, natürlich ohne Steuerabzug, kassiert. Nach 10 Jahren gibt es dann halt Steueramnestie und kein Mensch interessiert sich mehr dafür, dass diese Gelder ja vielleicht notwendig wären für Infrastruktur oder Sozialsysteme. Man vermutet ein Drittel des BIPs in der Schattenwirtschaft Griechenlands - auf Kosten ausländischer (institutioneller) Gläubiger. Da betrifft der Egoismus des "Establishments" ja wohl die ganze Bevölkerung.