Und nun der etwas längere Kommentar zur Runde.
Ich habe diese Runde gleich einige Ideen zusammengerührt (vielleicht etwas viele, aber man weiß ja mittlerweile nie, wann es eine nächste gibt), die ich kurz kommentieren möchte.
Insgesamt ging es mir bei den neuen Regeln darum
- alte Standardstrategien aufzubrechen und neue Ideen zu fordern.
- mehr Kommunikation zu erfordern.
- möglichst vielen Spielern besondere Aufgaben/Eigenschaften geben.
Ich glaube, dass das drei Punkte sind, an denen es zuletzt etwas mangelte, wodurch die Mafia-Müdigkeit befeuert wurde.
Keine Anzeigen, Testamente
Auch wenn es dem ein oder anderen nicht gefallen hat - ich bin von dieser Variante weiterhin sehr überzeugt, weil es die Spieler fordert, ein eigenes Kommunikationsgefüge zu schaffen und weil es mehr Unsicherheitsfaktoren schafft. Ich war zugegebenermaßen ein bisschen enttäuscht, dass da so wenig kam. Ich erinnere mich an Runden, in denen Detektiv-Twitter-Accounts entdeckt wurden, bevor diese eine Anzeige schalteten. Die Bürger hätten sich auch auf die Nutzung einer Shoutbox etc. einigen können. Sowas hatte ich eigentlich im Kopf.
Das Anlegen von Forum-Accounts war NICHT das, was passieren sollte - ich hab da auch schlicht gar nicht drüber nachgedacht. Ich bin kein Fan von Verboten in Spielregeln, aber das sollte man vielleicht aufnehmen (wenn auch eigentlich ohnehin von den Forumsregeln abgedeckt).
Etwas peinlich, dass mir die Variante, dass der Scharfschütze seinen Account zur Kommunikation nutzen kann, komplett durch die Lappen gegangen war, was ich aber gar nicht mal so negativ sehe.
Was die Testamente angeht: Hier war es erforderlich, sich Netzwerke zu schaffen, in denen möglichst immer jemand wusste, was man tut und wen man anspricht und dies im Todesfall kommunizieren kann. Auch das sehe ich eigentlich als interessante Herausforderung.
Selbstjustiz
Tatsächlich habe ich das zunächst nur mit reingenommen, weil ich dachte, die Texas-Variante würde ein paar mehr Interessenten anziehen, damit mal wieder eine volle Runde zusammenkommt. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass ich mit der Einschätzung völlig falsch lag - wenn das überhaupt was bewirkt hat, dann Leute abzuschrecken.
Dazu war das auch noch der allergrößte Regel-Flaw, dass die Mafia-Morde auch darüber geregelt wurden. So konnte die Mafia ihre Morde auf Vorschuss ausspielen, wenn sie dafür einen Mafioso outete. Leider merkte ich das deutlich zu spät.
Waffenschmied
Als Rolle für die "kontrollierte Offensive" der Texas-Variante sicherlich sinnvoll. Die Herausforderung bestand darin, die Patronen so zu verteilen, dass sie a) sinnvoll genutzt werden und dabei insbesondere b) nicht in die Hand der Mafia fallen und c) dadurch weder man selbst noch der Empfänger geoutet wird.
Leider früh aus dem Spiel geschieden (samt der ersten Patrone), daher mangelte es gegen Spielende etwas an Feuerkraft.
Detektiv und Rekrut
Ich hatte im ersten Entwurf ja abwechselnde Det und MM drin. Mit im Schnitt über 3 Kills am Tag (inkl. Waffenschmied) hätte das aber bedeutet, dass beide vielleicht auf jeweils 2 Abfragen gekommen wären. Bei der erschwerten Kommunikation zu wenig, um da sicher auszusieben. Daher nun der Detektiv, der jeden Tag abfragt.
Der Rekrut dient dazu, den Zufall abzufedern. Erwischt die Mafia schnell den einzigen Detektiv, so wäre das ein schwerer Schlag für die Bürger gewesen und hätte wohl auch dem Spiel nicht gut getan. So bleibt immerhin ein MM, auch wenn man den erst neu testen muss.
Scharfschütze
Die absolut wichtigste Rolle des ganzen Konzepts und ich plädiere absolut dafür, sie beizubehalten. Der Scharfschütze bewirkt mehrere Dinge alleine durch seine Anwesenheit:
- Kommunikation wird schwieriger, riskanter und muss evtl. trickreicher gestaltet werden. Wer sich bei der falschen Person outet, kann schon Minuten später ins Gras beißen ohne dass die Mafia dafür den normalen Mord verwenden muss
- Wichtige Sonderrollen geraten in ein Dilemma, wenn sie bei der Hinrichtung ins Visier geraten. Ein öffentliches Outing bringt nichts. Hier sind Vertraute nötig, die eine Wahl zum Kippen bringen.
- Der Scharfschütze ermöglicht viele Sonderrollen mit wenig relevanten Fähigkeiten oder gar kleinen Herausforderungen. Ein Bürgermeister oder gar ein Soziopath hätte sich in früheren Runden direkt geoutet und die Bürgerrollen hätten einander gefunden. Nun bedeutet Outing nichts anderes als gekillt zu werden. Ich finde die Lösung elegant, dass so etwas über eine Sonderfähigkeit geregelt ist und nicht etwa über ein Outing-Verbot (das sowieso nicht funktionieren würde).
Kehrseite: Stirbt der Scharfschütze, dann kippt das Spiel. Nicht ohne Grund habe ich den Scharfschützen für den Detektiv unsichtbar gemacht. Dennoch: Ein Glückstreffer an Tag 1 und die Runde ist im Eimer.
Möglicher Verbesserungsvorschlag: Der Scharfschütze ist nicht mehr unsichtbar für den Detektiv, dafür ist er aber eine Art Chamäleon und bei seinem Tod wird eine andere Mafia-Rolle angegeben.
Außerdem sollte definiert werden, was geschieht, wenn der Scharfschütze kurz vor der Wahl zuschlägt - das Szenario fehlte in meinen Regeln.
Romeo und Julia
Ein ziemlicher Regel-Flaw, der mir erst kurz nach Rundenstart aufgefallen ist: Romeo und Julia können das Outing-Problem aushebeln, indem sie sich gemeinsam outen, aber nicht sagen, wer wer ist. Der Scharfschütze hat nur noch eine Erfolgschance von 50%, was ein extremes Risiko ist, das dem Kosten/Nutzen-Verhältnis nicht Rechnung trägt.
Besser wäre es gewesen statt Romeo und Julia die ursprünglich vorgesehenen Freimaurer (zwei normale Bürger, die einander von Beginn an kennen) drin zu behalten, gerade in dieser Runde, in der es wichtig ist, Verbündete zu haben. Da diese die gleiche Sonderrolle hätten, hätten sie sich nicht gemeinsam outen können.
Spion
Diese Rolle habe ich dadurch massiv aufgewertet, dass sie 3 der 5 Mafia-Patronen besitzt. Findet die Mafia den Spion nicht, dann steht sie in Nacht 3 dumm da. Und wird wenn alles schief läuft dann auch noch vom eigenen Spion erschossen. Finde ich deutlich interessanter als den klassischen Spion. Für eine weitere Verwendung müsste man den Mafiamord natürlich weiter an Patronen koppeln (nimmt man die Selbstjustiz raus, ist das oben beschriebene Problem mit den Vorschuss-Morden nicht mehr da).
Nachtwächter
Ich hatte den Nachtwächter eigentlich als recht schwache Rolle bewertet, da es viele nachtaktive Bürger gab, merkte dann später aber, dass er als einziger im Spiel sichere Bürger hervorbringen kann (denn die Mafia inkl. Scharfschütze ist immer nachtaktiv). In diesem Szenario als netzwerkfördernde Rolle sehr interessant.
Dieb und Räuber
Beide Rollen wurden konzipiert, für die Mafia den Mangel an Kontaktmöglichkeiten mit dem Spion auszugleichen. Der Räuber kann den Spion direkt identifizieren, der Dieb kann zumindest in Nacht 0 einen sicheren Treffer landen, denn der Spion ist der einzige Mitspieler, den er erfolgreich berauben könnte. In einem Spiel ohne Selbstjustiz auf Bürgerseite, muss der Dieb natürlich entfallen.
Soziopath
Die Rolle fand ich ganz witzig, da sie in normalen Mafia-Runden (ohne Scharfschütze) nie möglich gewesen wäre. Statt einer nützlichen Fertigkeit ist dies eher eine persönliche Herausforderung (die Hessenlöwe mit Bravour ..). Ich halte es für fast unmöglich für den Soziopathen, ein längeres Spiel zu überleben, es kann nur darum gehen, so lange wie möglich dabei zu bleiben und dafür zu sorgen, dass man nie 100%ig identifizierbar ist. Denn nur dann wird der Scharfschütze das Risiko eingehen, diese schwächste Bürgerrolle von allen zu killen.
Einfache Bürger
Davon gab es am Ende doch zwei mehr als ursprünglich geplant. Der Grund ist folgender: Da der Scharfschütze keine normalen Bürger töten kann, hätten sich sonst einfach die ein/zwei normalen Bürger outen können. Unter so wenig Bürgern kann sich kein Mafioso mogeln. Hätten sich hingegen die nun vier Bürger geoutet, dann hätte sich einfach ein Mafioso hinzugesellt und die Mafia hätte sich kaputt gelacht, dass sie nun genau weiß, wo die Sonderrollen zu finden sind.
Prinzipiell sollte es am besten klappen, wenn es
keinen normalen Bürger mehr gibt oder wenn der Scharfschütze auch einen solchen töten kann (dann darf es aber maximal zwei geben, sonst kann der Scharfschütze bei günstigem Spielverlauf im Endgame alle auf einmal umlegen).
Ich hoffe, wir sehen uns bald in einer Mafia-Runde wieder
