Erstaunlich: Sie wollen keine neuen Wohnungen, obwohl die doch gebraucht werden.
Es ist doch Quatsch zu behaupten, dass diejenigen, die für den Vorschlag der Initiative 100% Tempelhofer Feld gestimmt haben, keine Wohnungen wollen. Es kommt allerdings auf das Wie und Wo an.
Das Tempelhofer Feld ist nicht der einzige Ort, an dem man Wohnraum schaffen könnte - siehe
"BUND zu Wohnungsbaupotenzialen: Berlin hat mehr zu bieten als das Tempelhofer Feld". Und wenn der Senat versucht, mit zweifelhaften Bevölkerungswachstumprognosen zu begründen, dass man diese Wohnungen auf dem Feld unbedingt bauen muss, weckt das nicht gerade Sympathien.
Selbst eine Randbebauung würde das Wesen des Felds, seine Freiheit und Weite, stark verändern. Das Vertrauen, dass es bei einer "behutsamen Randbebauung" bleibt, ist bei denjenigen, die gegen den Masterplan abgestimmt haben, nicht da. Dass wenig Vertrauen ist, hat sich die Berliner Wohnungspolitik selbst zuzuschreiben.
Auch der teure Bau der Zentral- und Landesbibliothek ist umstritten. Letztendlich geht es auch darum, dass der Bürger mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung seiner Stadt fordert. Die Fronten scheinen sich stattdessen aber verhärtet zu haben und ein Dialog hat nicht stattgefunden.
Ich bin froh, dass die Bürgerinitiative Erfolg hatte, dass sich so viele Menschen leidenschaftlich für diese einzigartige Fläche eingesetzt haben und damit signalisieren, dass sie mitbestimmen wollen.
Seltsam finde ich dann Formulierungen wie "Während der rot-schwarze Senat noch analysiert, warum es nicht gelungen ist, den Berlinern seine Pläne für die Randbebauung zu vermitteln [...]" (Berliner Morgenpost), was impliziert, dass die Entscheidung gegen den Masterplan vor allem das Resultat einer mangelhaften kommunikativen Strategien ist.
Es ist seltsam, dass viele hier in Berlin krampfartig eine Wohnung im ach so schicken Prenzlauer Berg suchen - aber Marzahn verachten. Wir haben ein dichtes S- und U- Bahnnetz, da ist man schnell von A nach B. Aber gewisse Schnösels wollen unbedingt in den angesagten Bezirk. In gewisser Weise ist das auch wieder eine Ghettoisierung, halt nur im gutsituierten Bereich. Die Leute sind meist auch so versessen auf Bioläden und dergleichen.
Was ist daran seltsam? Sowas ist doch ganz normal. Marzahn-Hellersdorf bietet kulturell leider nicht viel, das Stadtbild wird von grauen Betonhochhäusern bestimmt, während Prenzlauer Berg eben "hip" ist und Cafés, Bars und internationales Flair bietet. Das ist doch nachzuvollziehen, dass die meisten jungen Menschen eher dorthin ziehen, wo sie sich wohl fühlen. Das hat nichts damit zu tun, dass diese Leute Schnösel sind. Schade ist es natürlich, dass die Randbezirke dann im Gegenzug veröden und ein geringes Ansehen in der Bevölkerung haben.
Aber beim Tempelhofer Flughafen wären auch günstige Wohnungen gebaut worden. Und das Feld wäre eh noch frei geblieben, weil es nur eine Randbebauung gewesen wäre. Es geht darum, nicht immer gleich zu allem "nein" zu sagen. Wir sind die Hauptstadt, da ist es schon ein Armutszeugnis, wenn sinnvolle Bauvorhaben abgesagt werden.
Man hat ja nicht nur NEIN zum Senatsbeschluss gesagt, sondern auch JA zur Bürgerinitiative. Ganz bescheuert fand ich auch den Spruch "Nur mit Bebauung Fortschritt, die Volksiniative bedeutet Stillstand" (sinngemäß). Aha, wenn man dann alles zubaut mit teuren Wohnungen, Büros, Gastronomie und Co, ist das also Fortschritt und wenn man eine Freifläche erhalten will, ist das negativ und Stillstand oder wie? Darüber hinaus hat die Bürgerinitiative Pläne, die eben nicht Stillstand bedeuten, sondern das besondere Wesen des Feldes berücksichtigen und Frei- und Erholungsraum für gestresste Städter bieten.
Ein Armutszeugnis ist es eher, wenn man nicht einsehen will, dass andere Menschen diese Bauvorhaben eben nicht sinnvoll fanden.