Rodon hat geschrieben:
Ich glaube, du gehst zu sehr von fiktionalen Formaten aus. Non-fiktionale Sendungen sind bisher in On-Demand-Portalen so gut wie gar nicht vertreten. Hat ja auch seinen Grund: Tagesaktuelle Nachrichten beispielsweise, an denen grundsätzlich ein hohes Interesse besteht, werden live gesendet und wirst du daher so schnell nicht auf VOD-Portalen finden. Live ist generell das Stichwort, was das klassische TV vielleicht noch ein wenig länger am Leben erhält, als du meinst.
Da hast du Recht, aber auch in dem Punkt haben wir ja schon heute den Zustand, dass reine Newssender wie N24 oder CNN und so weiter ihr Programm live streamen, den ganzen Tag.
Ich kann mir gut vorstellen, dass live events egal welcher Art nicht so sehr einen TV Sender benötigen, sondern lediglich einen bekannten Streamingdienst. Also im Grunde läuft auf Youtube live für solche Dinge raus (die hätten zumindest die Bandbreite, um auch den Stream nicht einknicken zu lassen), oder ein neuer Spieler mit regionaler Note tritt dazu.
Wie gesagt, du vergisst die Nachrichten und Sport (die WM 2014 erreichte neue Reichweiten-Rekorde!) und generell gibt es ja vieles auf den ÖRs, was einfach gerne von der (älteren) Masse geguckt wird.
Gerade Sport ist ein klassischer VOD Artikel. Und da würde es sogar Sinn machen, denn da zahlt dann nur der, ders auch sehen will. Und richtig große Dinger wie die WM, da kann ich mir gut vorstellen, dass es das Gratis über Sponsoren geben wird-besser kann man sich ja nicht profilieren, als bspw. "wir schenken allen Deutschen die gesamte WM in HD"...
Das Problem ist aber, dass kein Anbieter zur Zeit alles hat. Um wirklich das volle Programm zu bekommen, muss man sich bei zig Diensten anmelden und dann natürlich Geld zahlen. Mehr Geld, als das bei heutiger normaler TV-Nutzung der Fall ist. Beschränke ich mich nur auf einen Dienst, z.B. Amazon Prime Instant Video, habe ich das Problem, dass nach einigen Monaten zig Serien plötzlich verschwunden sind und durch ganz neue ersetzt werden. Bin ich mit der Serie, die ich gerade verfolge, dann nicht durch, dann habe ich Pech gehabt und muss warten, bis sie wieder erneut in die Rotation kommt.
Also teurer als Haushaltsabgabe und Sky komplett wird es wohl kaum werden. Ich rechne eher damit, dass ein Flatmodell in Deutschland maximal nen Zehner kosten darf, um erfolgreich zu sein. Wenn man sich dann für nen Zwanni oder Dreissig im Monat komplett werbefrei im Grunde alles holen kann, dann werden das viele machen.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es den Leuten irgendwann egal ist, was es im Werbefernsehen gibt-die Leute gewöhnen sich rasend schnell an werbefrei und was dann dort nicht gezeigt wird, das interessiert dann auch nicht.
Ich guck zum Beispiel nur noch online, teils über legale Abos ala Watchever und demnächst Netflix, aber auch über Grauzonenangebote wie Kinox und Co. Ich guck überhaupt nicht mehr nach, was im Werbefernsehen wann kommt, sondern gucke, was auf diesen Portalen im Angebot ist.
Will man 50 Millionen Kunden haben, darf man sich aber auch nicht zu viele Formate leisten, die nur 4 Zuschauer haben. Man muss schon den Geschmack der zahlenden Masse treffen, sonst werden die Kunden auch schnell wieder weniger.
Nee, das ist es ja gerade. Du musst unbedingt Formate haben, die nur 4 Zuschauer locken. Massenmagneten haben nämlich alle Portale, was zählt ist die Gesamtmenge. Und da zählt jeder. Wenn nun die Serie nur 4 Zuschauer zieht, diese aber dafür schön ihr Abo verlängern, dann lohnt sich das weit mehr, als wenn man eine Saison mit dem Blockbuster Kunden gezogen hat.
Das ist quasi das Gegenteil vom dümmlichen, immergleichen Einheitsbrei, den wir aus dem Quotenfernsehen leidlich kennen. Serien wie The Wire, Sopranos, Dexter und so weiter, die wären im Quotenfernsehen nie gekommen. Die paar Millionen (was für den Amimarkt alleine erstmal nix ist, wie bei uns 1 Mio Zuschauer), die die Serie mochten, haben aber über Jahre einen Grund gehabt, weiter zu abonnieren. Es zahlt ja nicht der Werbekunde, sondern der Zuschauer. Für den muss das Programm sein, lös dich mal vom Denken, das eine Quote wichtig ist. Die ist nur wichtig, wenn du Werbeblöcke verkaufst. Dem Zuschauer ist es wurscht, ob er seine Serie alleine guckt, oder hundert andere das auch tun...
Live gesendet werden fast alle Infosendungen mit aktueller Berichterstattung. Bei den ÖRs ein recht großer Programmanteil. Dazu kommt halt Sport und manche Shows (vor allem bei Privaten), die von ihrer Liveausstrahlung sehr profitieren wie "Schlag den Raab".
Naja, die kommen aber auch alle als Stream, im Fall Schlag den Raab macht das sogar noch mehr Spaß, weil man parallel auf der Streamseite die Show gemeinsam mit anderen kommentieren kann. In einer Nation mit immer mehr Singles wird sowas gern angenommen.
Schau dir mal das Programm der Öffis näher an; darin finden sich auch sehr viele Filme und Serien die selbst oder in ihrem Auftrag produziert wurden. Der Unterschied zu den VODs dürfte wohl weniger in der Qualität liegen als mehr in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen die bedient werden. Die Öffis behandeln die Unterhaltungsbedürfnisse jüngerer Alttersgruppen etwas stiefmütterlich, was man ihnen sicher auch vorwerfen kann; das ist aber kein Mangel des Fernsehens als solchem.
Oh, dann solltest du dir mal die Angebote der VODs angucken, da freuen sich jung und alt. Ehrlich, man mag da nicht immer das aktuellste kriegen, aber dafür ist hinten raus viel viel Luft. Da kann das Programm der Öffis nicht gegenan, was da geboten wird. Nur weil ein Film alt ist, ist er ja nicht schlecht. Und die Serie, die man vor zwanzig Jahren mal geschaut hat, die will man vielleicht gerne heute nochmal gucken, eventuell sogar diesmal werbefrei, weils das Loveboat früher nur auf Sat1 gab...
Ehrlich gesagt, an Geschmacksvielfalt mangelt es den VODs bei weitem nicht. Ich vermisse die Vielfalt allein bei den etablierten Fernsehsendern. Und die Vielfalt der Öffis, nunja, vieles davon läuft so oder so nicht auf ARD oder ZDF, sondern auf irgendwelchen Nischensendern und kommt dann nur kastriert in die Mediatheken ("dieser Beitrag darf aus rechtlichen bla bla..."), wo er nach ein paar Tagen wieder verschwindet...
VODs haben übrigens ganz nette Vorschlagsysteme-Vorteil dort, man kriegt sofort ne Beschreibung des Films, eventuell Trailer und kann das bequem auf eine Watchlist setzen. Da muss auch nix programmiert werden, völlig stressfrei jederzeit und immer wieder abrufbar.
Das Inhalte verschwinden, ist derzeit noch so. Dafür kommen die in der Regel aber nach ein paar Wochen wieder, nicht erst nach Jahren oder Jahrzehnten, mitunter niemals wieder, wie beim herkömmlichen Fernsehen...
Ich glaube noch an das klassische TV, weil es eben zwingt, sich zu einem Zeitpunkt hinzusetzen und eine Sendung zu gucken. Sonst schaut man manches nicht, weil man es vergisst, zu gucken, und man kann auch nicht mehr so mitreden. Das lineare Fernsehen macht es einem nicht so leicht, Dinge zu verpassen.
Versteh ich, aber auch da muss ich sagen, hat mich die VOD Erfahrung eines besseren belehrt. Zum einen, meine Zeit ist jetzt auschlaggebend, nicht die Zeit des Senders.
Wer gerne jeden Abend um 20 vor der Glotze sitzt, der kann das ja auch bei VOD tun.
Und es ist entscheidend, was mich interessiert, nicht das, was der Sender meint, was von Interesse sein soll. Das ist nämlich auch nur Fiction, Realityfiction, wenn man so möchte. Man denkt, man wisse Bescheid, in Wirklichkeit kennt man nur Tratsch und Klatsch.
Und man muss auch nicht mehr das kleinere werbezerhackte Übel wählen, wenn man wieder was gleichzeitig läuft. Und man muss auch nix programmieren, um das zu tun. Man guckt beides, wenn man möchte, wann man will.
Das ist im Grunde wie beim klassischen Buch. Das nimmt man ja auch aus dem Regal, wenn einem danach ist, nicht, wenn der Buchhändler sagt, heute wird gelesen und ab Mitternacht reiss ich dir Kapitel 1-3 raus, die kannst du dann nicht mehr lesen, weil ausser dir zu wenige mitlesen wollten oder weil wir die Seitenrechte nicht mehr haben ...
Mediale Unterhaltung ist wichtig, aber mediale Meinungsmache nicht so sehr. Ich hab mehr Lebensqualität, seitdem ich bewusst per VOD fiction konsumiere, und die Realityfiction, das verzerrte und manipulierte (wertfrei, es gibt eben keine Realität in Medien, da müsste man schon im O-Ton ohne Schnitt die Kamera laufen lassen...) Füllprogramm der Fernsehsender quält mich nicht länger. Fernsehen ist nämlich durchaus Stress, weil eine Weltsicht konstruiert wird, die es so nicht gibt.