- Sa 12. Sep 2015, 11:45
#1441018
Vor kurzem wurde an der Schule, an der ich arbeite, das erste syrische Kind angemeldet. Es spricht weder Deutsch noch Englisch, bekommt nun aber 4 Stunden Deutschunterricht pro Woche. Alle anderen Stunden werden im Klassenverband mitgemacht, allein schon, damit Kontakte zu den Mitschülern geknüpft werden können. Und das geht mit Händen und Füßen und tatsächlich viel Engagement der deutschen Schüler. Wir haben bei uns aus verschiedenen Gründen eine Hand voll Schüler, die sehr gebrochenes Deutsch sprechen. Bevor ich an die Schule kam, gab es noch nicht einmal ein Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache - ich hab dann eins angeschafft, weil ich als Fremdsprachenlehrerin genau diesen DaF-Unterricht übernommen habe. Die allermeisten Schulen sind einfach mal komplett unvorbereitet, obwohl man ja schon länger mit Flüchtlingskindern rechnen muss. Dabei ist es oft nicht einmal das Finanzielle, sondern eher Bürokratie, die schadet. Man braucht zB für eine offizielle Sprachlernklasse eine Mindestanzahl von Schülern, die aber kaum erreicht wird. Daher muss jede Schule ihr eigenes System entwickeln.
Was in meinen Augen am allerdringendsten fehlt, ist psychologische Unterstützung. Das Kind kam zB mit einem Übersetzer (Onkel?) zur Anmeldung, aber ohne Eltern. Da fragt man sich schon, welche Geschichte dahinter steckt und wie es dem Kind damit geht.
Bei uns hat auch kein deutscher Schüler irgendeinen Nachteil davon, dass die Schüler dazu gekommen sind. Ich persönlich sehe es eher als Bereicherung. Unsere Schule ist eh schon (für Dorf-Verhältnisse) sehr multikulti und interessanterweise versuchen alle möglichen Schüler, mit ihren jeweiligen Mutter-/Zweitsprachen, Kontakt mit den Kindern aufzunehmen, die eben kein Deutsch sprechen. Ein Junge spricht zB Kurdisch und verstand das syrische Kind. Das war für beide Kinder ein großes Erfolgserlebnis (außerdem wissen wir jetzt, wer bei Übersetzungen helfen kann).
Ansonsten muss ich bei der ganzen Debatte in letzter Zeit ständig daran denken, dass ich vor einigen Jahren in England einen ehemaligen Flüchtling aus dem Irak kennengelernt habe. Er hat uns damals auch von seiner Flucht (bzw mehreren Versuchen, auch über Deutschland usw) erzählt. Das war sehr beeindruckend und wenn irgendwelche Leute dumme Kommentare über Flüchtlinge machen, würde ich diese am liebsten höchstpersönlich irgendwo in Syrien oder im Irak aussetzen...
Fernsehfohlen hat geschrieben:Nehmen wir Schulen: Flüchtlingskinder müssen unterrichtet und gefördert werden, wenn man ihre Kindheit nicht verschenken und sie in die deutsche Gesellschaft integrieren möchte - es ist also in unser aller Interesse, dass diesen Kindern ein Weg ins Schulsystem freigemacht wird, wenn sie eine Aussicht auf einen längerfristigen Aufenthalt in Deutschland haben. Aber da kommen doch weitere Herausforderungen auf uns zu, wie wir Kindern mit einem völlig anderen kulturellen Hintergrund, oft kaum vorhandenen Sprachkenntnissen, zum Teil Traumata und mit mangelder frühkindlicher Bildung ins normale Schulsystem integrieren. Das Engagement, der zusätzliche Förderbedarf und die Finanzmittel werden doch auch nicht mal eben aus dem Ärmel geschüttelt. Auch hier sehe ich nicht, wie das zu leisten sein soll, ohne dass es zu Nachteilen für die deutsche Bevölkerung kommt. Sei es durch eine Reduktion der Unterrichtsqualität, weil sich die Lehrer um weitere förderbedürftige Kinder kümmern müssen, um zusätzliche Finanzmittel für Fachkräfte, die den Migrantenkindern helfen oder durch vollere Klassen.Ich greif Fohlens Posting nochmal auf, aus aktuellem Anlass:
Vor kurzem wurde an der Schule, an der ich arbeite, das erste syrische Kind angemeldet. Es spricht weder Deutsch noch Englisch, bekommt nun aber 4 Stunden Deutschunterricht pro Woche. Alle anderen Stunden werden im Klassenverband mitgemacht, allein schon, damit Kontakte zu den Mitschülern geknüpft werden können. Und das geht mit Händen und Füßen und tatsächlich viel Engagement der deutschen Schüler. Wir haben bei uns aus verschiedenen Gründen eine Hand voll Schüler, die sehr gebrochenes Deutsch sprechen. Bevor ich an die Schule kam, gab es noch nicht einmal ein Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache - ich hab dann eins angeschafft, weil ich als Fremdsprachenlehrerin genau diesen DaF-Unterricht übernommen habe. Die allermeisten Schulen sind einfach mal komplett unvorbereitet, obwohl man ja schon länger mit Flüchtlingskindern rechnen muss. Dabei ist es oft nicht einmal das Finanzielle, sondern eher Bürokratie, die schadet. Man braucht zB für eine offizielle Sprachlernklasse eine Mindestanzahl von Schülern, die aber kaum erreicht wird. Daher muss jede Schule ihr eigenes System entwickeln.
Was in meinen Augen am allerdringendsten fehlt, ist psychologische Unterstützung. Das Kind kam zB mit einem Übersetzer (Onkel?) zur Anmeldung, aber ohne Eltern. Da fragt man sich schon, welche Geschichte dahinter steckt und wie es dem Kind damit geht.
Bei uns hat auch kein deutscher Schüler irgendeinen Nachteil davon, dass die Schüler dazu gekommen sind. Ich persönlich sehe es eher als Bereicherung. Unsere Schule ist eh schon (für Dorf-Verhältnisse) sehr multikulti und interessanterweise versuchen alle möglichen Schüler, mit ihren jeweiligen Mutter-/Zweitsprachen, Kontakt mit den Kindern aufzunehmen, die eben kein Deutsch sprechen. Ein Junge spricht zB Kurdisch und verstand das syrische Kind. Das war für beide Kinder ein großes Erfolgserlebnis (außerdem wissen wir jetzt, wer bei Übersetzungen helfen kann).
Ansonsten muss ich bei der ganzen Debatte in letzter Zeit ständig daran denken, dass ich vor einigen Jahren in England einen ehemaligen Flüchtling aus dem Irak kennengelernt habe. Er hat uns damals auch von seiner Flucht (bzw mehreren Versuchen, auch über Deutschland usw) erzählt. Das war sehr beeindruckend und wenn irgendwelche Leute dumme Kommentare über Flüchtlinge machen, würde ich diese am liebsten höchstpersönlich irgendwo in Syrien oder im Irak aussetzen...
"Time is a great healer - but a lousy beautician." - Mark Twain