- Fr 1. Sep 2017, 21:19
#1509728
Ach ja, Hermes. Der gute, alte Ausbeuterladen. Was hab ich mich darüber schon aufgeregt. Bis man sich mal informiert.
Und herausfindet, dass die Boten bei Hermes nicht stündlich, sondern für jedes ausgelieferte Paket bezahlt werden. Es gibt da einen Festpreis, den Hermes zahlt, den ich gerade nicht mehr auswendig weiß, es ist aber so um 50-60 Cent pro Paket.
Da gibt es dann Fahrer, die nur als Aushilfen auf 400 €- Basis angestellt sind. Die fahren mit dem eigenene PKW, und tragen auch sämtliche Spritkosten selbst. Wenn dann der gute Mann niemanden zu Hause antrifft, und mehrfach wiederkommen muss, hat er unter Umständen mehr Geld an Sprit verfahren, als ihm das Paket einbringt.
Oder man arbeitet als Scheinselbständiger, als Ich-AG quasi. Dann bekommt man zwar mehr Geld pro Paket, ist aber nirgendwo angestellt und trägt alle Kosten plus Sozialleistungen wie Kranken- oder Rentenversicherung selbst. Und in dem Fall wird einem morgens das Auto vollgeladen mit Paketen, und dann muss man sehen, wie man die Dinger los wird. Auch wenn man mehr als 10 Stunden am Tag fährt, oder am Sonntag nochmal los muss. Wenn man da überhaupt Geld verdienen will, muss man kreativ sein, und irgendwie das Zeug los werden.
Oder man ist zwar angestellt, aber bei einem Sub-Unternehmer, der die Hermestouren mietet. Da ist man oft total am Arsch. Da gibt es Berichte von Fahrern, die 850 € im Monat verdienen (brutto!) für über 200 Stunden Arbeit im Monat. Und die, wenn sie sich beschweren, rausgeworfen und durch einen anderen Hartz-IV-ler ersetzt werden.
Das sind die ganzen tollen neuen Jobs im "Niedriglohnsektor", auf die die Bundesregierung so stolz ist, weil die Leut auf ihre 850 Euro brutto noch Sozialabgaben zahlen und nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchen. Willkommen im Kapitalismus.
Klar kann man sich darüber aufregen. Bei uns klingelt der Hermesmann gern auch bei "den Nachbarn" zwei Querstraßen weiter, um ein Paket loszuwerden, oder es werden Pakete einfach vor die Tür gelegt, oder man soll es in einem Hermes-Shop abholen gehen, ohne dass jemand geklingelt hat.
Aber mir tun dann auch die Leut leid, die da arbeiten müssen, weil sie sonst kein Geld mehr vom Amt bekommen, oder weil nach 40 Arbeitsjahren die Rente nicht reicht. Wir hatten mal eine ältere Frau, die mit nem alten klapprigen Privat-PKW und so ner blauen Weste durch die Gegend fuhr, und die die größeren Sachen kaum die Treppe rauf hat tragen können. Die kam irgendwann immer nur noch Sonntags, weil da die Leut eher zu Hause sind und sie nicht wiederkommen musste.
