- Mi 20. Dez 2006, 22:19
#235470
Wirklich schade, um eine ganz exzellent gemachte Serie. Entgegen vieler Kritiker fand ich Gena Davis sehr gut besetzt und völlig unstrittig ist wohl, dass Donald Sutherland als altes republikanisches Schlitzohr einen hervorragenden Antagonisten gegeben hat. Die Rollen waren überwiegend sehr schön komplex gezeichnet und selbst die Nebenrollen waren sehr interessant.
Von dem so groß angekündigten Qualitätsverlust mit der zweiten Staffelhälfte konnte ich wenig bis nichts spüren. Natürlich entwickelt eine Serie nach gerade mal 10 Folgen erst eine Routine und die mag nach einem alles neu und aufregend Start manchem weniger spannend erscheinen. Mich haben eigentlich nur die doch arg gehäuften militärischen Rettungsaktionen gestört, bei der die Präsidentin immer etwas vorraussehbar mit dem Prinzip Hoffnung und Treue gegenüber den Untergebenen in Not agiert hat. Das war aber in beiden Hälften der Staffel gleichermaßen stark vertreten und hatte mit dem ziemlich heftigen U-Boot Cliffhanger auch mal einen schönen Dreh dabei.
Und natürlich läuft so eine Serie auch etwas unter dem Topos "Serienautoren imaginieren sich eine ikonenhafte Politikerin", die geradezu den in der skandalübersättigten Bevölkerung vermissten Tugendkanon verkörpert. Als jemand der sehr allergisch auf allzu dick aufgetragenen US-Pathos reagiert, war ich aber trotzdem positiv über die verträglich kleinen Dosen überrascht, in denen der verabreicht wurde; und nie ohne auch eine dunkle Kehrseite zu zeigen.
Die Familiengeschichten blieben erfreulicherweise auch weit überwiegend im Hintergrund und haben kaum gestört. Um McKenzie auch als Mensch eine Dimension zu geben und zu zeigen, dass auch jemand der den Job voller Idealismus macht, einen Preis - nämlich die Vernachlässigung der Familie - zahlen muss, waren solche Nebenhandlungen unvermeidbar und dafür auch gut gelöst. Allerdings bin ich froh, dass der Abbruch kam, bevor diese arg konstruierte Pager-Bekanntschaft noch zu einem Politikum wachsen konnte, wo möglicherweise die Tochter zu einem Störfaktor des Wahlkampfes geworden wäre.
Insgesamt eine sehr unterhaltsame und fesselnde Serie mit überwiegend sehr gut gemachten Charakteren verkörpert von ausgezeichneten Darstellern; nicht zu pathetisch, nicht zu patriotisch, angemessen kritisch reflektierend über die politischen Mechanismen und ihre Verzerrungen, aber vielleicht manchmal ein bisschen zu scheu mehr heisse Eisen anzupacken. Ein Jammer, dass es den Amerikanern nicht gefallen hat. Versteh mal jemand deren Geschmack bei der Wahl ihrer Politiker und Serien.
"And in that moment, I swear we were infinite."