- Di 9. Jan 2007, 14:05
#242899
Diplomacy – Ein wunderbares, schwieriges Spiel…
Hier ist meine Einschätzung:
Das Spiel macht Spaß und kann den Spieler vollkommen in seinen Bann ziehen. Es gab echt Abende, da lag ich im Bett und konnte nicht einschlafen, weil ich ständig die Landkarte vor mir sah und über mögliche Züge nachdachte, das ist nicht übertrieben! Das mag natürlich auch daran liegen, dass ich solche Sachen insgesamt recht ernst nehme, aber wenn man sich so richtig in die Thematik eingefühlt hat, lässt es einen wirklich nicht mehr los. Ich kann „Diplomacy“ dennoch nicht uneingeschränkt jedem Interessierten empfehlen, denn dieser sollte im Idealfall diverse Voraussetzungen mitbringen: Freude und Interesse an sehr viel Strategie, Vorausdenken und geistiger Puzzlearbeit, Zeit und Muße en masse, um erstens die umfangreiche Spielanleitung konzentriert zu lesen und zu verinnerlichen, um zweitens über der Karte zu hocken und um drittens viel und unter Umständen lange mehrfach mit anderen Spielern zu diskutieren. Planerisches Denken und ein guter Blick für das Gesamte sind von großem Vorteil, ebenso ein nicht unerhebliches Maß an diplomatischem Geschick, Überzeugungskraft und Vertrauenswürdigkeit – Was letztlich aber nichts zählen muss…
Ich muss mich noch bei allen Spielern, meinem Mitstreiter Fabian und dem fantastischen Leiter Rainer entschuldigen und bedanken, denn ich habe alle viel Nerven gekostet – insbesondere gen Ende, wo ich keine Deadline mehr eingehalten habe und die Züge wegen mir immer weiter in die Länge gezogen werden mussten. Darum, liebe zukünftige Befehlshaber: Man sollte meines Erachtens möglichst nahezu täglich die Möglichkeit und Bereitschaft haben, sich mit dem Spiel zu beschäftigen. Mir waren zwei, drei Tage Zeit zwischen den Zügen zu wenig, aber da hatte ich mir wohl auch falsche Vorstellungen über die Praxis gemacht und meine eigene Verfügbarkeit unrealistisch eingeschätzt.
Aus eigener Erfahrung heraus rate ich davon ab, im Team zu spielen. Es gibt zwei Vorgehensweisen: Entweder zieht man es zusammen durch, plant gemeinsam und berät sich oder man teilt es sich auf, erst handelt der eine Spieler über einen gewissen Zeitraum und übergibt irgendwann an den Mitspieler. Wir haben es zusammen probiert. Ich glaube, dass dies mit keiner anderen Person überhaupt möglich gewesen wäre: Wir reden eh fast ausnahmslos täglich miteinander, verstehen uns sehr gut und haben Vertrauen zueinander. Ich brauchte mir nie Sorgen über Alleingänge zu machen oder Angst haben, dass Fabi was ausmacht, ohne Rücksprache zu halten. Aber das gleichberechtigte, gemeinsame Teamspiel erfordert noch mehr Zeit zusätzlich zu dem an sich nötigen Pensum, denn dann sitzt man erst mal da und berät sich ewig, bearbeitet dann eventuelle Verbündete, muss wieder mit dem Mitspieler reden, um gleichermaßen auf dem neuesten Stand zu sein – Und um dann je nach aktueller Lage erneut von Vorne zu beginnen. Das raubt Zeit und Nerven. Wir haben es nachher zeitweise so gehalten, dass eine Person die Befehle, Verhandlungen etc. durchführt, und die andere Person die Rückversicherung stellt, also die geplanten Züge checkt und befreit von Kleinarbeit neue Ansätze / Impulse liefert. Doch insgesamt war das Teamspiel trotz toller Zusammenarbeit aufwändig.
Wie das funktioniert, wenn man getrennte Spielphasen im Team bevorzugt, kann ich nicht beurteilen, hatte es für mich selbst aber ausgeschlossen: Ich finde die Vorstellung komisch, erst alleine etwas zu erarbeiten, um es dann aus der Hand zu geben. Und andererseits kommt es mir ebenso seltsam vor, eine Situation zu übernehmen, die ich selbst vielleicht gar nicht so entworfen hätte – Mit Verbündeten, die mir möglicherweise gar nicht so liegen, um darauf aufzubauen und noch was herauszuholen. Und egal wie detailliert die Übergabe auch ablaufen mag, der zweite Spieler wird niemals mit exakt dem gleichen Wissens- und Verhandlungsstand weitermachen können.
Für nachfolgende Befehlshaber:
Die geografische Lage des Heimatgebietes spielt eine große Rolle! Aber entgegen der von Manchen geäußerten Meinung, das entscheide schon einen Großteil des Spiels, behaupte ich, dass dies nicht stimmen muss. Vielmehr glaube ich, dass die Ausgangssituation hauptsächlich entscheidend für die grundsätzliche Strategie des Vorgehens ist. Wir hatten das Glück einer überschaubaren Angriffsfläche und eines für Feinde schwer / langwierig zu erreichenden Kerngebiets. Das war hilfreich und bot eine gewisse Sicherheit für das Bestehen. Andererseits waren dafür auch die Wege der eigenen Armeen teilweise recht lang und führten durch Nadelöhre. Wir hätten wohl auch früher den Nutzen von Flotten erkennen und umsetzen müssen. Länder in der Mitte haben natürlich das Problem, von allen Seiten angreifbar zu sein, weshalb noch vor dem ersten Zug die Diplomatie das Wichtigste ist, aber ich habe mich manches Mal auch ein bisschen geärgert, wenn z.B. Österreich wie ein Pfropfen mein Nadelöhr verstopfte und die Alternative ein Marsch rundherum war… Aber wie gesagt: Wir hätten wohl auch früher die Infrastruktur ausbauen müssen. Aber da wir alle Pioniere auf dem Gebiet (bzw. des Spiels) waren, halte ich solche Fehler für normal.
Ich halte mich von dem Spiel jetzt erst mal fern, denn obwohl es durchaus viel Spaß gemacht hat und irgendwie auch ein echt gutes Hirntraining war, lach, ist mir nun mit dem Ende doch auch ein ordentlicher Stein vom Herz gefallen: Keine drohende Deadline mehr, kein Grübeln über Karten, kein Druck, sich daran zu setzen… Und jetzt, wo ich halt auch weiß, was mit einer Runde Diplo alles verbunden ist, werde ich mich erst dann wieder anmelden, wenn ich glaube, die (zumindest für mich) nötigen Voraussetzungen mitzubringen.
1000 Dank, Rainer!! Da stimmte bei der Spielleitung alles: Hilfsbereitschaft und prompte Antwort auch bei der 765. Frage noch, enormes Entgegenkommen bei den Fristsetzungen und –verlängerungen, wirklich brauchbare, effektive Grafiken und Auflistungen… Ich denke, es ist nicht so simpel, dieses Spiel zu leiten, wie man glauben mag, schließlich kommen Fragen über Fragen der Spieler und so spielt man im Grunde genommen irgendwo doch mit – und das sogar an allen Fronten, auch wenn Rainer sich vorbildlich rausgehalten hat. Aber wenn ich dann wieder eine PN mit umständlichem Szenario und diversen Fragen zur Machbarkeit dessen und sogar noch Alternativzügen schickte, fand ich doch teilweise irre, wie zügig dazu die Rückmeldung mit verständlichen und exakten Antworten erfolgte!
Und Kamil hat absolut verdient gewonnen. Großartige Leistung!
Pepper, Babe, @@@@@@@@ (Zensur, aufgrund kreativer Differenzen und Angst vor dem Hass des Mobs)... original by Jamie