Interview der SZ über den Rauswurf:
SZ: 2006 setzte der Musiksender MTV Ihre Sendung ab und Sie vor die Tür. War genug auf dem Sparkonto, damit Sie ruhig schlafen konnten?
Kuttner: Die Sendung wurde zwar abgesetzt, aber vor die Tür habe ich mich selbst gesetzt. Ich hätte bei MTV weiter arbeiten können, wollte ich aber zu dem Zeitpunkt nicht. Und das ging natürlich nur so einfach, weil ich genug Geld gespart habe, um mir keine Sorgen zu machen.
SZ: Wie war der erste Tag nach der letzten Sendung?
Kuttner: Ganz schlimm. Das war wie Liebeskummer. Ich saß neben meinem Freund auf dem Bett und hatte Schmerzen wie bei Liebeskummer - verrückt. Das Schlimmste war zu wissen, dass ich die ganzen Menschen, mit denen ich täglich zusammengearbeitet habe, nicht mehr regelmäßig sehen werde.
SZ: Hatten Sie Verständnis dafür, dass MTV Sie gefeuert hat?
Kuttner: In der Theorie ja. Die Sendung war für MTVs Verhältnisse zu teuer. Ich kaufe mir ja auch keine Karre, die ich mir nicht leisten kann. Das ist eine einfache Regel. Es ist in Ordnung, dass die Quote zählt. Bei MTV wird eben gesendet, was Jugendliche sehen wollen. Klar finde ich das Programm nicht so geil, aber ich bin auch nicht Zielgruppe. Die Jugendlichen wollen den Rapper und Pornoproduzenten Snoop Dogg nackt im Pool mit der Moderationstussi Tina Tequila sehen. Und das zeigt MTV. MTV macht also eigentlich alles richtig.
SZ: Sie meinen: Millionen Fliegen können nicht irren? Wie traurig.
Kuttner: Natürlich ist das traurig. Und ärgerlich. Aber so funktioniert doch alles auf der Welt. Geld regiert eben doch.
SZ: Haben Sie sich arbeitslos gemeldet, als sie rausflogen?
Kuttner: Nein. Damals habe ich in einem Interview gesagt, dass ich zu stolz war, um zum Arbeitsamt zu gehen. Das war ein fürchterlicher Aufreger. Viele haben das falsch verstanden: Ach, die Kuttner ist sich zu fein dazu. Dabei brauchte ich diese finanzielle Unterstützung einfach nicht, deshalb wollte ich da nicht hin. Ich hätte das Gefühl gehabt, den Staat zu bescheißen. Das hätte ich asozial gefunden. Es sollten nur Menschen Arbeitslosengeld beantragen, deren Existenz wirklich bedroht ist.
SZ: Sie sind sehr beliebt, haben eine treue Fan-Gemeinde - warum sieht man Sie nie in der Werbung? Mangelt es an Angeboten?
Kuttner: Werbung gilt ja immer ein bisschen als Prostitution: Du verkaufst dich für Geld. Das wollte ich früher aus Prinzip nicht machen. Inzwischen bin ich da aber etwas entspannter geworden, denn letztendlich ist das auch gutes und sauberes Geld, von dem später meine Gören die Butter auf den Schulstullen bezahlt kriegen könnten. Letztens hätte mir eine Firma einen sechsstelligen Betrag gezahlt - das konnte ich kaum fassen. Ich saß vor der E-Mail und wusste nicht, ob das der Betrag für die Produktionskosten ist oder mein Honorar. Mein Manager und ich saßen wie zwei Idioten vor diesem Angebot. Letztendlich habe ich abgesagt, weil ich die Idee für den Spot doof fand. Sollte ich tatsächlich mal Werbung machen, will ich keinen Unsinn machen, hinter dem ich nicht halbwegs stehen kann. Also habe ich bisher immer abgesagt.
SZ: Für Werbung sind Sie sich zu schade - aber für das Männermagazin Playboy haben Sie sich vor fünf Jahren ausgezogen. Warum?
Kuttner: Wo ist denn da der Zusammenhang? Das Playboy-Shooting habe ich nicht des Geldes wegen gemacht, sondern weil ich es aufregend fand. Ich bin, und war es damals erst recht nicht, kein klassischer heißer Feger, sondern eher ein Kumpeltyp. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich auf solchen Bildern aussehen könnte, ich fand die Vorstellung völlig absurd, und genau das hat mich gereizt.
Interview zum selben Thema aus der teleschau:
teleschau: War das Aus Ihrer Sendung bei MTV ein bitterer Rückschlag?
Sarah Kuttner: Es war emotional sehr schwierig, weil an mir auch das Schicksal meiner Redaktion geknüpft war. Diese war damals wie eine Familie für mich. Und auch die Tatsache, dass diese Show mein geliebtes Baby war, hat die Sache nicht leichter gemacht. Aber karriere-technisch hat mich das nicht aus der Bahn geworfen.
teleschau: Gab es böses Blut zwischen Ihnen und MTV?
Sarah Kuttner: Der Sender wollte ja, dass ich weiter für ihn arbeite. Aber das wollte ich nicht. Ich dachte mir trotzig: "Ihr habt mir jetzt mein Heiligstes weggenommen, deshalb sollt ihr auch nicht weiter meinen Namen benutzen dürfen." Verletzter Stolz, wenn man so will. Aber der Rauch ist mittlerweile verflogen.
teleschau: Seitdem arbeiten Sie mal hier, mal da. Stört Sie die daraus resultierende Unsicherheit im Leben? Oder genießen Sie die Freiheit?
Sarah Kuttner: Ich war ein braves Mädchen und habe all mein Geld gespart. Ich könnte also auch ohne Weiteres eine längere Zeit ohne Arbeit leben. Aber die Abwechslung, die sich aus der Situation gibt, und das Konzeptionieren neuer Formate macht mir ungeheuer Spaß. Unsicher fühle ich mich nicht.
teleschau: Sind Sie deshalb so blendend gelaunt?
Sarah Kuttner: Ich bin immer relativ gut gelaunt. Oh Gott, was hat man Ihnen denn von mir erzählt? "Pass bloß mit der Kuttner auf, die wird wahrscheinlich superkrass-schlecht drauf und Arschloch sein, oder was?"
Verschiedene Interviews über die Sendung im ERSTEN:
SZ: Im Sommer sind Sie sonntagnachts im Ersten zu sehen, um 23.30 Uhr. Guckt da überhaupt jemand zu?
Kuttner: Egal, Hauptsache, ich kann eine Sendung machen, die ich selbst gut finde. Der Sendeplatz ist mir auch viel lieber als 20.15 Uhr im Privatfernsehen. Das wäre viel zu stressig, so ein Druck! Ich bin kein Quotenbringer, kein Primetime-Mädchen. Ich bin perfekt für kurz vor Mitternacht. Wenn ich Programmchef wäre, würde ich mich auch auf halb zwölf setzen. Eigentlich finde ich es überhaupt mutig, mich auf Sendung zu nehmen.
teleschau: Wann haben Sie das letzte Mal eine Kleinanzeige aufgegeben, Frau Kuttner?
Sarah Kuttner: Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Kleinanzeige aufgegeben ...
teleschau: Und auf eine geantwortet?
Sarah Kuttner: Auch das nicht. Alles, was ich brauche, hole ich mir aus dem Laden oder ersteigere es bei eBay. Bis zur Sendung habe ich in Zeitungen allenfalls die lustigen Kontaktanzeigen gelesen ...
teleschau: Die ARD-Anzeige für Ihr neues Format könnte lauten: "Biete freches Format, suche junge Zielgruppe" - kann das um diese späte Uhrzeit klappen?
Sarah Kuttner: Das weiß ich nicht. Es ist aber auch ehrlich gesagt nicht mein Problem. Der SWR erteilte mir für diese Sendung den Auftrag. Dass sie nun im Ersten läuft, freut mich zwar, aber ich sehe mich jetzt auch nicht in der Verpflichtung, die ARD zu retten. Und was die Zeit betrifft: Ich habe das Gefühl, dass Menschen wie ich tendenziell später einschalten und ich eher ein 23.30-Uhr- als ein Primetime-Mädchen bin. Letzlich ist es mir aber wirklich egal, wann und wo das läuft. Ich habe gearbeitet. Ich wurde bezahlt. Ich bin glücklich.
teleschau: War "Kuttners Kleinanzeigen" auch Kuttners Idee?
Sarah Kuttner: Nein, die hatte der SWR. Es gab eine ähnlich gestrickte Dokumentation, in der ein Autor durch Deutschland fuhr und nach interessanten Geschichten hinter Annoncen Ausschau hielt. Der SWR wollte das Thema jedoch prominenter aufgreifen - mit jemandem, der vor der Kamera eine stärkere Ich-Rolle einnimmt. Die verantwortliche Redaktion rief mich an, schickte mir die ursprüngliche Doku, die ich toll fand - und ich sagte zu.
teleschau: Wie viele Kleinanzeigen mussten Sie und Ihre Redaktion durchforsten, um etwa auf einen Bestatter aus Berlin zu stoßen, der sich von seiner Leichenwagensammlung trennen will, weil er sich nun mehr dem Leben zuwenden möchte?
Sarah Kuttner: Viele. Sehr viele. Wir werden pro Woche mit rund 30 Zeitungen beliefert, die von vorne bis hinten mit Kleinanzeigen vollgedruckt sind. Und aus diesen gefühlt zehn Milliarden Inseraten kommen vielleicht zwei Geschichten heraus. Und dann muss man auch bangen, ob derjenige, der die Annonce aufgegeben hat, überhaupt mit uns drehen will. Eine echte Sisyphusarbeit!
teleschau. Wie waren die Reaktionen der meisten Leute, deren Geschichte Sie ins Fernsehen bringen wollten?
Sarah Kuttner: Den Erstkontakt nahm zum Glück immer jemand aus der Redaktion auf, der vielleicht etwas geschickter mit Menschen ist, als ich es bin. Aber die meisten fanden es durchaus okay, wenn wir sie filmten. Manche Anzeigen waren ein bisschen zwiespältig oder nicht sonderlich seriös. Die sagten dann meist auch schnell ab.
teleschau: Wo haben Sie Grenzen gezogen? Bei offensichtlich Illegalem?
Sarah Kuttner: Och, illegal wäre auch toll gewesen (lacht). Anfangs kommt man schnell durcheinander, wenn man sich durch Tausende von Anzeigen wühlt. Man verdenkt sich regelrecht, wenn man sich zu viel damit beschäftigt. Deshalb schlug ich vor, jene Annoncen zu nehmen, bei denen man gleich nach dem Lesen die Augenbrauen hebt und sich die Frage stellt: Warum macht der das?
teleschau: Ein Beispiel bitte!
Sarah Kuttner: Wir hatten einen Fall, in dem jemand drei Inserate aufgegeben hatte: "Tausche Katzenklo gegen Kaffee", "Tausche Gartentisch gegen Kaffee" und "Tausche Kinderklamotten gegen Kaffee" ...
teleschau Ein Koffein-Junkie?
Sarah Kuttner: Ich hatte es anfangs sogar andersherum verstanden. Ich dachte, der sitzt auf einem Berg von Kaffee und will den nun gegen alles Mögliche eintauschen. Bei unseren Recherchen stellte sich schließlich heraus, dass der Kerl erst 17 ist und eigentlich Kaffee gar nicht sonderlich mag, er aber ... Ach, ich will nicht zu viel verraten. Sonst schaltet niemand mehr ein. Und das wäre schade. Denn ich mag das Format - und ich sage das wirklich selten von Sachen, die ich mache, weil ich furchtbar pingelig bin.
teleschau: Momentan sind nur drei Folgen geplant - können Sie sich vorstellen, bei entsprechendem Erfolg eiligst nachzulegen? Die Vorlagen kommen schließlich jede Woche frei Haus ...
Sarah Kuttner: Vorstellen könnte ich es mir schon, aber die Sendung ist ziemlich reiseintensiv - was schlecht ist, weil ich eigentlich ein reisefauler Mensch bin. Aber so ein bisschen könnte ich wohl noch. Irgendwann sind das Thema und die Faszination aber auch durch.
teleschau: Ihre liebste Annonce ...
Sarah Kuttner: ... stammt wohl von einer Frau, die jemanden suchte, der die Haare ihres Hundes zu einem Pullover spinnen kann.
über die Zukunft:
teleschau: Stricken Sie gerade an neuen Projekten - außer einer zweiten Staffel von "Slamtour mit Kuttner" (Sat.1 Comedy, Anm. d. R.)?
Sarah Kuttner: Alleine die ist schon umfangreich genug. Außerdem teste ich gerade eine kleine Geschichte für MTV, über die es allerdings noch nicht viel zu erzählen gibt. Ich will erst einen Piloten produzieren. Vorher groß drüber zu sprechen, bringt Unglück ...
teleschau: Abergläubisch?
Sarah Kuttner: Immer, wenn's passt (lacht). Ansonsten bin ich momentan - der Klassiker - für vieles im Gespräch ...
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