von Kellerkind
#777184
Quotentreter hat geschrieben:Wie man sieht genügend um sich einen fetten zu machen. Nehmen wir mal den Vorschlag mit einem Regelsatz von 250 Euro, wie von einem der Wirtschaftsgreise vorgeschlagen. Kann sich jeder selbst ausrechen.
Du musst bedenken, dass eine Kürzung nur den Sinn hat, die Menschen in Zusatzverdienst zu drängen. Nur darum geht es. An sich theoretisch nicht verkehrt (weil Routine, Beschäftigung und "Unter Menschen" schwerer wiegen als ein bestimmter Betrag), aber
- wo bekäme man kurzfristig Millionen solcher Minijobs her
- trifft das auch auf Aufstocker zu
- wie ist das bei Kindern/Jugendlichen
- Versaut das nicht die Löhne aller anderen, so dass Weitere zu H4-Aufstockern werden?

Da sehen wir wieder ein Hauptproblem: H4 ist fest im Arbeitsmarkt verankert, so dass man es nicht als losgekoppelte Motivationsmaßnahme betrachten darf, sondern die Auswirkungen beachten muss.
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von Eisbär
#777192
Wie ich schon schrieb, kaum ist das Urteil gesprochen, kriechen schon die ersten Leistungsschreiber aus dem geistig-moralischen-Medienprekariat hervor und überbieten sich im neoliberalen Bullshitting.
Ein besonders Glanzstück bei der FAZ:
http://www.faz.net/s/Rub0B4403817782428 ... ntent.html


Oh, wartet, geht noch tiefer:
http://www.bild.de/BILD/politik/2010/02 ... eform.html
U.a. mit diesem Highlight:
Aber: Ein übler Nachgeschmack bleibt. Denn: Das Verfassungsgericht hat de facto einen Wahlausgang rückgängig gemacht. Die Mehrheit hat Schwarz-Gelb gewählt – und somit Steuerentlastungen.
Ah, sehr schön, damit sind dann alle meine Prognosen aus dem 15:00 Post eingetreten...
von Quotentreter
#777194
Kellerkind hat geschrieben:Du musst bedenken, dass eine Kürzung nur den Sinn hat, die Menschen in Zusatzverdienst zu drängen...
Da wiederspreche ich dir ja auch nicht. Mit dem fetten machen war ironisch gemeint. Mich hats selber auch schon betroffen, wasshalb ich die Situation in der man da steckt auch beurteilen kann.

Mit den Jobs ist richtig, selbst wenn alle derzeit offenen Stellen besetzt würden, es fehlen noch immer viel zuviele. Und selbst unter den gemeldeten kannst du ein Viertel bis gar ein Drittel abziehen. Da sind viele veraltete, doppelte und auch unseriöse dabei.

Und kommunal hat auch seine Grenzen. Das hat man stark zurückgefahren, geht teilweise auch schief. Unser kommunaler Träger ist z.B. gerade insolvent, die Steuergelder irgendwo verschwunden, die Betroffenen rennen ihrem Lohn hinterher. Einfach mal nach ABS Artern suchen.

Und auch richtig ist, das ein gewisser Sockel als Druckmittel einkalkuliert ist. Das dumme ist das es gerade die Betroffenen selber nicht schnallen. Statt sich über den Missbrauch gewisser Instrumente zu beschweren, treten auch die lieber nach unten.

Und auch der Mittelstand hat so überhaupt keinen Grund zum feixen und schimpft auf die falschen. Nehmen wir mal an, man würde wirklich Programme auflegen um Massenhaft günstig Hartzer in Beschäftigung zu kriegen. Zusätzlich und nebenher zu regulären Tätigkeiten ist das in der Masse nicht möglich. An diesem Anspruch sind schon die Ein-Euro-Jobs gescheitert, bzw. wurde da teilweise gleich verdrängt. Die Hartzer würden auf Bauhöfen, in der Pflege oder was auch immer eingesetzt. Dann setzt die berühmte Drehtür ein.

Diese Drehtür kam schon gemäßigt mit den Ein-Euro-Jobs. Und so kam es das beispielsweise der Hausmeister unserer Realschule plötzlich aus seinem sozialversicherungspflichtigen Job flog und ein Jahr später nach zwei anderen als Ein-Euro-Jobber den selben alten Job machte. Der feixt heute nicht mehr.

Das kann vielen in einigen Bereichen so ergehen. Die wollens aber nicht wahr haben.
von Kellerkind
#777205
Quotentreter hat geschrieben:...Und so kam es das beispielsweise der Hausmeister unserer Realschule plötzlich aus seinem sozialversicherungspflichtigen Job flog und ein Jahr später nach zwei anderen als Ein-Euro-Jobber den selben alten Job machte. Der feixt heute nicht mehr.
Das werde ich so schnell nicht verstehen: Wieso wird diese Entwicklung als völlig normal akzeptiert, aber jeder ist die ganze Zeit damit beschäftigt, nach H4 zu treten? Es muss doch dem letzten klar sein, dass z.B. die hochgejubelte Arbeitspflicht die Löhne aller anderen drückt. Oder dass besonders der neidische Niedriglohner ratzfatz gegen 400€-Jobber oder Amtsgeförderte ausgetauscht werden kann. Oder wieso das unproduktive Rumgesitze (inkl Amtsdemütigung) gegenüber einer Beschäftigung als himmlisch empfunden wird, so dass man sogar auf 150 Euro verzichten würde.

Vielleicht ist das diese typisch deutsche Missgunst, bei der es einem selbst dreckig gehen kann, aber Hauptsache, dem anderen geht es noch schlechter.
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von thelastromeo
#777304
Unglaublich, da wird Hartz 4 für verfassungswidrig erklärt und es erdreisten sich tatsächlich Politiker sich vor die Kamera zu stellen und zu protzen, dass es in einzelnen Fällen sogar zur Reduzierung der Regelleistung kommen könne. Haben die überhaupt noch einen Realitätssinn? Ich bin froh, dass ich nicht auf derartige Leistungen angewiesen bin, aber wenn ich mir vorstelle, dass mir im Monat nur 359 Euro zur Verfügung stehen zum Leben ist das schon krass. Auf der einen Seite das Gesetz begrüßen, weil es eine bessere Basis für die Kinder schafft, auf der anderen Seite die Leistungen, die man bei den Kindern erhöht hat bei den Eltern zu kürzen grenzt schon an Schizophrenie und totaler Ignoranz. Leider muss ich den Vorschreibern recht geben, auf den ersten Blick scheint das Urteil einen Sieg für die soziale Gerechtigkeit darzustellen. Erst auf den zweiten Blick offenbahrt sich leider der wahre Kern des Urteils. Es wird nicht die Höhe für verfassungswidrig erklärt sondern vielmehr die Art der Ermittlung. Im schlimmsten Fall haben sich da die Kläger einen Bärendienst erwiesen.

Und diese ganze Hetze von Bild und Co geht einen auch langsam auf den Senkel. Jeder kann in eine ähnliche Lage kommen, das sollten sich diese Schmierheinis mal klarmachen.
von Quotentreter
#777320
Kellerkind hat geschrieben:ist das diese typisch deutsche Missgunst, bei der es einem selbst dreckig gehen kann, aber Hauptsache, dem anderen geht es noch schlechter.
Ein bisschen davon und dann auch die entsprechende Berichterstattung. Das ganze wird ja immer so dargestellt als ob wir millionen Faule durchfüttern, die sich in der Hängematte räkeln und den Bürgern immer mehr die Kohle aus der Tasche ziehen.

Meinungsmacht hat immer der mit dem größten Aufgebot. Und das sind nunmal die dutzenden Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsforscher etc. die natürlich ein großes Interesse daran haben, den Kostenfaktor Arbeit möglichst günstig zu halten und die mit Hartz IV auch ein schönes Druckmittel haben. Auf der anderen Seite die Politik, die zum einen ebenso von Verbänden belabert wird und einzelne Personen selber ein wirtschaftliches Interesse haben und die mit dem Thema immer schnell einen Schuldigen für so manches Problem haben.

Auf der anderen Seite der Wagschale ist so gut wie nichts. Da sind Sozialverbände und punktuell kleine Vertretungen Betroffener. Beide sind ganz fix als Sozialromatiker in die Ecke gestellt oder finden gleich garnicht statt. Die Arbeitnehmerverbände fühlen sich nicht zuständig, bejammern nur kleine Punkte beim Niedriglohn, ohne das ganze zu erfassen.

Welcher normale Bürger beschäftig sich denn mal tiefergehender damit? Die kriegen nur mit was so berichtet wird und das sind meist immer nur Negativbeispiele auf der Seite der Betroffenen und wie die andere Seite darüber schimpft. So entsteht ein entsprechendes Bild. Details langweilen nur.

Das fängt ja schon bei der Statistik an. Klar, in dem PDF ist alles aufgeschlüsselt. Aufstocker, in Sinnlosmaßnehmen geparkte etc. Dafür muss man sich aberstmal durch die Webseite hangeln und das ganze Ding erstmal lesen.
http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/se ... ndex.shtml

Offiziell verkündet wird aber immer nur die eine aufgehübschte große Zahl, Details und Probleme dahinter gibts nicht.

Die Realität sieht bitterer aus, hier mal lose rausgegriffen.

Im Januar waren 6.177.000 erwerbsfähige von Transferleistungen abhängig.
1.540.000 waren in Fördermaßnahmen geparkt.

Offene Stellen hatte es 457.000 (Abzüglich der üblichen Blindäufer und Leichen).
Davon waren nur 103.000 sozialversicherungspflichtig und ungefördert, der Rest ist also schon Niedriglohnsektor oder durch den Staat bezuschusst.

Und was davon bekommt der Normale Zuschauer oder Leser mit?
3.617.000 Arbeitslose im Januar, 342.000 mehr als im Dezember.

Und hinterher dann gleich schön die Meldung von Koch oder wem auch immer.
thelastromeo hat geschrieben:Und diese ganze Hetze von Bild und Co geht einen auch langsam auf den Senkel. Jeder kann in eine ähnliche Lage kommen, das sollten sich diese Schmierheinis mal klarmachen.
Das wollen die doch garnicht. In der Zielgruppe verkauft sich der Florida Rolf, nicht der Einzellfall der nie ein Artbeitsangebot bekam und stattdessen als gerlernte Bürofachkraft zum 5 mal zum Bewerbungstraining geschickt wurde.

Der Leser der FTD ist an niedrigeren Sozialkosten und Steuern, günstigen Löhnen etc. interessiert. Der möchte darüber schimpfen, das so ein Urteil beispielsweise eine Steuerreform verhindert.
von minischlumpf
#777528
Leider ist nicht ALG II als verfassungwidrig erklärt worden, sondern lediglich die völlig indiskutable und nicht nachvollziehbare ("ins Blaue hinein") Berechnung.
Dieses Wischi-Waschi Urteil ist das Papier nicht wert auf dem es steht.

Man sieht doch durch die Bank, wie die Politiker das Grundgesetz interessiert: Gar nicht.

Und die beispiellose Medienhetze, welche sehr verstärkt ein paar Wochen vor Urteilsverkündung losgetreten wurde, hat bei der Mehrheit ihren Zweck erfüllt. So werden nun alle ALG II Bezieher über einen Kamm geschoren und als arbeitsfaul, besoffen und Kindern das Geld wegnehmend dargestellt.
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von Eisbär
#777591
Kellerkind hat geschrieben: Vielleicht ist das diese typisch deutsche Missgunst, bei der es einem selbst dreckig gehen kann, aber Hauptsache, dem anderen geht es noch schlechter.
Ich kann dich trösten, ist keine typisch deutsche Eigenschaft, siehe z.B. die Hexenverbrennungen, welche en Masse nicht von der kath. Kirche veranlasst wurden, sondern von lokalen Herrschern um dem Pöbel Sündenböcke zu liefern.
Offenbar war der Hunger eher zu etragen, wenn man zuvor wegen des Ernteausfalls die ehemalige Nachbarin als Hexe denuzierte und auf den Scheiterhaufen band.

Wobei ich mich mittlerweile frage (wohl auch aus Selbstschutz um nicht zum kulturpessimistischen Zyniker zu mutieren) ob die Kommentare und Bewertungen die da in den deutschen Massenmedien zum VerfG-Urteil zu lesen sind, echt sind, oder ob es sich um eine großangelegte PR-Kampagne handelt.
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von thelastromeo
#777600
Das schlimmste daran ist, wie ich finde, dass man nicht das Geld für Kinder erhöhen möchte, sondern denen vielmehr Sachleistungen gewähren möchte. Heißt, um jeden Kram per Formular kämpfen (was dann natürlich nicht in den Medien betont wird). Außerdem werden Kinofreikarten vom Amt diskutiert. Ich stell mir das grad mal so vor, man geht mit Schulfreunden ins Kino und zeigt dann eine Berechtigung von der ARGE oder vom Sozialamt, je nachdem wer grad zuständig ist. Oder man geht in den Laden und kauft einen Schulranzen mithilfe eines Lebensmittelberechtigungsscheins. Die Kinder sind doch dann sofort gebrandmarkt. Derlei Vorschläge sind in meinen Augen inakzeptabel, zumal das Gericht betont hat, dass der sozial Schwache in die Gesellschaft integriert werden soll. Mit solchen Maßnahmen geschieht genau das Gegenteil.
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von Maddi
#777605
thelastromeo hat geschrieben:Das schlimmste daran ist, wie ich finde, dass man nicht das Geld für Kinder erhöhen möchte, sondern denen vielmehr Sachleistungen gewähren möchte. Heißt, um jeden Kram per Formular kämpfen (was dann natürlich nicht in den Medien betont wird). Außerdem werden Kinofreikarten vom Amt diskutiert. Ich stell mir das grad mal so vor, man geht mit Schulfreunden ins Kino und zeigt dann eine Berechtigung von der ARGE oder vom Sozialamt, je nachdem wer grad zuständig ist. Oder man geht in den Laden und kauft einen Schulranzen mithilfe eines Lebensmittelberechtigungsscheins. Die Kinder sind doch dann sofort gebrandmarkt. Derlei Vorschläge sind in meinen Augen inakzeptabel, zumal das Gericht betont hat, dass der sozial Schwache in die Gesellschaft integriert werden soll. Mit solchen Maßnahmen geschieht genau das Gegenteil.
bei Kindern verhält es sich mit "Sachleistungen" etwas anders als bei Erwachsenen. Man kann beispielsweise sehr wohl darüber nach denken bessere bzw. überhaupt kostenlose Bildungsangebote zu schaffen, inklusive Nachhilfe unterricht. Ist der grundsätzlich kostenlos, muss auch kein Kind mit Judenster...ahem..Gutschein irgendwo antanzen.
Das mit den Schulranzen wird da schon problemantischer. Könnte man höchstens so machen, dass den HartzIV mit entsprechenden Kindern automatisch einer per Post zugeschickt wird.
Übrigens, auch Schulbücher(leih oder kauf) kosten ja nicht unerheblich Geld, auch diese könnte man versuchen wieder generell kostenlos anzubieten.

Bei Erwachsenen bin ich strikt gegen jedwede extra Sachleistung. Ganz abgesehen von einer möglichen Brandmarkung, ist es einfach viel zu teuer. Wenn wegen jedem Sch**** ein extra Antrag gestellt und bearbeitet werden muss, wo die Kritierien was wie angemessen ist total wischiwaschi sein werden, kann man anstatt diesen Bearbeitungsaufwand(inklusive zusätzlichem Personal) zu bezahlen den Leuten auch gleich 60-70 Euro mehr Regelsatz geben.

Und um mal mit Illusionen aufzuräumen: die geringe Minderheit die ihr Geld wirklich nur "versäuft", würde eine als Sachleistung zuerkannte Waschmaschine bzw. einen Schrank im Zweifelsfall nach erhalt einfach wieder verticken um "nachtanken" zu können.

aber gut, es soll also Sachleistungen geben? ich hab mal sowas wie Fremdsprachenkorrespondent gelernt - krieg ich dann vom Amt einen italienischen Maßanzug als Arbeitskleidung? :mrgreen:
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von Godfather
#777618
Maddi hat geschrieben: bei Kindern verhält es sich mit "Sachleistungen" etwas anders als bei Erwachsenen. Man kann beispielsweise sehr wohl darüber nach denken bessere bzw. überhaupt kostenlose Bildungsangebote zu schaffen, inklusive Nachhilfe unterricht. Ist der grundsätzlich kostenlos, muss auch kein Kind mit Judenster...ahem..Gutschein irgendwo antanzen.
Ich hab mal eine kurze Frage zu diesem Punkt, weil ich schon lange nichts mehr dazu gehört habe. Vor der Wahl wird ja immer groß verkündet, dass man in die Kinder und deren Bildung natürlich richtig investieren möchte.
Habt ihr davon nochmal was gehört? Konkrete Pläne der Regierung?

Meine Nachbarin ist Kunstlehrerin und hat mir letzte Woche erzählt, dass ihre Schule nicht mehr über 18°C geheizt wird und es Montag morgens gar nur 16°C im Kunstsaal hat. Ich konnte das erst nicht glauben, aber nach kurzer Recherche kommt man schnell auf irgendwelche "Energiesparprogramme" mit denen viele Schulen "optimiert" werden.
von minischlumpf
#777620
Gutscheine oder ähnliches würden die Verwaltung unglaublich belasten, aber das interessiert wohl niemanden in Berlin.
Auch das Markendenken in den Köpfen der Lehrer / Schulen spielt eine große Rolle. Warum muss ein Taschenrechner für ca. 80 Euro vorgeschrieben werden? Oder zusätzliche Bücher, welche um 40-50 Euro kosten? Oder in der Grundschule nur der Malkasten, Stifte, Füller von der oder der Marke?

Und wie soll das bitte bei Klassenfahrten geschehen? Ein Aufruf der Lehrkraft, die Kinder mit Gutscheinen möchten diese bitte seperat beantragen?

Zuschicken per Post: Wenn dann alle Kinder mit den gleichen Ranzen auftauchen - genauso könnte man ihnen auf die Stirn tackern "Hartz 4 Kind".

Kostenlose Nachhilfe etc: Guter Gedanke, es gibt ja genügend Arbeitslose, welche man als 1-Euro-Jobber einsetzen kann (dann bekommen diejeningen, welche solche Leute "beschäftigen" auch noch massive Zuzahlungen aus Nürnberg).
Und wen interessiert es schon, ob ein arbeitsloser Gabelstapbelfahrer, BWL'er oder Textilfachverkäuferin ohne jede pädagogische Erfahrung erzieherische Tätigkeiten ausübt. Es gibt ja schon sehr viele 1-Euro-Kräfte an Schulen (Hausmeister, Putzleute, Sekretariat - und ja tatsächlich schon Kinderbetreuungen), da kommt es dann auf ein paar mehr auch nicht mehr an. Und es hat den Zusatzeffekt, daß einiges "arbeitsfaules" Pack endlich mal arbeiten muss.

In meiner Stadt gibt es alle drei Schulmodelle. Dreimal dürft Ihr raten, welche Modelle nachmittags zusätzlich Kurse oder freiwillige Sachen anbieten. In der Hauptschule ist es für die Lehrer wohl wichtiger, sich nachmittags zu erholen anstatt den Hintern hochzubekommen und auf Eigeninitiative mal was zu stemmen.

Ich persönlich gehe stark davon aus, daß der Regelsatz für Kinder erhöht wird (daran kommt niemand mehr vorbei), die Regelsätze für Erwachsene aber so transparent umgerechnet werden, daß es keine Erhöhung geben wird.
Und dann können sich die Sozialgerichte schon auf einen Ansturm vorbereiten.
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von redlock
#777633
minischlumpf hat geschrieben: Und dann können sich die Sozialgerichte schon auf einen Ansturm vorbereiten.
Und zwar einen gewaltigen...
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von thelastromeo
#777642
Wie soll denn das mit den Schalranzen in der Praxis aussehen, was von der Leyen vorschlägt? Einen einheitlichen Schulranzen an Hartz 4 Bezieher verteilen? Dann kann man gleich die Auschrift Hartz 4 als Markenlogo hinten drauf schreiben. Demnächst schreibt uns die Bundesregierung noch vor, was wir von welcher Marke anzuziehen haben. Ich schreibe gerade meine Magisterarbeit über das Thema Mobbing an Schulen. Genau das wird eintreten, wenn wir standartisierte Sachleistungen unseren Zöglingen zumuten.
von Quotentreter
#777683
minischlumpf hat geschrieben:Gutscheine oder ähnliches würden die Verwaltung unglaublich belasten, aber das interessiert wohl niemanden in Berlin.
Das hat die doch bisher auch nicht gestört. Jegliche Veränderung neben dem normalem Gang ist ein reiner Beamtendreikampf. Manch mögliche Beschäftigung wird sogar verhindert. Möchte man beispielsweise einer Tätigkeit mit unregelmäßigem Einkommen nachgehen, so muss das für jede einzelne Einkunft nachweisen und auf Amtsseite neu berechnet werden. Da hast du mehr Rennerei als alles andere.

Oder mal ein klassisches Beispiel was jeden einzelnen so betrifft. Ein simple Nebenkosteabrechnung mit etwas Guthaben.

Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen sind Einkommen und dem Amt zurück zu zahlen. Wer wirtschaftlich haushaltet wird also nicht belohnt. Zuerst einmal interessiert es nicht im welchem Zeitraum das Guthaben entstand, es zählt wann es zufließt. Ist das Guthaben aus dem Jahr wo du deine Miete durch deinen Job bezahlt hast, die Abrechnung kommt aber erst im ALG II Bezug, ist auch das Weg. So mir passiert.

Der Vorgang geht da so. Du musst zeitnah deine Nebenkostenabrechnung hinschicken, faxen, oder vorbei bringen. Das geht dann an die Leistung. Die schicken dir einen Anhörungsbogen. Da kannst du dich nochmal äußern und hast 14 Tage Zeit, dann wird nach Aktenlage entschieden. Es erfolgt der Bescheid, das du Betrag X bezahlen sollst. Darunter der Hinweis das wohin gesondert mitgeteilt wird. Dann kommt erst die Bankverbindung und das Kassenzeichen vom BA Forderungsmanagement. Nach zwei oder drei Monaten ist dann endlich mal ein Haken hinter.

Und da befürchtet ihr ernsthaft einen Anstieg der Bürokratie? In Einzellfällen wie Folgeanträge hat man das ganze ja schon entschlankt. Es gab Zeiten da mussten die Leute alle 6 Monate einen vollständigen Antrag und immer wieder das volle Paket Dokumente mitschicken. Das hat man durch eine Art Veränderungsmitteilung ersetzt, 90% entbürokratisiert. Aber an anderer Stelle ist das noch immer der reinste Papierkrieg. Teils schlimmer als zu Zeiten der Sozial- und Arbeitsämter. Die haben mitnichten ein Problem mit extrem bürokatischen Gängen.
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von Lois
#777688
Mal ne ganz dumme Frage:

Früher gabs doch anstatt Hartz 4 Sozialhilfe oder?

Wie war das denn damals geregelt..???
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von thelastromeo
#777692
Gerechter.

Da gab es Sozialhilfe (mit Hartz 4 vergleichbar), Arbeitslosengeld 1 und Arbeitslosengeld 2.

Arbeitslosengeld bezog sich auf Leute, die aufgrund von verschiedenen Gründen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind (z. B. durch Kündigung oder Krankheit etc.). Arbeitslosengeld 2 war höher als Arbeitslosengeld 1 und Arbeitslosengeld 1 war höher als die Sozialhilfe. Das System sollte einen sozialen Abstieg direkt nach der in Kraft getretenen Arbeitslosigkeit verhindern, indem man zunächst höhere Sätze ausbezahlt bekommen hat, Geld, was man in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat.

Heutzutage muss man nach einer gewissen Zeit erst sein Schonvermögen ausgegeben haben, bis man Anrecht auf Hartz4 (vergleichbar mit der Sozialhilfe) hat. Das Hartz 4 System bestraft insbesondere die Leute, die nach langer Tätigkeit aus dem Berufsleben herausfallen. Das war von Anfang an der Fehler im System, meiner Meinung nach.
von Quotentreter
#777696
Lois hat geschrieben:Mal ne ganz dumme Frage:
Früher gabs doch anstatt Hartz 4 Sozialhilfe oder?
Wie war das denn damals geregelt..???
Damals gab es den Bedarfsatz für den Grundstock, bestimmtes war da noch nicht im Regelsatz drin. Heute ists übers Jahr verteilt im Satz drin. Da musste dann ein gesonderter Formloser Antrag auf einmalige Beihilfe für beispielsweise Weinachtsbeihilfe, Bekleidungsgeld Winter/Sommer, Waschmaschine usw. gestellt werden.

Die Sätze der Sozialhilfe bei unseren Kommunen sahen in etwa so aus. Andere abweichend.

Single 285 Euro Regelsatz + angemessene Miete
(nur etwas weniger als Hartz IV heute)

Dazu einmalige Beihilfen die einmal pro Jahr gezahlt wurden:
Sommerbekleidung/Schuhe 102 Euro
Winterbekleidung/Schuhe 132 Euro
Renovierung/Instandhaltung 82 Euro
Weihnachtsbeihilfe 62 Euro

Daneben noch einige Leistung für Erstausstattung, Schule etc. Sachleistungen wie Möbel oder Haushaltsgeräte. Da muss ich aber nachgucken, habe das gerade nicht ganz im Kopf.
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von Lois
#777707
thelastromeo hat geschrieben: Heutzutage muss man nach einer gewissen Zeit erst sein Schonvermögen ausgegeben haben, bis man Anrecht auf Hartz4 (vergleichbar mit der Sozialhilfe) hat. Das Hartz 4 System bestraft insbesondere die Leute, die nach langer Tätigkeit aus dem Berufsleben herausfallen. Das war von Anfang an der Fehler im System, meiner Meinung nach.
Stimmt, für die die auch noch Eigentum haben ist es echt zum kotzen..
Jahrelang hart dafür gearbeitet. Dann macht die Firma pleite und ein 55 jähriger Familienvater muss sehen, dass er irgendwie drumherum kommt, dass er sein Häuschen nicht verkaufen muss.
Da wird man bestraft, wenn man immer gearbeitet hat...

Danke Euch für die Aufklärung!
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von vicaddict
#777710
Im Endeffekt wird das Urteil für die Betroffenen von Vorteil sein. Merkel selbst weiß doch ganz genau, dass sie sich Kürzungen im Sozialbereich gar nicht erlauben kann. Die Sozialgerichte sidn doch jetzt schon am Ende mit ihrem Latein und eine Kürzung der Sätze würde diese Regierung schon jetzt scheitern lassen. Nicht, dass sie das nicht ohnehin schon geschafft hätte, aber noch wollen sie es nicht wahrhaben. Leiden wird darunter nur die FDP, die jetzt endgültig keinerlei Spielräume für Steuersenkungen mehr haben wird.
von Quotentreter
#777714
vicaddict hat geschrieben:Leiden wird darunter nur die FDP, die jetzt endgültig keinerlei Spielräume für Steuersenkungen mehr haben wird.
Aktuell kommt da ja auch noch das Griechenlandproblem dazu. Da dürfen wir sicher auch hübsch zahlen. Irgendwann dann sicher auch noch Spanien und Portugal, man munkelt noch.

Das hat man nun von der tollen EU. Das war genau das was man von Anfang an beim Euro kritisiert hat. Tolles Ding, solange alles rund läuft. Gerät einer ins Straucheln dann muss der gestützt werden, ansonsten reißt es alle mit. Genau da sind wir jetzt und das zu einem Zeitpunkt der nicht schlechter hätte sein können.

Die FDP kann sich von ihren Ideen verabschieden. Das war vorher schon illusorisch, jetzt müsste man schon richtig zaubern.
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von thelastromeo
#777716
Man hat doch der FDP schon vor der Wahl nicht abgenommen, dass sie Steuersenkungen durchsetzen wird. Man hat vielmehr auf einen Effekt für die Wirtschaft gehofft, wenn man schwarz-gelb an die Macht hieft, bzw. in der SPD keine wirkliche Regierungspartei mehr gesehen. Die FDP konnte sich im Wahlkampf besser präsentieren und hat somit diesen enormen Stimmenzuwachs erhalten. Deswegen kann es für die FDP doch in Hinblick auf die nächsten Wahlen hilfreich sein, wenn das Kapitel Steuersenkung endlich ad acta gelegt wird und man auf die Naivität der Wählerschar hofft, die die ganzen Ereignisse schnell wieder verdrängt hat.

Die Sache mit Griechenland kommt in der Tat zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Jetzt zeigt sich, warum Euro-Kritiker im Endeffekt doch Recht behalten werden, denn Griechenland wird nur ein Anfang sein.
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von Eisbär
#777730
Ne Vicaddict,
schau dir z.B. mal die Leser-Kommentare bei Welt u.ä. Spießbürger-Postillen an.
Das Urteil, selbst wenn daraus höhere Regelsätze die Konsequenz sein sollten, bedeutet für die Alg-2 Empfänger nur noch mehr öffentliche Verachtung und zuweilen blanker Hass, insbesonderen von denjenigen Schichten die finanziell am dichtestem an Hartz-IV dran sind, und das sind eine Menge.
Ein gesellschaftliches Konfliktpotenzial welches sich politisch wunderbar ausnutzen lässt um den Sozialstaat endgültig zu demontieren.
Sofern man die Leistungshöhe selbst nicht mehr senken kann gibts es jedemenge Möglichkeiten der staatlichen Gängelung um einen Alg-Bezug für den betroffenen so unangnehm wie möglich zu machen.
Wir deutschen sind bei sowas ja sehr effizient und kreativ.


@Quotentreter
Aktuell kommt da ja auch noch das Griechenlandproblem dazu. Da dürfen wir sicher auch hübsch zahlen. Irgendwann dann sicher auch noch Spanien und Portugal, man munkelt noch.
Und Italien, Irland.
Der ehemalige Ostblock ist auch alles andere als wirtschaftlich solide aufgebaut.
Und unsere Probleme, v.a. was die hohe Arbeitslosigkeit und die demographische Lage angeht, aufgrund deren wir ja laut den scheinliberalen Apokalyptikern unseren Wohlstand verlieren werden, wenn wir nicht ganz viel reformieren und noch viel wettbewerbsfähiger werden und die gesitig-moralische Wende endlich antreten, sind allgemeine Probleme, die fast jedes andere Land auf der Welt auch hat.

Auch in Indien und China wird die Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren rasant steigen, da selbst dort mittlerweile Maschinen billiger sind als die meist unqualifizierten Wanderarbeiter aus den Armutgebieten.

D.h. wir werden in den nächsten Jahren weitere dutzende Millionen Menschen auf der Welt haben, die im globalisierten Wirtschaftssystem keinen Mehrwert erzeugen können und dementsprechend auf die Leistungen der restlichen Mehrwerterzeuger angewiesen sind.

Es ist doch völlig logisch, wenn ich in einem geschlossenen Wirtschaftssystem (>die Welt) aufgrund meiner extremen Produktivität den anderen ihre Arbeit wegnehme, ich erledige das ja alles viel effizienter und kann mich dementsprechend am Markt durchsetzen, das ich die anderen die ich aufgrund meiner höheren Wettbewerbsfähigkeit aus dem Wertschöpfungsprozess ausgeschlossen habe, früher oder später mitversorgen muss.
Man sehe sich nur die Leistungsbilanzen der EU-Länder an.
Für den fragwürdigen Titel "Exportweltmeister", dessen finazielle Gewinne vorallem in den Taschen einer international-hochbeweglichen Elite gewandert sind, darf der deutsche Dumpfmichel jetzt ein EU-Land nach dem anderen vorm Bankrott retten.
Super.
Und Westerwelle und Co. schlagen vor das ganze noch zu beschleunigen,mehr Wettbewerb, mehr Arbeiten, weniger Lohn, mehr Segregation damit die Gewinne der Vermögenseliten noch höher steigen, um ähm...Wohlstand für alle zu sichern.
Soviel Chuzpe aufeinmal muss man auch ernstmal zusammen kriegen.

Wir müssen echt das dämlichste Volk auf dem Planeten sein.
von minischlumpf
#777736
Sozialhilfe gibt es immer noch, allerdings nur für "ausgesteuerte" Personen, sprich nicht mehr arbeitsfähige (Kranke, Rentner etc.)

ALG I wurde auf 1 Jahr beschränkt (bei Ü50 auch wieder anders).

Wer nach ALG I ALG II beantragen muss, bekommt für zwei Jahre einen sogenannten "Armutsgewöhnungszuschlag" (max 160 Euro p.P. im ersten Jahr, maximal 80 Euro p.P. im zweiten Jahr).

Miete wird nur zu einem bestimmten Höchstsatz bezahlt (wird willkürlich von Gemeinden, Städten und Kommunen festgelegt)

Der wichtigste Satz aus dem Urteil:

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen.

Es ist schon unfassbar, wie dreist sich eine Frau von der Leyen hinstellt und über Sachgutscheine schwafelt - die tritt das Urteil des BVG mit den Füssen.

Für mich sind Gutscheine nicht mit dem GG Art. 1 Abs. 1 vereinbar, ganz im Gegenteil eine unerträgliche soziale Stigmatisierung.
von Quotentreter
#777753
minischlumpf hat geschrieben:Sozialhilfe gibt es immer noch, allerdings nur für "ausgesteuerte" Personen, sprich nicht mehr arbeitsfähige (Kranke, Rentner etc.).
Ja, aber für die wirklich abgeschriebenen. Daneben das Sozialgeld für nicht Erwerbsfähige. Ist aber auch nur Hartz IV mit etwas anderen Regeln und je nach Fall nur 90% vom Hartz Regelsatz.

Das ist auch wieder so eine Lebenslüge. Ziel des Hartz IV Gesetzes war es ja unter anderem Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu vereinen. Faktisch hat man aber aus zwei sogar drei Leistungen gemacht. Arbeitslosengeld II, Sozialdgeld und Sozialhilfe.
minischlumpf hat geschrieben:Wer nach ALG I ALG II beantragen muss, bekommt für zwei Jahre einen sogenannten "Armutsgewöhnungszuschlag" (max 160 Euro p.P. im ersten Jahr, maximal 80 Euro p.P. im zweiten Jahr).
Ist immer Anspruchsbedingt. Wer weniger als glaube 2 Jahre durchgehend in einem Job war hat keinen Anspruch auf I. Und wer zu wenig verdiente ist gleich neben I auf II angewiesen. Das greift nur für diejenigen die das Glück hatten lange und ordentlich entlohnt zu werden. Alle anderen drehen sich im Kreis. Niedriglohnsektor -> Hartz IV mit beschissenerer Vermittlung und weniger Fördermöglichkeiten -> Niedriglohnsektor usw.. Da raus zu kommen ist das Problem.
minischlumpf hat geschrieben:Miete wird nur zu einem bestimmten Höchstsatz bezahlt (wird willkürlich von Gemeinden, Städten und Kommunen festgelegt)
Angemessen heißt das und willkürlich ist das nicht ganz. Das geht nach dem örtlichem oder regionalem Mietspiegel. Dort ist der Durchschnitt der orts- oder regional üblichen Mieten bzw. Quadratmeterpreise verzeichnet. Damit ist man tatsächlich schon eher am wirklichen regional brauchbaren Bedarf dran.

Problem ist es nur da, wo beispielsweise günstiger Wohraum knapp ist und nur noch Wohnungen mit Preisen über dem Durchschnitt frei sind. Das war nach Gesetzeseinführung vor allem hier im Osten ein Problem. Durch negative Bevölkerungsentwicklung, Sannierungsorgien und Stadtumbau Ost, hat man den güstigen Wohnraum massenhaft abgerissen. Mancherorts fehlten mit einmal die günstigen Platten. Dem ist man dann mit freizügigeren Grenzen oder so Schwachsinn wie 3 Raum Wohnung mit einem versigeltem Raum begegnet.
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