DonnieDarko hat geschrieben:
Ich bete mit und warte nebenbei auf den Finale-Post von Ricky Fitts.
Komm dieser Tage zu fast gar nichts (außer einem kleinen Lost-Geläster), aber jetzt wirds mal Zeit für meine Textwand (edit: jup, ist wohl mein längster Post dieses Jahr geworden. Aber hier brauchts das auch)
Das war die wohl düsterste Finalfolge, die ich je gesehen habe. Die Abwärtsspirale des Tobin-Clans hat sich in einen reißenden Strudel verwandelt und wurde Schlag auf Schlag in ungeheuer harten Szenen zum bitteren Ende geführt. Vor allem war es eine extrem kompakte Folge, in der Damages seine brillante Szeneneffizient so weit auf die Spitze getrieben hat, dass es schon fast mit Sehgewohnheiten gebrochen hat und dadurch auf manche sehr komprimiert gewirkt haben muss. Ein gutes Beispiel war Marylins Besuch bei Patty. Die Szene startete sofort mit "Why did you want to see me, Mrs Tobin." In anderen Shows hätten wir gesehen wie sie sich dazu durchringt einen Termin mit Patty zu vereinbaren; wie darüber gemutmaßt wird, worum es wohl gehen wird; wie sie hereingebeten wird und sie einen Drink bekommt, während man sie sich schweren Herzens zum Punkt durchringt. Hier gibt es quasi nur den Szenenkern und sobald das wesentliche gesagt ist, Schnitt zum nächsten Plotpunkt. Ebenso ihr schockierend minimalistisch umgesetzter Selbstmord: Im Taxi: "take me to the bridge", dann die bekannte Ansicht aus der Ferne, fertig. Uff. Umso stärker wurde das ganze durch den Kontrast zu ihrer bittersüßen Familienvideostunde. Und die kam mit ihrem Verzweiflungslachen sogar gleich nochmal in Schnittkontrast zu Joes üblen Mord an Tom.
Dass er es selbst sein würde, der Tom auf dem Gewissen hat, habe ich nicht kommen sehen. Und dass das Ertrinken in seiner eigenen Toillette stattfand war wirklich heftig. Joes Suff beim "Aufräumen" (toll gespielt durch sein schnaufendes "okay - okay - okay") erklärt auch den offensichtlichen Tatort. Dass niemand auf die Tageslicht-Entsorgung aufmerksam wurde, find ich aber gar nicht mal so undenkbar. Ok, die Schuhspitzen guckten raus, wenn die Kamera nah dran war, aber mal ehrlich: welcher Passant würde im Alltag denn gleich an eine Leiche denken, wenn ein geschnürtes Bündel ein paar Meter weiter zur Tonne geschleift wird. Pattys Auftritt im Verhörraum war erstklassig und schaurig. Erst knallt sie ihm die Vaterschaft zu Tessa um die Ohren und dann eröffnet sie ihm auf brutalste Art den Selbstmord der Mutter. Pattys bösester Moment! Sie wollte Joe und sie hat ihr Ziel gepackt und zerstört.
Faszinierend, dass sie für sein Geständnis aber in die eigene (reich gefüllte und so auch für Spekulationen offen gelassene) Schuldkiste greift. Sehr treffend war auch ihre Bemerkung, dass sie anfangs wirklich an seinen guten Willen geglaubt hat, aber er in die Ecke gedrängt unverzeihliche Fehler begangen hat. Wenn man die Statements hier so liest ging uns das wohl allen so. Eine großartige Leistung der Drehbücher wie sich die Tobins immer gieriger und rücksichtsloser an das Geld geklammert haben. Louis Tobin war als Urheber des Wirtschaftsbetrugs letztlich fast schon der wieder der nette Opa der Familie, der am Ende noch nichtmal eine Affäre hatte sondern nur seinen Sohn schützen wollte, der sich privat und finanziell voll reingeritten hat. Dass Leny und so kann man vermuten auch sein Dad aus der ganzen Sache als lachende Schlitzohren ungeschoren entkamen, fand ich dann schon wieder richtig gut.
Bei Patty reihte sich ohnehin eine geniale Szene an die nächste. Dass Jill sich mit der falschen Schwiegermama angelegt hat war ja schon klar, aber dass sie Michaels Vaterschaftstest als Waffe einsetzt und sie die gnadebettelnde Jill auf der Wache vernichtet, war genial geschrieben und gespielt (Und ja, wir haben bereits bei ihrer ersten Begegnung mit Jill erfahren, dass Michael da noch minderjährig war). Mit Michael verscherzt sie es sich so zwar endgültig, aber da war eh nichts mehr zu retten. Eine kaputtere Mutter-Sohn-Beziehung war ja kaum noch denkbar. Dass Michael Ellen dann aber den späteren Unfallwagen hinterm Rücken wegklaut und Patty in dem einkassierten Jaguar von Jill sitzt, war natürlich wieder eine brillantes Spiel mit den Flash Forwards, das nur noch durch das clevere Wandern der Handtasche getoppt wurde. Selbst mit meinen besten Tipps von letzter Woche wie sich die ganzen FF verknüpfen würden, lag ich immer noch zu großen Teilen falsch. Als Toms Mörder hatte ich an Lenny im Verdacht, eventuell sogar einen Mordauftrag von Patty, die sich vom abtrünnigen Mitwisser bedroht fühlte (vor allem wegen ihrem aufgelöst-tränenüberströmten "call it off!" am Telefon dachte ich an diese Variante) und als Brückenspringer schwankte ich zwischen Joe oder Frobisher.
Letzterer wird ja nun auch endlich wegen des Mordes an David belangt, womit auch dieser Arc mit einem schönen ghost-guest geschlossen wird. Anfangs war ich ein bisschen irritiert davon wie leicht sich Wes dazu veranlasst sah, sich zu stellen und fragte mich: warum hat er das nicht schon früher getan. Beim zweiten Anschauen fiel in dem Zusammenhang aber besonders sein Gespräch mit Ellen auf. Sie hat ihm gesagt, dass sie die Sache ruhen lässt und nicht weiter verfolgt. Bisher hatte Wes sich darauf verlassen, dass Ellen Frobisher wohl irgendwann auch ohne sein Zutun und Opfer stellen würde. Aber die findet er nun passiv vor und dass Frobisher ganz ungeschoren mit einem Mord davonkommt ist für das Gerechtigkeitsgefühl des Ex-Cop dann wohl auch nicht erträglich. Schöne kleine Finte war ja seine Baggerei mit der Producerin - dachte erst die wär verkabelt und nimmt ihm gleich sein Geständnis ab.
Für einen noch runderen Serienabschluss hätte ich mir nur noch 2-3 kleine Ellen-Szenen gewünscht. Ein kurzes "it's over, we got him" Gespräch mit Katie Connor, ein Zellenbesuch bei Wes und ein kleiner Besuch bei der Familie, die wir seit der doch-nicht-adoptions-Sache nicht mehr gesehen haben. Das kann man sich natürlich wie auch die Verhaftung von Zedick locker dazudenken, wär aber noch ein netter touch gewesen. Der Abschluss mit Patty am Pier war jedoch eine tolle Sequenz (auch die mit Abstand längste der Folge). Die hier und am Folgenanfang eingeflochtenen Flashbacks haben dann auch endlich die Pferde erklärt. Super dass hier fast wortgenau die Formulierungen aus ihrem ersten Traum ("I always wanted one" "It's a big responsibility") auftauchten. Sehr intelligent auch, dass sie offen gelassen haben, in welche Zeitebene der Züchter/Architekt denn nun wirklich gehörte. All das reihte sich thematisch hervorragend in das große Themendreieck Privatleben vs Karriere vs Gerechtigkeit vs Moral ein.
Ein furioses Finale einer göttlich guten Staffel. Damages hat in diesem Jahr in einer ganz eigenen Liga gespielt. Die Schreib- und Schauspielleistungen waren überwältigend und das bei der immensen Komplexität der Charaktere und Storylines. Da saufen andere Shows schon auf weit niedrigerem Schwierigkeitsgrad ab. Auch wenn ich den Optimismus der Macher natürlich begrüße, habe ich doch große Zweifel, ob es weitergehen wird. Aber bei einem Staffelfinale, das auch so gut als Serienfinale funktioniert hat und wirklich alle losen Fäden sinnvoll und stimmig verknüpfen konnte, bin ich glücklich über die drei Jahre, die wir bekommen haben. Damages hat sich auf jeden Fall einen absoluten Spitzenplatz in meiner Serien hall of fame gesichert. Und es wird wohl Jahre dauern, bis wieder eine dermaßen intelligente und nahezu makellos umgesetze Show mit einem dermaßen starken Ensembel zustande kommt.
Meine allergrößte Hochachtung an FX und alle Beteiligten für den Mut zu so einen düsteren und hochkomplesen Stoff. Ganz dicke 10/10 für das Finale, die Staffel, die Serie.