US-Fernsehen (inklusive Season- und Pilot-Reviews), britisches Fernsehen etc.
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von RickyFitts
#901188
Theologe hat geschrieben:Die Folgen 3 und 4 habe ich vorhin gesehen und beide haben mir gefallen.
Jesse ist also schon länger Pauls Patient, dass gab es in der 2. Staffel ja gar nicht. Anfangs machte es den Eindruck, als habe er ganz normale Probleme eines Teenagers, also Stress mit den Eltern, das Ausleben seiner Sexualität, Selbstkontrolle, also nicht weltbewegendes. Die Tatsache, dass er adoptiert ist, trifft natürlich auf die wenigsten Teenager zu, aber das muss ja auch nicht zwingend ein Problem sein.
Die Voice-Mail war dann natürlich schon sehr unerwartet. Am besten hat mir gefallen, was Paul zu der Sitzung bei Adele sagte. Du siehst, dass die beiden einen Fortschritt machen und dann knüpelt Jesse wieder dazwischen.

Adele empfand ich als sehr angenehm, nachdem mir Gina mit ihrer Oberleherart immer gegen den Strich ging, was aber auch an Dianne Wiest lieg, die mag ich einfach nicht. Adele hat sich von Paul nicht an der Nase herumführen lassen und brachte ihn dazu, sich zu öffnen, obwohl er das nicht wirklich wollte und die Tatsache, dass sie in der ersten Sitzung erkannte, dass Paul einsam ist, spricht auch für sie. Unabhängig davon, sehe ich Amy Ryan sehr gern.
Sitzungen 3 und 4 haben mir beide sehr gut gefallen. Jesse bringt von den eher typischen Teenagerproblemen schon ein ganz schönes Bündel mit: Drogenverkauf, Schulschwänzen, Aufmerksamkeitsdefizit (gemutmaßt, muss nicht unbedingt ADS sein), Homosexualität birgt auch immer Konfliktpotential, dann noch Adoption und als Katalysator kommt jetzt noch der Anruf dazu. Die Dynamik mit/gegen Paul gefällt mir. Der reizt und testet aus wo es nur geht, lässt sich aber auch von einem simplen aber bestimmten "dont talk to me like that" wieder runterholen. Will ich auf jeden Fall schon jetzt mehr von sehen.
Adele war auch sehr interessant. Zu Anfang hat Paul das Gespräch sehr dominiert mit seiner Ungeduld und seiner kaum verholenen Geringschätzung über ihre Unerfahrenheit. Aber Stück für Stück kippte diese Gesprächssymmetrie in die andere Richtung. Dass Paul Gina jetzt geradezu auf ein Podest idealisiert ist schon vielsagend in Anbetracht ihres Abschiedes. Umso spannender wie feinsinnig Adele da schon jetzt Brüchigkeiten erspürt und auch die Professionalität in ihrer Beziehung in Frage stellt. Dass sie am Ende ganz offenbar auch den richtigen Riecher in Bezug auf seine Träume hatte, hat ihn spürbar beeindruckt. Bis er sich in den kommenden Wochen aber wirklich auf sie einlässt wird es auf dem Weg zur nötigen Anerkennung noch deutliche Reibungspunkte geben.
Sehr schön. Freu mich auf Montag
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von RickyFitts
#903372
Ich denke mit vier Tagen Abstand und der Absicht den Thread in die zweite Woche zu pushen mag man mir den Doppelpost verzeihen:

Ja, es entwickelt sich mit jeder Episode besser, was aber auch einfach daran liegen mag, dass die Patienten vom Anfang zum Ende der Woche besser werden. Die erste Hälfte mit Sunil fand ich staubtrocken und ausgesprochen langweilig. Mit seiner Thematik kann ich mich schon schwer identifizieren, in sein Flechma noch viel weniger hineinversetzen.
Frances dagegen find ich schon deutlich faszinierender. Dieses ständige Suchen nach äußerer Bestätigung und ihre automatische Annahme, dass sie genau das aber nicht mehr verdient hat; dass sich darin Ursache und Wirkung von all ihren privaten Verlusten spiegeln bietet schon jetzt sehr viel Substanz.
Jesse ist natürlich das offensichtlichste Neurosenbündel im Trio, aber die sind bei ihm so hartnäckig verzahnt, dass es extrem schwer ist, zu einer Wurzel vorzudringen. Es ist ein Genuss zu beobachten und sich einzufühlen wie Paul fast in trial and error Manier Methoden durchprobiert, um weiter vorzudringen, auch öfters mal eine Schicht tiefer kommt - nur um dann aber wieder umso härter zurückgestoßen zu werden, wenn der doch recht clevere Jesse das Muster erkennt, aber nicht zulassen will.
Pauls Gespräch mit Adele war diesmal weit weniger von Widerständen geprägt, aber immer noch ein subtiles Abtasten - okay am Ende mit der Buchfrage gar nicht subtil sondern ein sehr offener Test; allerdings mit einem aufschlussreichen Querverweis auf Wendy, die er quasi im Nebensatz disqualifiziert hat, ihn wirklich auf Augenhöhe zu verstehen.

Beruhigt kann ich für meinen Teil nach zwei Wochen sagen, dass In Treatment auch rein aus US-Feder geschrieben immer noch Spitzenklasse im Bereich Dialoge ist. Ich glaube über Schauspiel muss man gar nicht mehr viel sagen, außer: AMAZING!!!!! (Jaha, fünf Ausrufezeichen. Ich spar mir die über Monate auf für solche Gelegenheiten :wink: )
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von Theologe
#903382
In der zweiten Woche war wieder Jesse das Highlight, ich hätte am liebsten eine weitere Episode mit ihm gesehen. Ab und zu sind 25 Minuten eben doch nicht genug. Daran sieht man die Qualität der Serie. Zwei Leute sitzen in einem Raum und reden und doch kann es so unglaublich fesselnd und spannend sein, dass man sich nicht satt sehen kann.
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von RickyFitts
#907524
Auch in Woche drei ändert sich wenig am Ranking der Storylines.
Jesse bleibt mit Abstand das Highlight. Da ist zwischen all seiner Wut und dem Selbsthass so viel Dynamik und Vielschichtigkeit drin, dass es einfach Spass macht zu sehen, wie Paul stellenweise auch kaum noch mitkommt - vor allem wenn Jesse jeden kleinen Fortschritt immer wieder zertritt. Das Ende hatte ich zwar schon kurz vorher so vermutet, aber es war trotzdem sehr anrührend Jesses Gesichtsausdruck zu sehen als seine Mutter völlig selbstverständlich auf ihn gewartet hat.
Tiefpunkt für mich erneut Sunil, der mich nach wie vor langweilt.
Bei den Theaterproblemchen ging es diesmal extrem schnell rum, obwohl ich beim plöttzlichen Ende der Folge etwas verdutzt war, weil gefühlt gar nicht so viel rausgekommen war.
Sehr gut hat mir dafür die Sitzung mit Adele gefallen. Dass Paul sich selbst als "unfit" darstellt und das wohl auch Ginas Wahrnehmung von ihm bestimmt hat, war verblüffend treffend und deckt sich mit den vorigen zwei Staffeln. Umso toller, weil ich ihren Punkt absolut nachvollziehen konnte, ohne dass mir das vorher je bewusst geworden ist. Deutlich augenscheinlicher war Ginas einstige Kritik, dass Paul für einen Therapeuten manchmal erstaunlich wenig sein eigenes Verhalten reflektiert. Wie er recht offensichtlich mehrfach versucht hat von der Max-Situation abzulenken war ein ziemlich klares Beispiel dafür. Da hätte ich der Folge fast vorgeworfen, dass das ja nicht gerade subtil umgesetzt war, aber durch Adeles glasklare Analyse und Schlussfolgerung hat sich der Eindruck dann deutlich ins Positive verkehrt.
Also zwei mal sehr stark, einmal ganz gut und einmal gähn
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von Theologe
#907525
Ich mag die Folgen mit Sunil, finde dafür eher Frances zum gähnen. Sunils Probleme werden jetzt auch offenbar. Es ist nicht nur die Trauer um die verstorbene Frau, sondern die unterschwellige Erkenntnis, dass er sein Leben nicht so gelebt hat, wie er es gewollt hätte.
Jesse war natürlich wieder das Highlight der Woche, wobei ich gern mehr von seiner Mutter gesehen hätte.
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von Theologe
#915040
Diese und letzte Woche fand ich beide sehr stark. Bei Sunil wird immer deutlich, dass es in ihm brodelt und man hat den Eindruck, dass er Paul um Hilfe bitte, weil eine Eskalation bevor steht, Paul das aber nicht wirklich wahr haben wollte. Die Tatsache, dass Sunil ihm den Schläger gegeben hat, war schon nicht mehr subtil, sondern ziemlich eindeutig. Glücklicherweise hat die letzte Sitzung bei Adele Paul doch zum Umdenken bewegt.
Generell war diese Sitzung sehr spannend und Abwechslungsreich, weil zwischendurch Paul und Adele die Rollen tauschten und Paul auf einmal Adele therapierte und enthüllte, dass sie seine Fantasie teilt. Der Bruch ins Pauls Verhalten, als er den Schwangerschaftsbauch sah, war überragend. Gabriel Byrne ist schon ein verdammt guter Darsteller.
Die beiden Sitzungen mit Frances haben mir zum ersten mal wirklich gut gefallen. Frances scheint nun akzeptiert zu haben, dass ihre Schwester stirbt und dass es wichtiger ist, ihr beizustehen anstatt sich abzukanzeln und zwar für beide.
Wie immer war jedoch Jesse das Highlight. Die Art und Weise wie sich bei ihm seine Intelligenz und Beobachtungsgabe mit selbstzerstörerischen Aktionen abwechseln ist jedes mal beeindruckend. Genauso das Gespür Pauls für die Probleme Jesses. Inzwischen hat man den Eindruck, dass Paul die "Wendungen" in Jesses Erlebnissen schon kennt, bevor er diese offenbart.
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von Theologe
#916698
Ein guter Auftakt in die letzte Woche von In Treatment. Durch den Tausch der Frances und Sunil Episoden, entstand der Eindruck, dass bei Sunil und Julia etwas vorgefallen ist, was natürlich die Spannung auf die Sunil Episode erhöhte.
Bei Frances ist letztlich nichts unerwartetes mehr passiert, ihre Therapie kann man auch nicht als abgeschlossen ansehen, dennoch hat sie sich im Laufe der Staffel gewandelt, nach und nach lernt sie, dass sie nicht so schwach ist, wie sie sich selbst sieht und dass auch andere, in dem Fall ihre Schwester ihr viel mehr zu trauen als sie selbst. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man in der Adele Folge noch kurz was von Frances hört.
Sunils letzte Folge bot natürlich einen coolen Twist. Ich habe seinen Plan auch nur wenige Minuten vor Paul durchschaut und im Lichte dieser Auflösung haben die Sitzungen mit Sunil natürlich einen ganz anderen Wert bekommen. Pauls Gesichtsausdruck war Gold wert, als er merkte, dass Sunil ihn und alle anderen verarscht hat. Sunil selbst fand ich aber auch klasse, weil er eben relativ lässig erzählte, dass ihm die Therapie/Freundschaft mit Paul viel gebracht habe und er davon ausgeht, dass auch Paul einen großen Nutzen daraus zog.
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von str1keteam
#927642
Ich habe die Staffel gestern beendet und war wie jedes Jahr aufs neue überrascht wieviel Spannung und Suchtpotential so ein karges Kammerspiel doch entwickeln kann. An der Qualität der Darsteller (auch der unbekannten) musste man nicht zweifeln, aber auch die erstmals vorlagenlosen Drehbücher konnten das gewohnt hohe Niveau bruchlos halten. Pauls persönliche Reise und Selbsterkennung war dieses Jahr sogar interessanter und tiefgreifender denn zuvor. Insgesamt muss ich die Staffel dennoch hinter Staffel 2 einordnen, denn die Dienstagssitzungen mit Debra Winger waren zwar ebenfalls toll gespielt, aber lange Zeit zäh und stellenweise klischeebeladen und wenig interessant. Wenn die Sitzungen nicht auch Pauls Ängste und Probleme widerspiegeln würden, wäre ich vielleicht der Versuchung erlegen sie zu überspringen, um schneller zu den anderen Tagen zu kommen. Wie meist wurden auch diese Sitzungen nach dem ersten Durchbruch unter die Oberfläche interessanter, aber man hat vergleichbare Geschichten einfach schon zu oft z.B. in Krankenhausserien gehört.

Umso besser war der Montag mit Sunil. Hier wurde von der ersten Sitzung an geschickt mit den Erwartungen des Zuschauers gespielt, um sie dann immer wieder mal mehr, mal weniger subtil (wenn mich generell etwas an In Treatment stört, dann das es zu oft Dinge offen ausspricht, die vorher nur in Blicken und Gesten angedeutet wurden) in andere Richtungen zu stupsen und am Ende dann komplett auf den Kopf zu stellen. Sunil ist Keyser Soze. :lol: Mehr spare ich mir. Theologe hat das ja schon ausführlich besprochen.


Der Charakter Jesse schien mir am Anfang etwa zu viel mit Klischeeproblemen beladen und seine Art Paul zu schocken und provozieren, haben wir schon zur Genüge bei anderen Patienten gesehen, aber auch hier zeigte es sich, dass die Sitzungen nach dem ersten Durchbruch eine andere Richtung einschlagen können. Im Gegensatz zur Diva ist es hier auch schnell gelungen, so in die Tiefe zu gehen, dass der Charakter vom "homosexuellen Teenager auf Identitätssuche" zu einem echten Menschen wurde, der nicht nur von seinen Krisen und den psychischen Problem definiert wird. Das er am Ende der Therapie zwar kurzfristig etwa zufriedener, aber langfristig nicht unbedingt auf einem besseren Weg als zu Beginn ist, war die richtige Entscheidung der Autoren. Paul ist kein Voodoo Doktor, der alle Patienten "heilen" kann.

Den größte Qualitätssprung im Vergleich zu den Vorjahren boten die Sitzungen mit Pauls neuer Therapeutin. Zum Teil natürlich auch, weil Amy Ryan ganz im Gegensatz zu Diane Wiest zu meinen Lieblingsdarstellerinnen im TV gehört. Die dunkle Seite von Paul hatten wir schon bei Gina kennen gelernt. Die selbstgerechte Arroganz, die Agressivität, die Unsicherheit und die innere Leere. Die Dynamik zwischen den Charakteren bot hier zusätzlich Raum für Spannungen auf verschiedensten Ebenen (von sexueller bis zum Konkurrenzkampf) und Paul wurde hier nicht nur zerlegt und auf Normalsterblichenausmaße geschrumpft. Die schmerzhafte Selbsterkenntnis dürfte für ihn dieses Jahr auch hilfreich gewesen sein. Das Staffelfinale würde deshalb zur Not auch als Serienfinale taugen. 8/10
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von little_big_man
#929712
Habe jetzt erst eure Postings bis und mit Woche 3 gelesen, da ich mit dieser selbst nun gerade zu Ende bin, will aber doch auch mal meine bisherige Meinung hier schreiben, die sich ziemlich mit Theologe zu decken scheint. Denn auch ich finde Frances so was von extrem nichtssagend und nervig und würde sie sogar über alle 3 Staffeln als langweiligste und einschläferndste Patientin bezeichnen....noch schlimmer als Jake, Amy und Mia!

Und trotzdem finde ich diese Staffel bisher genial, weil die anderen drei Sitzungen der Woche wirklich ganz grosse Klasse sind:
- Sunil ist hochinteressant und ich finde es eine tolle schauspielerische Leistung (natürlich auch einem klasse Skript zu verdanken), wie jemand gleichzeitig so phlegmatisch rüberkommen kann und trotzdem so viel (trockenen, verzweifelten) Humor dabei durchstrahlen lässt. Ich konnte jedenfalls schon sehr häufig schmunzeln bei diesen drei Episoden. Aber auch die Probleme von ihm sind sehr gut nachvollziehbar.
- Jesse ist natürlich auch sehr spannend, dazu habt ihr aber ja eigentlich schon das meiste geschrieben...
- Aber das Highlight sind für mich bisher tatsächlich die Adele-Episoden und so gerne ich die Gina-Episoden jeweils hatte, so waren diese in den ersten beiden Staffeln nie mein absolutes Highlight (jeweils die drittbesten Sitzungen). Pauls neue Probleme gemixt mit den Analysen von Adele faszinieren mich aber hochgradig und lassen mich immer grüblend zurück am Ende!