Sentinel2003 hat geschrieben:An meinen Vorredner: Fernsehfohlen: Du könntest echt Filmkritiker werden!! Ich bin immer tief beeindruckt von Deinen sehr langen Kritiken! :!:
Dankeschön.
Wobei ich hoffe, dass dich nicht nur die Länge der Texte beeindrucken, sondern auch der Inhalt.
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Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1
Harry (Daniel Radcliffe), Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) machen sich auf den Weg, um die Horkruxe zu finden. Dies sind Teile von Lord Voldemorts Seele, welche überall auf der Welt verteilt und sehr schwer aufzufinden sind. Mehr und mehr auf sich alleine gestellt müssen sie sich den immer weiter an Macht gewinnenden Todessern stellen, die mittlerweile auch das Zaubereiministerium und die Zauberschule Hogwarts eingenommen haben. Bei ihrer Suche treffen sie auf die Legende der drei Heiligtümer des Todes, welche den dunklen Lord unbesiegbar machen könnten...
Ein ganzes Jahrzehnt hat sie geprägt, Großbritanniens Vorzeigeautorin Joanne K. Rowling, mit ihrer Geschichte um den Zauberschüler Harry Potter. Mittlerweile ist Rowling durch ihre einzigartigen Werke eine der reichsten Menschen des Königreichs geworden, doch ausschlachten möchte sie diesen Erfolg wohl nicht. Schon früh kündigte sie an, dass ihre Zauberwelt nach sieben Bänden für immer die Pforten schließen wird, wenngleich sie manchmal Hoffnungen auf einen achten Teil weckte. Hollywood ist diesbezüglich wesentlich opportunistischer eingestellt und schafft sich seinen achten Film, wenn die olle Britin sich so ziert. Bei aller Profitgier, die sicherlich bei der Zweiteilung des letzten Films keine zu vernachlässigende Rolle gespielt haben dürfte, muss jedoch fairerweise auch angemerkt werden, dass man bereits seit der vierten Verfilmung Probleme hatte, die Komplexität der Potter-Bücher in weniger als drei bis vier Stunden adäquat auf die Leinwand zu projezieren.
Der erste Teil des letzten Films ist vor allem eines: Überaus düster. Während man noch im sechsten Films bemüht war, die cineastische Umsetzung noch einigermaßen kindgerecht, locker und witzig zu gestalten, kann man hierbei nun wirklich nicht mehr von einem Kinder- und Jugendfilm sprechen. Harry Potter ist erwachsen geworden und genau das spiegelt sich die kompletten 146 Minuten wider: Es gibt keine Schulstunden mehr in Hogwarts, auch Quidditsch oder Besuche in Hagrids alter Hütte sucht man vergebens. Stattdessen wird der Fokus eindeutig auf den (Fern-)Kampf zwischen Potter und dem dunklen Lord gelegt. Man muss hier zwingend von einem Fantasy-Film für Erwachsene sprechen, alles andere wäre weder der Darstellung, noch der Handlung angemessen.
Gerade für das ältere Publikum hat dieser Trend natürlich große Vorteile, denn man muss sich nun endlich nicht mehr an die ungewohnt junge Atmosphäre gewöhnen, die ein Kinobesuch mit den Sprösslingen mit sich bringt. Bereits der Anfang macht klar, worauf man sich hier einzulassen hat, als man versammelte Todesser in einem Kerker bei Lord Voldemort sieht und dieser zunächst Lucius Malfoy erniedrigt, indem er um dessen Zauberstab bittet, bevor er eine ehemalige Hogwarts-Lehrerin umbringt und der Schlange Nagini zum Fraß vorwirft. Die anschließende Flucht Potters mit seinen Unterstützern gerät zu einer Actionszene in der Dunkelheit, als die Todesser auf sie treffen.
So schön, wie dies für einige Freunde von "erwachsenem" Kino klingen mag, so problematisch ist dies doch für Potter-Fans wie mich. Die Faszination dieser Reihe resultierte nämlich bei mir immer aus dem Charme der Zaubererwelt, die hier mehr und mehr zu einem Schlachtfeld verkommt. Es fehlen einfach die sympathischen und unbeschwerten Schulstunden, die doch irgendwie jeden irgendwie an die eigene Schulzeit erinnert haben. Es fehlen Ruhezeiten, in denen man sich zurücklehnen und unbeschwert zugucken kann, wie die Streberin Hermine dem unbegabteren Ron wieder das richtige Ausführen von Zaubersprüchen erklärt. Und dies macht es insbesondere auch dem jungen Publikum schwer, sich hineinzufinden in diesen Teil. Die sieben Bücher und Filme sind eindeutig so konzipiert, dass der Leser gemeinsam mit den Helden vom Kind zum jungen Mann oder zur jungen Frau wird. Leider wird die junge Generation von heute hier nicht wirklich abgeholt. Dies ist aber ein persönlicher Kritikpunkt, der wohl sogar eher dem Buch, als dem Film gilt.
Regisseur ist hier zum dritten Mal David Yates, welcher mit dem fünften Teil eher enttäuschte. Es hat mich bereits überrascht, dass er noch einmal im sechsten Film randurfte, welchen er dann aber gut umsetzen konnte. Auch für den letzten Film ist er eher nicht die absolute Idealbesetzung, jedoch sicherlich auch kein totaler Fehlgriff. Er hält sich hier sehr eng an das Original, was eingefleischte Leser sicherlich freuen wird. Wirkliche Glanzleistungen sind selten, aber eine einzige gibt es dann meines Erachtens hier doch: Die Legende der Heiligtümer, die im Haus der Lovegoods erzählt wird, wurde wirklich toll umgesetzt. Sowohl die Erzählung der Geschichte, als auch die optische Darstellung im Tim Burton-Stil ist klar verständlich, schnell auf den Punkt gebracht und wirklich schön anzusehen.
Schauspielerisch ist es eigentlich müßig zu erwähnen, dass Emma Watson die beste Leistung bringt. Insbesondere Daniel Radcliffe tut sich manchmal doch etwas schwer mit seiner Rolle, während Rupert Grint als Ronald Weasley weiterhin zu gefallen weiß - allerdings auch die einfachste der drei Hauptrollen hat. Ralph Fiennes verleiht seinem dunklen Lord genau die Boshaftigkeit, die er gerade hier braucht. Seine Maske ist ebenfalls wieder sehr gelungen, wenngleich ich mir Voldemort immer etwas anders vorgestellt habe. Ansonsten sticht keiner aus der großen Masse sonderlich heraus, der schauspielerische Leistungen erbringen musste, leider sind Umbridge, Snape und Lestrange recht selten zu sehen. Die emotionalste Szene wird aber ohnehin ausgerechnet dem kleinen Hauselfen Dobby zuteil, der sich für seinen Herren opfert. Die Schlussszene ist gut gewählt, wenngleich auch beinahe schon obligatorisch, denn hier findet die stärkste Zäsur innerhalb des Werkes statt.
"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1" tut die lange Laufzeit nicht immer gut, da sich einige Längen einschleichen. Andererseits sind diese jedoch auch fast alternativlos, möchte man die Handlung auch Nicht-Lesern des Buches nahebringen. Wer einen düsteren Fantasy-Film möchte, ist hier an der richtigen Stelle, wer sich den alten Potter-Charme erhofft, sollte sich lieber nochmal überlegen, ob er bei diesem Film gut aufgehoben ist. Letztlich steuert man hier auf den ultimativen Schlusskampf zu und tut dies recht kompromisslos. Ich bin hin- und hergerissen, da mir mein Kopf sagt, dass Potter 7 (1) eine wirklich tolle Umsetzung ist, die sogar zwei Oscarnominierungen vorweisen kann, mein Herz jedoch weint bei diesem Film. Es fehlt mir einfach zu viel...
7/10
Fohlen